— Transkript: Der Podcast im Volltext —
Maja Göpel
In Demokratien, so haben wir uns geeinigt, ist Marktwirtschaft die natürliche Form, die Wirtschaft zu organisieren. Viele, die gemeinsam durch die Art und Weise, wie sie sich in Märkten begegnen, als Anbieter und Nachfrager in ihren Tauschgeschäften herausmendeln, welche Bedürfnisse gibt es eigentlich gerade, welche Angebote gibt es dafür, welche Preise scheinen dafür angemessen zu sein? Und wenn der eine nicht mehr ordentlich liefert, dann hat die andere vielleicht eine Idee. Innovationen sollen Märkte eben auch nach vorne treiben können. Das Abgefahrene ist, dass in der öffentlichen Debatte gerne so oft getan wird, je weniger der Staat da ist, umso besser funktioniere der Markt. Das stimmt ja aber gar nicht, weil, je nachdem wie sich die Kräfte in den Märkten verhalten haben, wir eventuell zu der Situation kommen, wo erst durch staatliche Eingriffe Wettbewerb wieder garantiert werden kann. Deshalb ist es Quatsch, so zu tun, als würde uns jede staatliche Regel sofort Richtung Planwirtschaft bringen oder die unternehmerische Freiheit einschränken. Wir brauchen immer Spielregeln für Märkte. Die sind immer da, und die haben immer einen Effekt. Und welche Spielregeln uns besonders wichtig sind, das sollten wir demokratisch mitbestimmen dürfen.
Mein Name ist Maja Göpel, ihr hört NEU DENKEN, den Podcast von Mission Wertvoll, und heute haben wir uns das Thema Marktwirtschaft vorgenommen. Eingeladen haben wir uns dafür den Wirtschaftswissenschaftler Rudi Bachmann. Er lehrt und forscht in den USA, aber mischt sich immer lebhaft in die deutsche Debatte ein.
Herzlich willkommen.
Rüdiger Bachmann
Hallo, freut mich dabei sein zu dürfen.
Maja Göpel
Rudi, du bist jetzt ganz neu Professor für Wirtschaft an der US-amerikanischen University of Michigan und warst vorher bei der katholischen Universität Notre Dame. Du bist aber schon lange über den Atlantik gehopst, nachdem du in deutschen Universitäten hier eben auch gearbeitet und geforscht hast und mischt dich auch immer wie so eine Perspektive von außen in die Debatte ein. Das transatlantische ist dir also sehr wichtig. Vielleicht sagst uns mal einen Moment, wie du da gelandet bist, wo du jetzt bist. Also was hat dich angetrieben? Wie bist du bei der Wirtschaftswissenschaft gelandet und warum bist du da auch stecken geblieben? Was fasziniert dich?
Rüdiger Bachmann
Ja, das ist eine ganz interessante Frage. Also ich wusste schon eigentlich im Gymnasium, dass ich mal einen lehrenden Beruf machen will. Ob das dann Gymnasiallehrer sein würde oder Professor an der Universität oder gar an Spitzenuniversitäten, das habe ich mir damals noch nicht so richtig vorstellen können oder ausmalen können, weil ich einfach nicht wusste, was das bedeutet. Aber dass ich Dinge gerne durchdenke und anderen beibringe, das glaube ich. Das war schon immer so.
Und ich habe aber auch überhaupt nicht mit Ökonomik angefangen. Das hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass jedenfalls zu meiner Zeit in allgemeinbildenden Gymnasien die Ökonomie und die Ökonomik eigentlich keine Rolle gespielt hat als Unterrichtsfach. Das wurde mal so bisschen abgehandelt. So nebenbei in den Gesellschaftswissenschaften, Gemeinschaftskunde hieß das, glaube ich, bei uns. Aber ich wusste über Wirtschaft eigentlich überhaupt nichts. Also ich habe eigentlich mit Geisteswissenschaften angefangen.
Wie bin ich zur Ökonomie gekommen, kann man jetzt fragen, wie so vieles im Leben wegen einer Frau. Also für Männer jedenfalls tatsächlich komischerweise. Meine damalige Freundin hat tatsächlich BWL studiert und ich habe mit der im ersten Semester immer wieder Dinge gelernt, abgehört, gefragt, für Klausuren gelernt. Und irgendwie fand ich das interessant, und dann habe ich mir VWL-Vorlesungen angehört und das hat mich dann nicht mehr losgelassen, diese Kombination aus formalem Denken, mathematischem Denken, dann aber natürlich auch geschichtliche Bezüge, normativ-ethische Bezüge, also in die Philosophie reingehend. Ja, und der ganze sozialwissenschaftliche Komplex, dieser fundamentale Unterschied zwischen Sozial- und Naturwissenschaften, obwohl die VWL ja gerne so tut, als könnte sie so operieren wie eine Naturwissenschaft, ist eben dieses nach vorne schauen, in die Zukunft schauen.
Die naturwissenschaftlichen Objekte haben eben keine Zukunft in dem Sinne Atome, Moleküle, auch Gene, Arten in der Evolutionstheorie, die kennen keine Zukunft. Und das ist eben der Unterschied zu Menschen, was die Sozialwissenschaft wirklich unterscheidet. Menschen handeln, denken und handeln von ihrer Zukunft her, über Erwartungen, Unsicherheiten über die Zukunft usw. Alles das beeinflusst menschliches Handeln. Und dass diese Kombination, darauf dann aber auch tatsächlich Mathematik anwenden zu können und statistisch Verfahren, das finde ich nach wie vor faszinierend.
Maja Göpel
Was ist für dich denn eine gute Definition von Wirtschaft? Also, wo würdest du sagen, ist das gut gefasst?
Rüdiger Bachmann
Ja, ist so, ich habe da auch keine abschließende Antwort drauf. Es ist eine uralte Diskussion übrigens in der Philosophie der Ökonomik oder auch in der Wissenschaftstheorie der Ökonomik, sind wir eher so diese, nach der klassischen Definition beantworten wir Fragen oder stellen wir Fragen und versuchen die dann zu beantworten nach materieller Produktion, Allokation und Verteilung von Ressourcen. Oder, und das ist eben die vielleicht etwas moderne, subjektivistische Definition, sind wir mit allem beschäftigt, was mit Knappheit zu tun hat in irgendeiner Form und deshalb mit Trade-offs.
Also, wo muss ich abwägen? Wenn ich nicht alles haben kann, was wähle ich zuerst? Ich würde sagen, die Ökonomik…meine Idee ist, und wie gesagt, ich spreche nicht als professioneller Wissenschaftstheoretiker, sondern als praktischer Ökonom, also praktisch im Sinne von praktisch wissenschaftstreibender Ökonom, der auch, wie du schon gesagt hast, praktische Seiten in der Politikberatung und in der Öffentlichkeitsberatung hat. Aber ich stelle mir das ungefähr so vor, im Hintergrund gibt es eine allgemeine Sozialwissenschaft, die sich eben mit dem Menschen, insbesondere dem Menschen als gesellschaftlichen Wesen beschäftigt. Und die jeweils einzeln real existierenden, also in den Fakultäten dann sich manifestierenden Sozialwissenschaften, das sind dann jeweils unterschiedliche Perspektiven auf diese komplexe soziale Welt.
Maja Göpel
Ich würde dir eine Definition anbieten, die ich von Lionel Robbins gefunden habe, wo ich den Eindruck das bringt eigentlich ganz gut die Sachen auf den Punkt. Ökonomie ist eine Wissenschaft, die menschliches Verhalten als Beziehung zwischen Zielen und knappen Mitteln mit alternativer Verwendung untersucht. Und das bringt ja viel auf den Punkt. Verhalten, also wie verhalten sich Menschen in bestimmten Situationen und dann die Annahme, dass wir Ziele verfolgen, die Annahme, dass wir dafür bestimmte Ressourcen brauchen und dann natürlich so bisschen die Frage, was priorisieren wir einfach eigentlich oder wer kriegt Zugriff auf diese Ressourcen, wenn die begrenzt werden. Wär das was? Also ich habe den Eindruck, die ist so allumfassend genug, dass ich da viel drin finden kann und gibt so mit Verhalten, mit Zielen, mit Mitteln und alternativer Verwendung eigentlich auch so bisschen ganz gut zusammengefasst auf den Punkt, was ihr euch anguckt.
Rüdiger Bachmann
Genau, das ist das Knappheitsparadigma. Genau diese Definition von Lionel Robbins hatte ich im Kopf. Ein anderes Wort für das, was da eben beschrieben wird, auch wenn er das Wort scarcity selber, glaube ich, in dem Zitat nicht verwendet. Doch, kommt ja vor, knappe Ressourcen oder knappe Mittel. Genau das ist die Knappheitsdefinition. Immer da, wo Knappheit vorliegt, reden Ökonomen…das ist aber jetzt die Frage, ob das sozusagen, ob man das … Und viele Ökonomen selber finden, dass die Ökonomik als Wissenschaft dazu weit ging, wenn sie wie gesagt, z.B. Familienbildung, Kinder bekommen, solche Fragen auch unter so Knappheitshinsichten versucht zu analysieren. Und eben nicht unter Bedingungen der familiären Liebe oder wie auch immer, also psychologischen Affekten z.B.
Aber wie gesagt. Ich bin da eigentlich ein sehr ökumenischer Mensch. Ich sehe mich als Teil einer großen Sozialwissenschaft. Deswegen habe ich einen Heidenrespekt vor anderen Sozialwissenschaften. Mir geht es darum, dass alle diese Perspektiven auf die soziale Wirklichkeit, die ja selber durch diese Wissenschaft zum Teil erst überhaupt konstituiert wird, ihre Berechtigung haben, und wir voneinander lernen können. Ich kann halt bestimmte Dinge als Ökonom besonders gut. Und deswegen schaue ich als Ökonom mit einer bestimmten Weise auf diese soziale Welt. Aber ich will das nicht, auf gar keinen Fall imperial, hegemonial oder sonst irgendwie verstanden wissen, sondern als ein Angebot neben vielen.
Maja Göpel
Du würdest aber wahrscheinlich mit mir übereinstimmen, dass die ökonomische Deutungshoheit ziemlich stark geworden ist. Oder in unserer öffentlichen Debatte, was wir uns leisten können, irgendwas unwirtschaftlich ist usw. Dann ist das ja gleich irgendwie so angezählt, ob wir das noch weitermachen können. Also es ist ja schon, ich würde sagen, das ist ziemlich hegemonial geworden. Und dagegen ist vieles andere so bisschen weich gezeichnet. Oder das muss jetzt mal in den Hintergrund treten. Also bei Knappheit, komme ja sehr aus der ökologischen Frage, sind wir immer ganz schnell an dem Punkt. Wieso ist das ökologisch auf einmal etwas Weiches, wirtschaftlich etwas Hartes, während wir natürlich wissen, Ressourcen sind ein Inputfaktor.
Rüdiger Bachmann
Und vor allem knapp. Sie sind vor allem knappe Ressourcen, weil eine zweite Erde haben wir nicht. Die Erde ist eines der knappsten Güter, die wir haben. Insofern Zustimmung – ja. Das ist eben eine bestimmte Weise, über das ökologische Problem nachzudenken in Form von Knappheiten. Das sind ja dann auch unsere Lösungsangebote, zu sagen, wir müssen zum Beispiel Beschränkungen haben dafür, wie weit wir diese Ressource Umwelt, Klima tatsächlich nutzen und auch verbrauchen können. Und das können die Ökonomen selber nicht festlegen. Dazu brauchen wir die Klimawissenschaften, die Ökologen, also andere, die Naturwissenschaften, die uns das eben sagen müssen.
Aber Ökonomen würden dann eben sagen, wir brauchen da mögliche Mengenbeschränkungen, die das erlauben, dann sozusagen die Verteilung und Allokation, wer was darf von Verschmutzung, da kommen wir dann rein und schlagen eben Marktmechanismen vor. Aber jetzt greife ich vielleicht schon vor, aber das ist dann die ökonomische Sichtweise zu sagen, wir brauchen für bestimmte Dinge einen Preis, um eben diese Knappheitssignale auch wirklich sozusagen in unser wirtschaftliches Handeln inkorporieren zu können.
Aber zunächst mal braucht es eine Mengenbeschränkung. Also es muss eben eine Obergrenze geben, wie viel CO2 wir noch in die Atmosphäre blasen dürfen. Das kann dann auch absolut sein. Das ist dann eine Frage der Klimatologen, der Ökologen, die uns das eben sagen. Und dann, die Ökonomen kommen dann im zweiten Schritt rein, zu sagen, wer darf jetzt? Wir haben die aggregierte Menge sozusagen festgelegt. Wie allozieren wir das jetzt auf welche Prozesse? Wer darf was machen? Das ist dann die Frage. Also die Knappheit ist sozusagen gegeben durch die Natur bzw. uns mitgeteilt durch die Naturwissenschaften und dann können die Ökonomen arbeiten und fragen, wie machen wir das?
Maja Göpel
Ich finde den Punkt unheimlich wichtig, weil ich finde, ganz oft irgendwo verloren geht, dass dieses Knappheiten anzeigen aus den Naturwissenschaften ja nichts Ideologisches ist. Also, wie ist das passiert, dass wir in der Debatte merken, dass auf einmal naturwissenschaftliche Erkenntnis in den Bereich der Ideologie geschoben wird? Wie erklärst du das? Wie unterscheidest du naturwissenschaftliche Erkenntnis von Ideologie? Also das finde ich auch ganz wichtig, das mal einmal herauszustellen, dass man das auch so ein bisschen merken kann, wenn die Debatte da einmal so ein bisschen rutscht.
Rüdiger Bachmann
Na ja, gut, das scheint ja ein allgemeineres Phänomen zu sein. Wir sehen das bei Covid, wir sehen das jetzt bei der Impfdebatte. Wir sollten übrigens noch mal zurückkommen auf den Imperialismus der Ökonomie in den USA. Also wir sehen hier aktuelle Entwicklungen, die, finde ich, ganz interessant sind zu diskutieren. Aber, um zunächst mal deine Frage zu beantworten, das scheint ja wohl eine generelle Entwicklung zu sein. Das sehen wir ja nicht nur in der Klimadiskussion, wir sehen das bei der ganzen Impf-Frage, bei der ganzen Diskussion jetzt in den USA über naturwissenschaftliche Forschung überhaupt. Klimaforschung ist eine Sache, wie gesagt, es geht ja sogar Krebsforschung und die ganze pharmakologische Forschung, wo sich die USA gerade ins Mittelalter irgendwie zurück manövriert. Ja, wie ist es dazu gekommen?
Die übliche Erklärung nämlich, dass in der Tat die Entwicklungen, die wir gesehen haben, und wie gesagt, das ist jetzt nicht meine originelle Erklärung, sondern das ist das, was ich bei vielen Soziologen entnehme, dass wir eben durch die an sich positiven Entwicklungen behaftete Globalisierung, die nämlich viele Menschen, gerade in sich entwickelten Ländern, aus Armut es ihnen ermöglicht hat, aus der Armut aufzusteigen und in eine globale Mittelklasse reinzuführen, vor allen Dingen in Asien. Wir sehen es aber auch langsam, ganz, ganz langsam, vielleicht auch in Afrika und Südamerika.
Also jedenfalls diese Entwicklung mit technischem Fortschritt, die hat eben viele Verlierer produziert, vor allen Dingen in den vorher entwickelten westlichen Gesellschaften. Und da haben die Ökonomen, und da müssen wir uns tatsächlich auch tatsächlich ein bisschen an die eigene Brust schlagen: Ökonomen haben so ein Daumenkriterium, solange man durch eine Innovation oder eine neue Politikmaßnahme so viel mehr Kuchen produziert, dass man Verlierer von dieser Politikmaßnahme, die gibt es fast immer, es gibt ganz wenige Politikmaßnahmen, die allen gleich gut tut. Meistens gibt es immer auch Verlierer, so ist die Welt, so heterogen ist die Welt.
Und die Ökonomen haben immer gesagt, ja, solange der Kuchen genug wächst, dass wir die entschädigen können, dann sollten wir diese Politikmaßnahme machen. Das Problem ist, politisch, was dann häufig eben nicht passiert ist, sind diese Entschädigungen. Das war sozusagen ein abstraktes Kriterium, aber das ist sehr oft nicht in konkretes politisches Handeln umgeschlagen. Und diesen zweiten Schritt halt mal vergessen. Man hat halt immer nur den ersten gemacht, die Innovation oder die technische Innovation oder die politische Reform.
Und das hat dann halt über die Zeit Verlierer produziert, die dann sozusagen die Expertenklasse zusammen mit der politischen Klasse verantwortlich machen und eben wie gesagt nicht ganz zu unrecht für ihre Misere. Und dann bedeutet es dann, dass man diesen Experten grundsätzlich nicht mehr glaubt, weil man eben in der Vergangenheit durchaus zu Recht geglaubt hat, das schlechtere Ende dieses Innovationsstils zu bekommen.
Maja Göpel
Ich würde gerne drei Aspekte da drin vielleicht noch mal einzeln beleuchten. Ich glaube, das bietet sich auch an für so ein bisschen dann eine Beobachtung, was in den USA passiert. Also diese Knappheiten anzeigen ist ja etwas, wie du schon gesagt hast, da müssen die Naturwissenschaften helfen und da braucht es ja eigentlich auch einen politischen Prozess. Also so ein CO2-Preis zum Beispiel, der fällt ja nicht vom Himmel oder wächst nicht aus dem Markt, sondern den müssen wir dann mit politischen Rahmenbedingungen schaffen. weil etwas künstlich gefasst wird, was wir sonst gar nicht in den Griff kriegen. Das sind die Global Commons insgesamt. Sei es das Klima oder die Biodiversität, die Ozeane, alles, was man schlecht privatisieren und andere von der Nutzung ausschließen kann, müssen wir dann tatsächlich damit abkommen. Und dann können Preissignale rauskommen, dass man sagt, so eine Tonne dürft ihr benutzen, und das kostet so und so viel. Und dann reduzieren wir die Anzahl von Tonnen, die im Grunde genommen benutzt werden dürfen, über ein Preissignal. Das wäre ja so diese marktbasierte Steuerung. Wir wollen ja hier in dieser Serie über Marktwirtschaft auch sprechen. Deshalb diese Idee von, wie können wir begrenzte Ressourcen bestmöglich allokieren, hast du ein paar Mal gesagt, heißt ja zuordnen auf bestimmte Ergebnisse, genau, oder Tätigkeiten.
Rüdiger Bachmann
Ja, aber das ist ja ein ganz interessanter Punkt, du machst. Weil nämlich, was du ja im Grunde genommen sagt, dass Märkte funktionieren nur dann, wenn sie sozusagen…Märkte sind nicht…man darf Märkte nicht als naturalistisch verstehen. So nach dem Motto, kommen, die sind einfach da und man muss da gar nichts dafür tun.
Natürlich gibt es ganz einfache Märkte, aber selbst die entstehen nicht naturalistisch, sondern das sind soziale Gebilde. Und bestimmte komplexe Märkte, vor allen Dingen moderne, sozusagen, brauchen eben staatliche Rahmenbedingungen. Das ist aber letztlich, und das muss man den Leuten, die sozusagen diese libertären Impetus haben, immer sagen, das ist letztlich nichts Neues. Es hat mit der Klimasache überhaupt nicht angefangen. Wir diskutieren schon seit Jahrzehnten weit vor der Klimadebatte darüber, dass funktionierende Märkte einen politischen Rahmen brauchen. Zum Beispiel das Wettbewerbsrecht. Das ist eine Diskussion, die fast 100 Jahre alt ist, in Deutschland sehr intensiv geführt wurde von den Ordoliberalen der Freiburger Schule in den 50er Jahren aus der Erfahrung des Nationalsozialismus. wo man eben gesehen hat, was nicht nur politische Macht, sondern auch ökonomische Macht und dann die Verquickung von politischer und ökonomischer Macht anrichten kann. Deswegen haben wir in Deutschland so ein hervorragendes Wettbewerbsgesetz, Wettbewerbsrecht, das dann zum Teil Vorbild für das EU-Wettbewerbsrecht war.
Und in den USA hatten wir es noch ein bisschen früher, den 20er-, 30er-Jahren mit den Antitrust-Gesetzgebungen. Diese Diskussion, dass Märkte am Funktionieren gehalten werden müssen von staatlichen Maßnahmen, diese Erkenntnis, die ist sehr alt eigentlich. Also mindestens 100 Jahre, würde ich sagen. Da gibt es natürlich die Forschung, da gibt es Nuancen. Und manchmal schwingt das Pendel mehr in die Richtung, wir brauchen vielleicht noch bisschen mehr Regelungsbedarf. Manchmal schwingt das Pendel in die Richtung, wir brauchen vielleicht etwas weniger Regelungsbedarf und lassen mal die Märkte wirken. Und das ist alles okay.
Aber die grundsätzliche Einsicht, dass Märkte sozusagen nicht naturalistisch einfach enstehen wie ein Naturphänomen, sondern eben geschaffen werden und am Laufen, am Funktionieren gehalten werden müssen durch staatliche Rahmenbedingungen und manchmal auch durch staatliche Interventionen, die ist alt. Insofern verstehe ich nicht, warum viele jetzt denken, dass mit der Klimageschichte wäre sozusagen eine ganz neue Sache. Auch da ist es eine staatliche Aufgabe, Märkte zu schaffen.
Das ist schon ein bisschen was anderes als rein private Güter. hast völlig recht mit dem Begriff des Common Goods. Aber die Tatsache, dass man staatliche Innovationen braucht, um Märkte funktionierend zu halten, die ist an sich nichts Neues. Und in diesem Kontinuum sollte man auch die Diskussion um CO2-Preis zum Beispiel sehen und die staatlichen Interventionen, die dazu nötig sind, genau wie du es richtig beschrieben hast, um das eben sozusagen auf die Schiene zu bekommen.
Maja Göpel
Damit ist ja eine zweite Idee. Also in Märkten haben wir ja eigentlich immer … Also ist der Begegnungsraum, so wird das ja immer beschrieben, zwischen Angebot und Nachfrage. Und dann würde dadurch die unterschiedlichen Interessensvertretungen quasi das beste Ergebnis daraus entstehen. Dafür haben wir noch eine ähnliche oder wichtige weitere Voraussetzung, einmal dass das Preissignal ungefähr wirklich die Wahrheit sagt.
Da wünsche ich mir zum Beispiel, dass wir nicht so viel über Externalisierung sprechen, wenn einiger Anbieter im Markt die ganze Zeit sagen, naja, die Kosten dafür verschiebe ich mal auf zukünftige Generationen, in andere Länder und verschmutze tatsächlich auf Kosten anderer oder der Gesellschaft. Also, wie internalisieren wir das? Das ist ja das wichtige Preisbilden. Und wieso reden wir nicht mehr über Internalitäten? Also dein Geschäftsmodell hat das sowieso, ob du da dafür gerade für bezahlst oder nicht. Das wäre ja so eine ehrliche Preisbildung. Da fände ich noch mal ein paar Gedanken von dir ganz spannend.
Und das andere ist natürlich, wie begegnen sich unterschiedliche Akteure? sodass sie überhaupt eine ähnliche Möglichkeit haben, den Verhandlungsprozess auszubalancieren. Da hast du vom Wettbewerbsrecht gesprochen. Und jetzt haben wir ja momentan in vielen Bereichen gar nicht mehr viele Anbieter, viele Nachfrager, sondern diese Oligopolstrukturen, diese Plattformen, die mit Netzwerkeffekten Arms Length Trade heißt das dann, dass du innerhalb von einer großen Holding, Konzernstruktur ganz unterschiedliche Angebote hast, die wir von außen betrachtet, auch mit unterschiedlichen Marken usw. ausgestattet, immer denken, das sind einzelne Anbieter, dann sieht das schön marktig aus. Aber eigentlich ist die Oligopolstruktur nicht mehr unbedingt die, von der wir sagen, das könnte diese effiziente, innovative und vor allem ähnliche Möglichkeiten der Interessensvertretung mit sich bringen.
Da hab ich manchmal Probleme damit, wenn wir immer davon reden, der Staat darf den Markt auf keinen Fall beeinflussen. Wenn ich sage, der Markt ist momentan gar nicht in seinen Funktionen so leistungsfähig, weil er strukturell gar nicht da ist. Also dann brauchen wir durch Kartellrecht und andere Sachen erst mal wieder ein Öffnen des Wettbewerbs, ein Öffnen der Informationsgleichheit zwischen Anbietern und Nachfragern, damit diese Funktionen von Märkten entstehen können.
Deshalb ist ja die Frage, wie unterschiedlich ausgestattet treten die unterschiedlichen Akteure gegeneinander an oder miteinander in einen Ring, welches Ergebnis sie wollen, so wahnsinnig wichtig und damit eben auch Verteilungsfragen. Und damit wären wir so bisschen bei dieser sozialen Marktwirtschaft.
Also wie müsste Politik heute dafür sorgen, dass wir überhaupt sagen können, die Funktionen der Märkte, gute Preissignale, Angebot und Nachfrage treffen sich, dass wirklich die besten Formen für die Bedürfnisbefriedigung sich durchsetzen, und wir haben tatsächlich auch Verantwortung von denjenigen, die da anbieten, dass das, was sie im Markt anbieten, auch in ihren Kosten abgedeckt ist, weil da Nebeneffekte sind?
Rüdiger Bachmann
Ja, da ich, gibt es keinen one size fits all, sondern das ist wirklich sozusagen mühsame Kleinarbeit und kommt eben auf die jeweiligen Fälle an. Also, wie gesagt, das Angebot der Ökonomik beim Klima ist, nehmt die Knappheitssignale der Naturwissenschaften ernst und dann innerhalb und dann schafft Rahmen, indem man eben das CO2, das noch möglich ist, solange es noch möglich ist, irgendwann soll es ja auf Netto Null gefahren werden und da gibt es dann auch nichts mehr zu handeln. Ja, beziehungsweise, da es sich ja um eine Netto-Null handelt, gibt es ja immer noch sozusagen Bruttopositionen. Also mit anderen Worten, es kann ja immer noch CO2-Bruttoemissionen natürlich geben. Die gibt es sowieso, weil wir ja biologische Wesen sind und CO2 sozusagen schon aufgrund unserer grundsätzlichen biologischen Prozesse emittieren.
Aber das bedeutet dann halt, dass wir auf der anderen Seite eben negative Brutto, also mit anderen Worten CO2 in Namen machen müssen oder eben Stichwort Aufforstung, Stichwort CO2 Capture und solche Dinge. Auch da wird man ökonomische Verfahren brauchen, um diesen optimalen Mix hinzubekommen. Auch die Innovation in dem Bereich, was Carbon Capture zum Beispiel angeht, weiter zu fördern. Auch da sehe ich eine staatliche Aufgabe, weil das sozusagen wirklich Grundlagentechnologien des 21. und 22. Jahrhundert sein werden. Und da gibt es absolut eine Rolle, auch für den liberalsten Ökonomen gibt es da eine Rolle für staatliche Forschung. So, das ist das eine.
Jetzt hast du die Netzwerk-Ökonomien angesprochen, um mal ein anderes Beispiel zu nehmen. Es gibt ja in der Wettbewerbspolitik immer schon eigentlich zwei verschiedene Klassen von Maßnahmen. Ich will da mal die Philosophien dahinter ein bisschen herausarbeiten. Die eine ist so, was man tatsächlich als erstes denkt. Das ist, was du mit Kartellrecht angesprochen hast. Also mit anderen Worten, am besten gar nicht diese Oligopole oder Monopole entstehen lassen, im Zweifel zerschlagen, Fusionen nicht erlauben, Markteintrittsbarrieren beschränken, damit eben diese Markteintrittsbarrieren nicht, also, aufheben, genau, eben möglichst einen funktionierenden Wettbewerb stattfinden zu lassen. Das ist die eine, vielleicht bekanntere Maßnahme, mit dem Problem umzugehen.
Es gibt aber, und das wird immer ein bisschen vergessen, auch in der öffentlichen Diskussion, es gibt aber auch eine zweite Gruppe von Maßnahmen und die hat auch einen traditionellen Vorläufer und dann kommen wir zu Netzwerk-Ökonomien. Und vielleicht muss man darüber nachdenken. Wobei ich zugegebenermaßen kein Experte für Wettbewerbstheorie bin. Aber ich würde trotzdem vorschlagen, mal ein bisschen auf das zu schauen, was wir eigentlich schon wissen. Und das ist das Folgende. In bestimmten Bereichen haben die Wettbewerbshüter immer gesagt, aus bestimmten technischen oder auch marktförmigen Gründen können wir da keinen Wettbewerb herstellen. Also das klassische Beispiel ist eben das Stromnetz oder ein Eisenbahnnetz, weil es keinen Sinn macht. Keinen Sinn macht, mehrere Eisenbahnnetze in die Landschaft zu stellen oder mehrere Stromnetze in die Landschaft zu stellen.
Also was hat man gemacht? Man hat gesagt, man hat anerkannt, dass diese Güter und jetzt nicht der Strom selbst und nicht die Eisenbahndienstleistung selbst, sondern nur die Netze durch ein Monopol angeboten werden müssen. Und entweder hat man das gleich sozusagen verstaatlicht und hat dann eben ein staatliches Monopol gemacht, ist auch eine Möglichkeit. Oder man hat es im privaten Hand belassen, hat es aber massiv reguliert. Also es ist dann so, dass dann ein Stromanbieter bzw. die Netzentgelte, die der eben verlangt, damit andere möglicherweise Wettbewerbe, ihre Ströme durch diese Netze durchleiten dürfen, diese Entgelte werden staatlicherseits reguliert. Das ist sozusagen der Regulierungsansatz, nicht der Zerschlagungsansatz, sondern der Regulierungsansatz. Und vielleicht brauchen wir den auch. Ich habe da noch keine letztlichen Antworten. Aber vielleicht müssen wir anerkennen, dass es in der Netzwerk-Ökonomie bestimmte Dinge gibt, die eben in diesen Oligopolstrukturen, Monopolstrukturen zu führen sind. Ganz einfach, weil das das effizientere Ding ist.
Und wir merken das alles ein bisschen in den sozialen Medien. Viele wollten weg von Twitter wegen Elon Musk. Ich im Prinzip auch. Das haben wir Bluesky gemacht, aber man merkt irgendwie, man kommt auch mit Bluesky nicht so richtig weiter, weil da auch nicht so viele Leute sind, weil die Interaktion nicht so da ist, weil eben diese Netzwerkeffekte kleiner geworden sind. Und es macht vielleicht tatsächlich Sinn, eine Plattform zu haben, die so als globales Dorf funktioniert. Wie gesagt, man will die eben gerade nicht bei Elon Musk haben und das sozusagen unreguliert haben, aber die Lösung da jetzt sozusagen mit Wettbewerb, erzwungenen Wettbewerb reinzugehen, ist vielleicht auch keine. Insofern muss man tatsächlich wieder über das Instrument der Regulierung stärker nachdenken. Oder eben auch so Dinge wie öffentlich-rechtliche Lösungen, dass es eben für bestimmte Dinge einfach eine staatliche Garantie gibt.
Wie gesagt, das muss ja dann nicht unter einem Verwaltungsparadigma als staatliche Behörde laufen. Dafür würde ich jetzt vermutlich auch nicht unbedingt plädieren. Aber es gibt ja Zwischenformen, sowas zu organisieren. Und vielleicht müssen wir einfach statt zu sehr über Wettbewerb in diesen Netzwerkeökonomien nachzudenken, also wie stelle ich Wettbewerb her, einfach anerkennen, dass es möglicherweise das Richtige ist, da quasi Monopole zu haben, die aber dann eben gesellschaftlich und staatlich reguliert werden müssen, weil anders geht es eben dann nicht. Also das ist so vielleicht eine Denke, die es schon mal gab, die wir aber so bisschen, glaube ich, vergessen haben, diese Lehre.
Maja Göpel
Ich finde, du hast was Wichtiges gerade gemacht. Und das ist nämlich anstatt Hammer-Nagel, wie wir das gerne hören, immer müssen wir die Steuern reduzieren, dann wird es immer Investitionen geben, dann wird immer die Wirtschaft wachsen und die Arbeitslosigkeit sinken. Wir gucken erst mal auf die Situation. Und dann schauen wir, mit welchen Eingriffen wir im Grunde genommen eine Dynamik oder auch einen Trend beeinflussen und korrigieren können.
Ich würde dir jetzt, weil du gerade X oder Twitter genannt hast, ist ja zum Teil die Hölle da, wenn man mal ganz ehrlich ist. Ich werf dir jetzt mal Dinge, die ich bei dir gehört hab, in kurzer Fassung und so formuliert, dass das richtig Zoff geben könnte da zwischen Ökonomen. Weil gerade Ökonomen sind ja ganz schnell polarisiert, deshalb bin dir super dankbar, dass wir hier so differenziert und offen heute sprechen. Und dann kriegst du sofort volle Breitseite.
Wir haben darüber gesprochen, nicht von mir, aber auf Twitter, deshalb gerne hier drüber reden. Wir haben darüber gesprochen, dass es zum Teil mit der Nutzung auch eine Übernutzung von den knappen Ressourcen geben könnte. Und damit sind wir bei der ganzen Debatte, wieso können sich die Reichen eigentlich freikaufen, davon, das CO2 in ihrem eigenen Lebensstil oder in ihrem Geschäftsmodell zu reduzieren, wenn wir alles über den Preis steuern. Das ist ja völlig entgegen der Fairness-Ideen. Und deshalb gab es ja viele, die gesagt haben, wir müssen da vielleicht auch mal mit Verboten agieren. Dass man sagt, keiner kann mehr eine Porsche mit Verbrennermotor fahren oder mehr so und so oft durch die Gegend fliegen oder Wohnflächen. Also der Verbrenner ist das Einzige, was wir ernsthaft diskutiert haben. Es gibt ja Vorschläge, auch sagen, du hast so und so viele Flüge frei. Jede Person ähnlich viele.
Also, warum ist es so hart, Verbote auch mal einfach zu sagen, wir nehmen bestimmte Angebote einfach raus und wir steuern es nicht über den Preis, weil wir genau wissen, damit das Preissignal für die Reichen effektiv wird? Weil Preis ist ja prohibitiv, muss der ja hoch werden. Und da ist ja Verbot drin, ne, von prohibere. Damit ich etwas nicht mehr kaufen kann. Da müsste der so hoch werden, dass für alle anderen der Zugriff auf das restliche CO2 schon längst absurd teuer geworden ist. Das heißt, wo bräuchten wir eventuell mal Verbote oder sollten wir das anders nennen? Dass wir sagen, sind Sprunginnovationen.
Wenn ich rausgehe aus einer Gasheizung und sage, ich gehe in die Wärmepumpe, kann ich das nicht nur mit einem Preissignal anreizen, sondern muss auch Haushalte dabei unterstützen, diesen Sprung machen zu können. Warum heißt das Verbot der Gasheizung und nicht Sprunginnovation für eine neue Technologie? Oder eben Verbrennerverbot, anstatt zu sagen, wir machen einen flotten Grenzwert, total technologieoffen, aber der gilt für alle. Egal wie groß mein Portemonnaie ist.
Rüdiger Bachmann
Gut, also das sind natürlich jetzt, machst du verschiedene Fässer auf. Also ich will gleich sagen, ich bin nicht grundsätzlich gegen Verbote. Wir haben ja auch Verbote, also bestimmte Dinge.
Maja Göpel
Paar ist ganz gut zu haben, Ja. Also was weiß ich, zum Beispiel bei Giftstoffen zum Beispiel, die verbieten wir einfach. sagen wir auch nicht, keine Ahnung, Dioxin, da sagen wir jetzt auch nicht, du kannst dir so viel einhalten, Dioxin kaufen, die du in den Rhein leiten darfst. Sondern das Zeug ist halt einfach verboten, glaube ich jedenfalls. Also wie gesagt, Toxine ist ein klassisches Beispiel, wo man natürlich verbietet.
Aber letztlich ist das mit dem Verbot natürlich schon so, dass ein… Ich denke über Preissignale letztlich als ein Kontinuum von Verboten nach. Ein Verbot bedeutet letztlich einen Preis von unendlich. Statt einen sehr hohen Preis, eben einen unendlichen Preis. Das hat dann in der Tat zur Folge, dass Reiche sich bestimmte Dinge dann auch nicht mehr leisten können, wenn der Preis unendlich ist. Das ist schon richtig. mit anderen Worten, wenn es verboten ist. Und dann gibt es eben diese Fairness, in der Tat diese Fairness-Geschichten. Also ich würde mir ja eigentlich lieber eine Welt vorstellen – ich skizziere jetzt erstmal meine Idealwelt, wo wir in der Lage sind, das Preissignal laufen zu lassen, weil wir tatsächlich zeigen können, dass dann die knappen Ressourcen am effizientesten verwendet werden.
Und ich würde lieber dafür sorgen, damit das geht, damit das geht, damit das gesellschaftlich tragfähig ist, stärker über, und das ist über uns auch eine interessante Diskussion, die zurzeit läuft, lieber über Verteilungsmaßnahmen entsprechend argumentieren, dass bestimmte und sozusagen Auswüchse von Reichtum einfach gar nicht mehr möglich sind. Das kann traditionell zum Beispiel über Erbschaftsteuer funktionieren. Das ist eine sehr liberale Methode, so sehr effiziente, anders als die Vermögensteuer, sehr teuer und verwaltungstechnisch, wenn man sie nicht nur, also man kann die Vermögensteuer schon machen, aber dann würde ich sagen, nicht so wie früher, sondern wirklich nur für, damit sie verwaltungstechnisch auch handhabbar ist, dann wirklich für die Superreichen. Also das betrifft dann halt, keine Ahnung, 1.000 Familien in Deutschland oder so. Dann ist das auch administrativ handhabbar.
Aber eigentlich ist die liberalere Variante eher tatsächlich die Erbschaftssteuer. Das ist eine Möglichkeit. Oder ganz generell zu fragen, müssen wir das immer über die Sekundärverteilung, also über Steuer- und Abgabenwesen machen? Oder sollten wir sozusagen Gleichheit und Fairness, wenn wir das wollen als Gesellschaft nicht schon auch über die Primärverteilung herstellen. Mit anderen Worten, Gewerkschaften stärken eventuell, dass die am Markt erzielbaren Löhne so sind, dass Leute sich fairer behandelt fühlen.
Maja Göpel
Finanzkapital besteuern wäre vielleicht auch noch so was. Das Finanzkapital besteuern wäre vielleicht auch noch so was, wo man wirklich sagt, warum ist Einkommen da so?
Rüdiger Bachmann
Ja, wobei ich weiß, ich weiß nicht, weil ich würde schon auch gerne in eine Eigentümer-Society kommen, das auch Arbeitnehmern zum Beispiel ermöglicht wird Kapitaleigentümer zu werden und sich da einfach gerade jetzt, weil wir nicht wirklich wissen was…und das ist wirklich eine offene Frage, was die künstliche Intelligenzrevolution wirklich bringen wird. Ist das so die übliche Modernisierung, die am Ende mehr Arbeitsplätze geschaffen hat, weil sie eben Arbeit produktiver gemacht hat, als sie vernichtet hat nach dem Übergang? Oder ist das tatsächlich eine ganz andere Art von Technologie, die wirklich arbeitsersetzend sein wird? Und dann müssen wir natürlich noch mal eine ganz andere Frage stellen, weil dann kommen wir nur in eine gerechte Gesellschaft, wenn wir im Grunde genommen alle als Kapitaleigentümer sozusagen Einkommen, dann von diesem neuen Kapitalstock…
Maja Göpel
Genau. Also alle Formen von Einkünften gleich besteuern.
Rüdiger Bachmann
Genau. Das ist noch mal eine andere Sache. Aber dass wir eben in eine Welt kommen, wo schon die Primär-Einkommensverteilung vielleicht als fairer empfunden wird, als wir das haben. Sicher ergänzt durch Verteilungs… Also ich würde gerne in der idealen Welt die Effizienz und die Verteilungsfragen, und so gehen die Ökonomen zunächst mal ran, gerne trennen. Weil im Prinzip sind sie trennbar. Wie gesagt, ich kann den Preismechanismus wirken lassen und kann die Anfangsausstattung, die Leuten zur Verfügung stehen, so verändern über Verteilungsmaßnahmen, jedenfalls im Prinzip.
Maja Göpel
Warum ist das so schwer politisch? Weil das ist ja jetzt … Da sind wir bei der Beratung. Ja, genau. Aber warum ist das ausgeschlossen? Aber … ja. Meistens reden wir ja aber von Menschen, wo weniger haben nichts mit wenig haben zu tun hat. Wie kommt das, dass wir auch jetzt gerade darüber diskutieren, die Ausgaben im Sozialstaat wieder zurückzufahren? Auf keinen Fall können wir über Besteuerung, die du vorgeschlagen hast, sprechen. Da wird der soziale Kontrakt mit Füßen getreten, oder?
Rüdiger Bachmann
Ja, ich verstehe das auch nicht. Ich würde tatsächlich auch versuchen, einen Deal mit der SPD hinzubekommen. Meine Hoffnung ist auch noch nicht ganz am Ende, dass der schiere Überlebenswillen dieser Koalition am Ende zu so einem gesellschaftlichen Deal führen wird, wo man überlegt, ob man am oberen Ende, in welcher Form dann auch immer, wie gesagt, das sind dann wirklich sozusagen eher Detailfragen, ob man das über einen höheren Einkommensteuer, also Spitzensteuersätze, über die Einkommensteuer anhebt oder ob man es über eine Bestandsbesteuerung, zum Beispiel, wie gesagt, eine Erbschaftssteuer kombiniert mit einer sehr, wie gesagt, elitär angesiedelten Vermögensteuer macht. Da können wir gerne diskutieren.
Maja Göpel
Aber was hältst du denn von dem Vorschlag wirklich alle Einkommensformen? Das sind dann eben Löhne, das sind Erbschaften, ist Finanzkapitalgewinne. Warum machen wir nicht überall den gleichen Steuersatz drauf? Was spricht da dagegen?
Rüdiger Bachmann
Naja, weil man die Erbschaft eben traditionell auch juristisch nicht als Einkommenserwerb definiert, sondern eben als Vermögensübertragung. Das ist bisschen was anderes, auch ökonomisch durchaus was anderes. Also insofern, das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Und was die Kapitalbesteuerung angeht, da muss man fairerweise schon dazu sagen, das klingt so, als ob Kapital so niedrig besteuert wird in Deutschland. Das ist aber eigentlich nicht der Fall. Weil Kapital, es gibt ja zwei Methoden der Kapitalbesteuerung.
Die ältere ist tatsächlich, genau wie du sagst – in der älteren Methode bis Steinbrück war es eben so, dass Dividendenausschüttungen genauso besteuert wurden wie die mit einem persönlichen Einkommensteuersatz, also genauso wie das Arbeitseinkommen. Dann hat man mal gesagt, gibt für Kapitaleinkommen und Arbeitseinkommen unterschiedliche Steuersätze, weil das Kapital mobiler ist, sich eher dieser Besteuerung entziehen kann, was ja auch durchaus möglicherweise stimmt. Und dann hat Steinbrück das Argument gemacht, lieber ein bisschen weniger von X als gar nichts von X.
Es ist aber auch so, dass faktisch Kapital gar nicht so niedrig besteuert wird, weil es ist zwar so, das ausgeschüttete Kapital, also Dividendenzahlung nur mit einer Kapitalertragssteuer von in Höhe von 25 Prozent besteuert wird. 25 ist es, glaube ich, in Deutschland zurzeit. Aber das sind trotzdem, du darfst nicht vergessen, das wurde vorher dann schon mit einer Körperschaftssteuer belegt. Also, wenn du Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer auf addierst, kommst du typischerweise auch auf Steuersätze, die sozusagen ein Spitzeneinkommen generieren würde. Also das ist nicht ganz fair zu sagen, dass das in Deutschland nicht der Fall ist.
Maja Göpel
Die reduzieren wir ja grade, also die Körperschaft.
Rüdiger Bachmann
Also, ich habe immer die Hoffnung nicht verloren, dass diese Koalition es schaffen wird, einen gesellschaftlichen Deal zu machen, wo man in der Tat schaut, dass man aktivierender, die soziale Sicherung aktivierender gestaltet wird. Aber eben gleichzeitig zu sagen, das kann nicht nur auf den schwachen Schultern getragen werden, sondern wir brauchen oben eben auch einen Beitrag. Nicht nur…Übrigens zum Klimaschutz, sondern auch zur Wehrhaftigkeit der Demokratie. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, die es ja eminent gefährdet von inneren und äußeren Einflüssen.
Auch das muss ja irgendwie bezahlt werden. Und das sollten die reichen Schultern natürlich tragen, dass man in irgendeiner Form…diese Koalition wäre eigentlich prädestiniert dazu, diesen Deal zu schlagen. Nun ist es aber auch so, die Hoffnung hatten wir bei der Ampel auch. Da hatten wir auch gehofft, wir bekommen eine liberal-ökologische Revolution, die sozial abgesichert ist. Und am Ende war es nichts. Insofern, man darf hoffen und träumen, aber naja.
Maja Göpel
Ich würde jetzt gerne drei Sachen machen, weil wir schon bei der letzten Viertelstunde angekommen sind. Und zwar einmal den einen Punkt von dir noch aufnehmen, weil ich den wahnsinnig wichtig finde, wo du angedeutet hast, vielleicht ist der Marktmechanismus mit vielen Anbietern, vielen Nachfragen, viel Wettbewerb gar nicht bei allen Bereitstellungen, vor allem Infrastruktur habe ich verstanden, öffentliche Daseinsvorsorge, Gesundheit, Bildung, haben wir die Diskussion ja durchaus auch. Also, verbessert sich wirklich die Qualität des Angebotes, wenn wir das alles in privatwirtschaftlicher Logik organisieren.
Was sind denn dann so Bereiche, wo man vielleicht sagt, also Oligopolstrukturen, gesagt, weniger Anbieter mit bestimmten Qualitätsgarantien, was ist eine Eigentumsform, die sich dafür anbietet? Weil das ist ja auch sofort Häresie, wenn man versucht, zu diskutieren, welche Eigentumsstruktur oder Verbindlichkeit bräuchte es vielleicht, damit wir nicht das typische Ergebnis von, was wir viel in den 90er hatten, Private-Public-Partnerships, dann ist es privatisiert, dann hat man Nutzungsentgelte oder eben Güter angeboten, aber nicht das, instandgehalten, was du gerade beschrieben hast, nämlich die Infrastruktur, eher die Leitungen oder also bei Wasserversorgung hat man die Schienen bei der Bahn. Jetzt haben wir bei uns das Beispiel, dass es nicht immer an der Eigentumsstruktur liegt, ob das instand gehalten wird oder nicht.
Boeing war ja jetzt ein bekanntes Beispiel aus den USA, wo ja auch der CEO richtig angepampt wurde, dass er im Grunde genommen eben eigentlich nur den Quartalsberichten folgend ein Unternehmen quasi ausgenommen hat, aber in diesen Erhaltungen und die Qualitätssicherung zu wenig investierte.
Also wie schaffen wir das, wirklich gute Hybridstrukturen, wir auch immer wieder das nennen, oder eben Auflagen für private Investoren zu finden, dass wir sagen, die Daseinsvorsorge und die kritischen Infrastrukturen und damit auch verlässliche Bereitstellung und nicht aus dem Ufer laufende Nutzungsentgelte, das ist hier mal das, die soziale Frage so anstrengend macht, dass Wohnraum so teuer wird, dass Fortbewegung so teuer wird, dass Energie im Zweifel dann so teuer wird. Das wäre ja so das soziale Versprechen auch so, dann robben wir uns noch einmal in die soziale Marktwirtschaft ran, dass das Ergebnis einer Marktwirtschaft tatsächlich wirklich dem Gemeinwohl ein Stück weit dient.
Rüdiger Bachmann
Auch da, wie gesagt, kein one size fits all. Und ich hab da auch nicht die abschließenden Antworten, natürlich. Aber wie gesagt, wir brauchen auch politischen Mut wieder, glaube ich, tatsächlich über smarte Regulierungen nachzudenken. Also man kann ja, wenn man jetzt angenommen, man privatisiert jetzt ein Schienennetz, da kann man ja reinschreiben dann, wenn diese Aufträge sozusagen vergeben werden, kann man ja reinschreiben als Regulator, dass dieses Schienennetz mit einer bestimmten Qualität zu erhalten ist. Das kann man ja reinschreiben in diese Kontrakte und dann entsprechend auch durchsetzen. Und da brauchst du eben Schmuck staatlicherseits und nicht eben nur das Mantra zu haben, sozusagen, der Staat muss immer weg.
Auf der anderen Seite gibt es durchaus auch Gründe, zum Beispiel, ich sehe das in den USA, Deutschland kennt mich zu wenig im Gesundheitssystem aus, aber in den USA zum Beispiel im Gesundheitssystem, da haben wir zum Teil auch viel zu viel Regulierung. Es gibt eben nicht dieses eine Regulierung. Man sollte weg von dieser Kategorie zu viel oder zu wenig Regulierung, sondern was bewirkt konkrete Regulierung?
Maja Göpel
Effektiv, ja genau.
Rüdiger Bachmann
Das ist eben der Punkt. Aber in USA haben wir zum Beispiel diese absurde Regulierung, dass eben bestimmte Versicherungen nur in bestimmten Staaten anbieten und so weiter, schon mal gar keinen amerikanisch amerikaweiten Wettbewerb gibt, was sonst eben Amerika auszeichnet gegenüber Europa übrigens, dass es eben diesen einheitlichen Markt gibt und dadurch eben schon mal viel Wettbewerb und dadurch viel, sagen wir mal Konsumentenpower. Das ist ja in Europa eben nicht der Fall. Wir haben zwar nominell diesen Binnenmarkt.
Aber versuch mal als junges Start-up in Europa in über 20 Ländern sozusagen dann zu skalieren. Das ist nämlich gar nicht so einfach, weil du mit Du musst mit jeweils lokalen Banken dich rumschlagen. Du hast lokale Insolvenzrechte, lokale Verbraucherschutzrechte und so weiter und so fort. Das ist ja immer die Stärke Amerikas gewesen, dass es eben diesen wirklichen Binnenmarkt hat. Im Gesundheitswesen haben wir das überhaupt nicht in Amerika, sondern das ist mit extrem bürokratischen und zum Teil würde ich sagen kafkaesken Regulierungsformen.
Also, da ist einerseits zu viel Staat drin und andererseits wiederum zu wenig, weil die Republikaner jetzt die Public Option und sozusagen den Boden, was die Qualitätssicherung angeht, was eben so eine Versicherung anbieten muss, eben wieder rausziehen. da gibt es eine Gleichzeitigkeit von zu viel Regulierung und zu wenig Regulierung. Ich könnte mir vorstellen, dass ist auch ähnlich im deutschen Gesundheitssystem, nur um mal ein Beispiel zu nennen.
Also man kann nicht sagen zu viel oder zu wenig, sondern man muss immer genau gucken.
was das eigentliche Problem ist. Aber im Prinzip glaube ich schon, dass man bestimmte Dinge nicht unbedingt verstaatlichen muss. Vielleicht sind auch bestimmte Dinge am besten beim Staat aufgehoben. Auch das will ich nicht ausschließen. Aber ich glaube, die logischste Lösung ist zu sagen, wenn ich bestimmte Dinge der Daseinsfürsorge privatisiere, dann muss per Regulierung vorgeschrieben werden, was die Mindeststandards für die Bereitstellung dieser Daseinsfürsorge sind. Und wenn du das nicht leisten kannst als Anbieter, dann entziehen wir dir diese Daseinsfürsorge.
Diese Rechte, diese Daseinsfürsorge privat dann bereitstellen zu dürfen, die sollten sowieso nur temporär vergeben werden gegenüber einer Gebühr. Der Unternehmer muss dann dem Staat sozusagen eine Gebühr zahlen, dass er das darf. Und dann kann er privatwirtschaftlich Preise setzen, innerhalb eines Regulierungsrahmens. So muss man, glaube ich, darüber nachdenken.
Maja Göpel
Genau, das ist ja sehr spannend. Also diese license to operate, die du gerade ansprichst, hat ja viel damit zu tun, wirklich mal zu fragen, was biete ich eigentlich an und wo ist dieser gesellschaftliche Mehrwert, anstatt dass wir gerne sagen, wenn ich marktwirtschaftlich einen Wert erziele, ist das der Beweis dafür, dass ich wirklich was Wertvolles angeboten habe. Und dann kommen wir eben viel mehr dahin zu überlegen, was ist das Soziale eben auch in dieser Marktwirtschaft.
Ich habe von dir drei Sachen gehört, die ich total wichtig finde. Vor allem, wenn wir uns überlegen, jetzt gerade so immer Druck ausgeübt wird, der Boom, der Wirtschaftsboom in den USA oder der Boom jetzt auch in Argentinien mit dem Wachstum, das wieder anzieht und so weiter. Dass ja Makro nicht gleich Mikro ist, sondern alles, was du gezeigt hast, ist ja, dass wir irgendwie dahinter gucken müssen, was hinter den Bilanzen eigentlich real sich verändert. Die Qualität des Wachstums oder eben auch die Verteilung dessen, was zugewonnen ist, ist es für alle noch zugänglich.
Also, gerne aus den USA ein paar Beispiele. habe jetzt reingeguckt, dass ja viel von dem Wachstumsboost jetzt eher nur noch von den Top 10 Prozent überhaupt kommt, weil 90 Prozent gar nicht mehr sich so viel leisten können. In Argentinien ist die Verteilungsthematik total rasant. Da sind über 50 Prozent des Vermögens und der BIP-Leistung eben in vier Provinzen von 23 gebündelt. Das heißt, da sind wir ja bei dem Gedanken, es kommt allen zugute, noch gar nicht so richtig angekommen.
Dieses Makro ist nicht Mikro. Warum ist das so schwer in der Headline-orientierten Debatte von Wirtschaftsjournalen oder manchmal eben auch – dann haue ich da so eine Zahl in den öffentlichen Raum und die soll alles erklären. Wie erklärst du dir das? Was ist dieses Faszinosum mit dieser Headliner-Ritis?
Rüdiger Bachmann
Na ja, es gibt natürlich ein berechtigtes Bedürfnis an Komplexitätsreduktionen auf Seiten der Öffentlichkeit. Das kann ich schon verstehen. Nur, wie gesagt, du hast schon recht, man darf es nicht übertreiben damit. Ich bin übrigens auf der politischen Seite, finde ich, das ist auch gar nicht so offensichtlich, dass das so ist.
Also, in der politischen Seite, gerade in Systemen, die eben sehr dezentral organisiert sind, wo du halt Abgeordnete von bestimmten Wahlkreisen hast zum Beispiel, denen ist schon klar, was eine bestimmte Maßnahme für die Menschen vor Ort, bei denen dann eben passiert. Und dann kommt es darauf an, wie wird das sozusagen, oder wie steht der Impetus dann im Verhältnis zum, sagen wir mal, der Fraktionsdisziplin oder so, die sich denen dann unterwerfen müssen.
Aber sagen wir mal, Politikern, einzelne Abgeordneten, vor allen Dingen wirkliche Wahlkreisabgeordnete, denen ist das schon oft klar, was das eigentlich bedeutet für für ihre Constituencies. Also das würde ich nicht unterschätzen. Aber du hast schon recht, wir haben natürlich diese Headliner-Ritis, wie es du genannt hast. Ich will mal so sagen, einerseits bin ich durchaus dafür, denn: Sagen wir mal so, Wachstum, oder einfach nur aggregiertes, reales Wachstum ist sicher keine hinreichende Bedingung dafür, dass es allen oder zumindest vielen oder auch den Ärmsten besser geht.
Ohne Wachstum ist aber meistens auch nicht gut, muss man halt auch dazu sagen. Also ohne Wachstum gesellschaftlichen Fortschritt zu organisieren, sehr schwierig. Weswegen wir auch gerade zurzeit jedenfalls in den USA, die werden wir auch in Europa bekommen, so eine massive Fertilitäts-Diskussion bekommen. Was bedeutet eigentlich, Bevölkerungen im Westen und ohne Migration tun sie das schon lange und indem wir immer migrationsfeindlicher werden? Da wird das Problem noch schärfer werden. Es ist sowieso da, weil eben auch selbst in Afrika, dem Kontinent, der sich sozusagen noch am stärksten Bevölkerungswachstum hat, auch das bremst sich mittlerweile massiv ab. Und auch die brauchen ihre jungen Leute, wirtschaftlichen Aufschwung zu passieren. Also es gibt natürliche Grenzen der Migration, zu denen wir da noch künstliche Grenzen leider zusetzen.
Aber das ist so eine Riesendiskussion. Bestimmte Dinge hängen von Wachstum ab. Nämlich zum Beispiel soziale Sicherungssysteme zu gestalten. Jedenfalls, wenn die sozialen Sicherungssysteme darauf aufgebaut sind, dass eben junge Generationen, oder das Produkt, das jüngere Generationen herstellen, sozusagen die älteren Generationen in deren Alter mitfinanzieren. Schuldenrückzahlungen zum Beispiel, Staatsschulden, sind massiv davon abhängig. was du besteuern kannst. Und besteuern kannst du eben, du kannst Freizeit nur sehr schlecht besteuern zum Beispiel. Also das ist zum Beispiel eine Sache, warum Staaten Interesse haben, dass Leute arbeiten, weil die eben damit ein besteuerbares Ding sozusagen herstellen. Von der reinen Wohlfahrtsperspektive kannst du ja sagen…
Maja Göpel
Außer wenn es die Care Economy geht, die dürfen die Frauen machen, Also die Care Economy ist total in Ordnung, die heißt dann auch Freizeit, die dürfen Frauen ohne Ende unbezahlt machen.
Rüdiger Bachmann
Ja, aber das ist genau das Problem von der staatlichen Seite. Der Staat hätte das gerne in der Marktform organisiert, weil das kann er besteuern. Wenn Frauen das, also Care-Arbeit oder reine Freizeit, ist doch toll. Eigentlich könnte man doch sagen, was soll das Ganze hier von der Wohlfahrtsperspektive, wir wollen doch Technologie so einsetzen können. Das alte marxsche Ideal, dass wir morgens, keine Ahnung, wie wir das morgens jagen, mittags Kunst oder umgekehrt machen. Das ist doch toll. Warum sollen wir uns das nicht ermöglichen? Und eigentlich von der Wohlfahrtsperspektive, natürlich wollen wir dahin kommen, dass wir diese Dinge tun können und nicht im Schweißen unseres Angesichts.
Für Staaten und für soziale Systeme ist das überhaupt nicht gut. Wie willst du sozusagen diese private Jagdaktivität oder wenn ich Bilder male nachmittags oder Gedichte schreibe, wie soll der Staat sowas besteuern? Du siehst da schon einen Konflikt da. Deswegen mag der Staat wirklich wirtschaftliches Wachstum, weil das kann er besteuern.
Maja Göpel
Aber ist es der Staat, der das nicht mag? Also ich muss noch einmal da rein, weil ich, klar, auf Raumgrenzen des Wachstums, du weißt, ich bin in dieser ganzen Knappheitsdiskussion von dem, was wir aus dem Planeten nehmen. Was wir da immer die Ohren geballert kriegen, ist, ihr drückt euch davor, das Bevölkerungswachstum als einen der großen Treiber der Überausnutzung des Planeten zu thematisieren. Und da wird ja viel gesucht nach Stabilisierung des Bevölkerungswachstums, so wird das ja genannt, weil es ist völlig logisch.
Je mehr Menschen da sind, umso mehr brauchst du ein weiteres pro-Kopf-Ressourcen-Verbrauchs-Angebot, damit Menschen gut leben können. Das heißt, eigentlich ist diese neue Realität eine gute, aus der Perspektive der Übernutzung der planetaren Grenzen, zu sagen, wir stabilisieren das. Und deswegen wäre ja genau die Frage, wie kann man diese Logik, dieses steady state, heißt es ja auch viel in der Forschung, sagen, wie kommen wir raus aus der Notwendigkeit, immer mehr zu haben? Wo läuft dieses mehr eigentlich hin, wenn wir es konsequent wieder reinvestieren, warum kann das nicht auf einem ähnlichen Durchsatz laufen? Gut, sehe ein, dass alte Menschen, wenn sie länger leben, anders versorgt werden müssen. Da haben wir vielleicht auch technologische Unterstützung.
Rüdiger Bachmann
Ja, der Steady-State ist, glaube ich, nicht das Problem, auch von der staatlichen Seite. Das Problem ist tatsächlich das Schrumpfen. Und das sehen wir in den westlichen Gesellschaften. Das ist tatsächlich, wenn du wirklich weniger Wachstum hast, also wenn du negatives Wachstum hast, das ist für Staaten, wie gesagt, kann das durchaus ein Problem sein. Jedenfalls ist es so, wie wir bisher besteuern, nämlich über letztlich…
Maja Göpel
Genau.
Rüdiger Bachmann
…wirtschaftliche, marktliche Aktivität. Wir haben zwei große Staatseinnahmequellen oder Steuerarten. Einerseits die Einkommensteuer und andererseits die Verbrauchsteuer, die Konsumsteuer. Das sind Marktaktivitäten. Deswegen will der Staat gerne diese Marktaktivitäten haben, dass er besteuern kann, Beiträge für die Sozialversicherung erheben, etc. Aber das hat natürlich andere, das Markt konfligieren mit anderen Zielen, z.B. ökologischen Zielen. Aber eben auch persönlichen Zielen zu sagen, eigentlich möchte ich weniger arbeiten, möchte ich mich oder zum Beispiel Care-Arbeit machen, das ist mir wichtig. Das konfligiert damit. Ja, absolut.
Maja Göpel
Also wieso muss der Staat denn trotzdem immer mehr Geld einnehmen? Dann landen wir ja da beim Finanzsystem und dann sind wir an der nächsten Kategorie. Aber in einer Marktwirtschaft ist das notwendig?
Rüdiger Bachmann
Wenn du die Sozialstaat finanzieren willst und auch immer besser finanzieren willst, dann muss er mehr Geld einnehmen.
Maja Göpel
Momentan, genau.
Rüdiger Bachmann
Das ist der Konflikt.
Maja Göpel
Genau, aber es liegt ja eher an der Steuerbasis, wir sie heute haben. Also wir könnten sie ja tatsächlich auch ein Stück weit anders organisieren.
Rüdiger Bachmann
Das ist die große Frage. Das ist tatsächlich, ich sage tatsächlich, so wie wir bisher das Steuersystem organisieren, die Frage ist, aber bestimmte Dinge wollen wir dann zum Beispiel Care-Arbeit auch besteuern. Zum Beispiel ist es dann eine Frage. Wollen wir Freizeitaktivitäten besteuern? Das wäre ja dann das. Also wollen wir mit anderen Worten dem
Maja Göpel
Das wäre ja eben der Frage, sollte das nicht aus den Märkten raus? Also dass wir eher sagen, es gibt einfach bestimmte Bereiche, wo Menschen tätig sein dürfen, die wir nicht in den Markt integrieren und deshalb eben auch nicht in die ökonomische Logik.
Rüdiger Bachmann
Ja, aber denk es mal zu Ende. Also sagen wir mal, alles macht die AI, die Roboter, okay. Und wir arbeiten jetzt überhaupt nicht mehr. dem Sinne, oder beziehungsweise wir sind komplette Selbstversorger, weil unsere Roboter das alles selber für uns machen. Wir haben jetzt alle da. Das würde in der gegenwärtigen Form bedeuten, dass der jedenfalls, so wie der Staat gegenwärtig finanziert ist, der Staat absterben würde. Er einfach keine Einnahmen mehr. Das muss man sich sozusagen klarmachen.
Natürlich würden wir dann vermutlich Robotersteuern und sowas einführen und AI-Steuern. Schon klar. Es ist nicht so, dass dieses Problem völlig unlösbar ist. Aber das sind eben noch mal ganz andere Fragen, über die wir noch nicht genügend nachgedacht haben. Das will ich nur sagen. Im bestehenden Rahmen würden unsere Staaten einfach absterben. Insofern, ja klar, darüber müssen wir dann neu nachdenken.
Maja Göpel
Mhm. Mhm. Also, was mir jetzt bei unserem Gespräch wirklich sehr gut gefallen hat, und damit komm ich so bisschen hinten raus, ist das Suchen nach möglichen Antworten auf Probleme. Also, für mich ist Wissenschaft, also, ist auch eine gute Definition. Dieses Wissen schaffen ist eigentlich die, ja, methodisch angeleitete Suche nach Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Und ich bin sehr dankbar und hab das Gefühl, dass es öffentlich häufig schmerzvoller als das wir uns das jetzt gerade gegeben haben, dass man auch alle Fragen stellen darf erstmal.
Also ich erinnere mich an die Zeit im Wuppertal-Institut. Wir durften vom Auftraggeber aus überhaupt nicht die Szenarien rechnen, wo das Bruttoinlandsprodukt nicht ansteigt. Wir konnten die Steady-State, haben wir dann aus eigenen Mitteln irgendwann gemacht, weil wir gesagt haben, warum wird das aus dem Szenario-Raum dessen, wofür ich dann Stabilitätsmaßnahmen suche, weil eigentlich ist ja Wirtschaft eine stabile Dynamik herstellen. Das ist ja so ein Stück weit die Aufgabe. Wieso darf man das nicht mal vordenken?
Das ist ja auch so viel in diesen Debatten so schwierig. Das ist Degrowth, das soll dann schrumpfen. In naturwissenschaftlichen Prognosen werden unterschiedliche Szenarien gerechnet, zu sagen, wir haben möglichst großen Optionenraum mal Stück weit abgesteckt, damit dann in der Gesellschaft diskutiert werden kann, was scheint politisch auch machbar. Aber ich nehme schon die ökonomische Debatte häufig so wahr, wenn man mal ein bisschen steilere These oder ein bisschen ganz neu gedacht, was rauswirft, dass man auch unheimlich schnell einen über die Socke kriegt oder mit irgendwie, das ist jetzt links, das ist jetzt rechts oder das ist jetzt ja völlig spinnert, gleich wieder der Innovationsraum dessen, wie wir vordenken dürfen, klein gemacht wird.
Würdest du das unterschreiben und wie ändern wir das? Weil eigentlich kommt ja aus all dem, was du beschreibst, so ein Methodenkoffer raus, der uns diese ganze Verzweiflung, wir müssen alle immer mehr arbeiten, müssen alle immer mehr schaffen, alle immer mehr rennen und niemand darf sich mehr irgendwie Freizeit leisten, die momentan so ein bisschen ja den Duktus ausmacht, da können wir ja ausbrechen, wenn wir sagen, nein, wir haben unterschiedliche Möglichkeiten, Dinge zu verändern. Und das wäre ja eigentlich ein Öffnen der Debatte und das wäre für mich der Beitrag, eigentlich die Wissenschaft leisten muss, dass wir diese imaginären Räume aufspannen können.
Rüdiger Bachmann
Also würde ich dir zustimmen, keine Frageverbote, auf gar keinen Fall. Ich würde allerdings tatsächlich für mich reklamieren wollen oder für die engere Wissenschaft, die akademische Wissenschaft, noch funktioniert das. Also sagen wir mal, die Diskussion auf Konferenzen in Seminaren inner-akademisch ist sehr offen und weitestgehend tabufrei. Wie weit das jetzt in Amerika noch der Fall sein wird in den nächsten Jahren, das weiß ich nicht. Das ist in der Tat eine Frage, die mir Sorge macht. Aber noch ist das so. Ich sehe das Problem eher tatsächlich im politischen Bereich und dann eben vielleicht in in diesem Zwischenbiotop zwischen Politik und Forschung. Also mit anderen Worten Thinktanks, die eben sehr direkt von staatlicher Auftragsforschung dann abhängig sind und schon deshalb auch an Kunden denken müssen. Anders als wir. Mein Kunde ist so eine amorphe Öffentlichkeit. Aber zunächst mal die scientific community Kunde in Anführungszeichen. Aber wo ich das eben ganz wirklich schwer vermisse, ist in der Politik. Und zwar wirklich in beide Richtungen. Also da wird von links ist alles, was der Millet macht, gleich schlimm und furchtbar, muss totgehauen werden. Von rechts ist alles, was Habeck nachdenkt, das ist schon a priori schlecht.
Ich verstehe schon, dass ein Parlamentsdiskurs und ein Ministerinterview nicht kein akademisches Seminar sind. Das verstehe ich natürlich. Dass das andere unterschiedliche Sprachspiele sind, das sollte man schon berücksichtigen, unterschiedliche Systemlogiken. Aber ich habe schon das Gefühl, dass es da gerade auch sozusagen in den mittleren und unteren Chargen, also wenn der Minister sich ein bisschen bedeckt hält, und das verstehe ich noch irgendwie, weil das dann auch möglicherweise Rechtskraft hat, wenn er was sagt, oder das kann sehr schnell dann sozusagen in Rechtskraft überführt werden.
Aber wenn sozusagen auch Abgeordnete zum Beispiel, freie Abgeordnete, die jetzt nicht in der Exekutiven sind, sich sozusagen Maulkörbe auflegen oder Denkverbote auflegen und eben nicht in der Lage sind, auch mal anders – oder wie gesagt so parteinahe Pundits einfach immer nur die Parteilinie sozusagen wiedergeben in Interviews und das finde ich schon sehr bedrückend und frustrierend ehrlich gesagt. Und wenn mich ein öffentlicher und wenn ich zu jedem Thema beim öffentlichen Intellektuellen vorhersagen kann, wie er darüber nachdenkt und was er dazu sagen wird, aufgrund seiner vorherigen Äußerungen oder seiner Parteinähe oder sogar -Affiliation, dann sind das für mich keine öffentlichen Intellektuellen mehr.
Maja Göpel
Oha, okay, das nehmen wir hin. Ich nehme drei Sachen mit. Ich glaube, dass es wichtig ist auch, weil du sagtest, die Universitäten, solange sie unabhängig gefördert sind, sind automatisch auch unabhängige Denker, da würde ich dagegen gehen, weil wir, Einheit hat das ja auch mal gut rausgeschaut, innerhalb von Universitäten natürlich auch unfassbare Machtstrukturen haben und diese Gatekeeping-Funktion, wer auf den Journals hockt, was da publiziert wird. Ich erinnere mich, wie ich einen super Peer Review zurückbekommen habe, der nicht inhaltlich war, so einfach nur So ein Gedankengut ist hier nicht vorgesehen. Das kann sie bei XY veröffentlichten. Das hat wenig mit akademischem Standard zu tun.
Rüdiger Bachmann
Ich will nicht sagen, dass bei uns alles in Butter ist. Aber dieses spezielle Ding, würde ich sagen, mache ich mir mehr Sorgen in der Politik oder im politischen Diskurs.
Maja Göpel
Ja, nee, nee, unbedingt, also abschichten. Ich glaube, deshalb ist dieses bisschen Lustmachen, wissenschaftlich arbeiten, noch mal zu verstehen als eine Methode, eigentlich so ein wichtiges Momentum. Wir hören ja überall, das ist eine Zumutung, ist zu komplex und einfache, simple Botschaften. Und ich glaube, dass genau dieses Unterscheiden, was ist tatsächlich abgeleitet? Wie kann ich auch ein bisschen nachvollziehen, was war das Forschungsdesign? Also, welcher Ausschnitt von Realität hat da überhaupt Betrachtung gefunden? Was ist in den Modellrechnungen nicht vorgekommen? Konjunkturprognosen, die zum Beispiel immer noch nicht das Naturkapital angucken und einfach sagen, wir können so weitermachen. Ich würde die gerne korrigiert sehen.
Und dass wir uns dann mit einem Mut von klugen Fragen stellen dürfen, uns einmischen. Und da können manchmal Think-Tank-Studien oder auch von NGOs, Studien, die bezahlt sind, eine sehr hohe wissenschaftliche Qualität ja auch haben. Das ist auch so ein bisschen schade. Also, follow the money ist, glaube ich, wichtig und gut. Zu gucken, wer hat das in Auftrag gegeben und wie weit ist da auch Vorgabe gemacht worden, aber umgekehrt auch nicht abzusprechen, dass sauber arbeiten in unterschiedlichen Kontexten passieren kann.
Und dies politische, das ist vielleicht auch nochmal an die Wirtschaftsredaktionen, bevor ich dir das letzte Wort gebe, hört doch mal auf, jeden Vorschlag von einem unterschiedlichen Professor, Professorin oder Mitarbeiter in Instituten gleich das SPD-nahe Institut, das CDU-nahe Institut, das Arbeitgeberinstitut, man kriegt gleich so einen Absender mitgeliefert, wenn man bloß nicht erst mal offen reingeht und sich das anhört, sondern direkt die vermeintliche Interessensvertretung irgendwie in so einen Überbau mit rein.
Das ist Framing aus der Psychologie, nicht hilfreich, erst mal ganz in Ruhe neu zu denken. Deshalb, an dich, letzter Appell. Wenn wir Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert neu denken, mit welchen Kennzahlen, die vielleicht besser geeignet sind als nur das BIP oder Aktienkurse oder Produktivität, können wir eigentlich Erfolg messen, sodass es wirklich zu den Menschen spricht und dass wir die Dinge, die du gesagt hast, haben wir die Ressourcen in Check, schaffen es wirklich die Bedürfnisse zu befriedigen und sind eigentlich die Voraussetzungen in Märkten gegeben, dass sie die besten Ergebnisse liefern können. Was wären für dich so Leitindikatoren oder vielleicht Begriffe, die man wirklich da in die Debatte reinbringen sollte.
Rüdiger Bachmann
Ich würde nach wie vor eine Lanze für das Bruttoinlandsprodukt brechen. Ich würde nur sagen, dass es erst mal eine Erziehung darüber braucht, was das Bruttoinlandsprodukt misst und insbesondere nicht misst. Und dann, mit was es sozusagen typischerweise korreliert. Das hat ja einen Grund, warum wir uns immer wieder Bruttoinlandsprodukts-Maßnahmen, gerade auch im Ländervergleich, anschauen, weil es eben schon so ist, als wenn du dir Gesundheitszustand, Umweltzustand, Ungleichheit usw. anguckst, die sind natürlich in der Regel hoch positiv korreliert mit dem Bruttoinlandsprodukt. Also statistisch gesehen ist das so. Wenn du dir den Human Development Index anguckst zum Beispiel als Alternative zum Bruttoinlandsprodukt, der ist hoch korreliert mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf.
Maja Göpel
Der Umweltzustand ist negativ.
Rüdiger Bachmann
Niemand hat ja behauptet, dass das Bruttoinlandsprodukt die Lösung aller Probleme ist. Es ist eine bestimmte Konstruktion, die bestimmte Dinge, die kommt aus der Kriegswirtschaft, aus dem Zweiten Weltkrieg, man Steuerungskennzahlen für diese Kriegswirtschaft gebraucht hat. Da hat man damals das Bruttoinlandsprodukt designt. Das hat seine Vorteile und seine Schwächen und seine blinden Flecken. Zunächst mal eine Aufklärung darüber. Darum bemühe ich mich, was das Bruttoinlandsprodukt bedeutet.
Und dann eben zu sagen, naja, klar, es reicht nicht, wir brauchen Multikriterien. Das hängt dann, wie gesagt, mit den üblichen Sachen, ich glaube, wir brauchen da das Rad nicht neu erfinden. Wir haben Ungleichheitsmaße. Also sozusagen punktuell schon. Also wir würden zum Beispiel in Deutschland ganz speziell jetzt viel genauer wissen, wie eigentlich die Vermögensungleichheit aussieht. Das haben wir in Deutschland immer noch keine wirklich guten Maße. Aber das ist dann mehr so eine Frage, was darf die amtliche Statistik?
Da würde ich mir tatsächlich viel mehr von der Politik wünschen, dass die amtliche Statistik sozusagen viel mehr erfassen kann, viel umfassender erfassen kann, was zum Beispiel Ungleichheitsmaße angeht, dass wir da einfach auch viel mehr darüber wissen und nicht so spekulieren müssen. Aber im Prinzip wissen wir das und in anderen Ländern funktioniert das auch. Also, wie gesagt, wir müssen uns die Ungleichheitsmaßnahmen angucken, die Armutsmaßnahmen und eben so Sachen wie Ressourcenverbrauch, Gesundheitsmaße. Und dann aber nicht nur Lebenserwartungen, sondern zum Beispiel ein wichtiges Gesundheitsmaß für mich ist zum Beispiel bedingt auf eine Krankheit, also bedingt auf Brustkrebs, was ist die Lebenserwartung zum Beispiel.
Das ist also nicht nur die allgemeine Lebenserwartung in der Gesellschaft. sondern was sind die, die bedingt auf bestimmte Krankheiten, was sind die, die, die, die Gesundungsraten oder die Remissionsraten, die, die Überlebensraten. Das sind so Performancemaße, die meiner Meinung nach wichtig sind. Und wir sollten uns natürlich auch die soziologischen Happiness-Maßnahmen mit, aber auch die haben ihre Grenzen natürlich. Ja, also es ist nicht so, dass die, sozusagen, wenn man die Sozialwissenschaften zusammen nimmt, haben wir, finde ich gute Maße, um sozusagen die Welt multikriteriell zu vermessen. Wie gesagt, mit bestimmten Defiziten jetzt auch in Deutschland, weil bestimmte Sachen nicht erhoben werden dürfen in Deutschland, weil die amtliche Statistik nicht so die Grundlagen hat, die sie haben sollte im 21. Jahrhundert. Aber das ist eher so ein bisschen…
Maja Göpel
Aber immerhin manipulieren wir sie nicht frank und fröhlich frei, wenn sie was Falsches sagt, wie jetzt der Präsident Trump.
Rüdiger Bachmann
Ja, gut. In den USA haben wir einen Rückschritt. Das wird ein Riesenproblem sein, weil was in den USA passiert, wird gerne auch dann anderweitig kopiert. Da mache ich mir noch sehr große Sorgen, was das angeht. Aber es ist nicht so, dass wir diese Maße nicht hätten. Glaube ich, da sind wir ganz gut als gesamte Sozialwissenschaft, sage ich jetzt nicht nur als Ökonomik, sondern als gesamte Sozialwissenschaft ganz gut aufgestellt. Und ja, wir müssen die im öffentlichen Diskurs pushen und auch in unserer Politikberatung.
Maja Göpel
Weil meinst du, dass die Leute wissen, also ich sage jetzt mal die Leute zu dem breiteren Publikum, dass wir ja mit der Nachhaltigkeitsstrategie beispielsweise richtig klare Indikatoren-Sätze verabschiedet haben, die viele der Punkte, die du gerade adressierst, durchaus gegriffen haben und mit dem Indikator unterlegt haben und wir machen sogar Fortschrittsberichte und die versinken in irgendeinem dritte Ebene Unterabteilung. Anstatt dass die beispielsweise bei Haushaltsdebatten relevant sind, dass sie bei Evaluationen der Regierungsperformance mal relevant würden. Also wir haben da ja..
Und gut Leben in Deutschland war ja so ein anderer verrückter Prozess, wo wirklich die Bevölkerung befragt wurde. Also alle die, die sagen, haben keine Lust mehr uns von den Expertinnen und Experten sagen zu lassen, selbst wenn es international abgesprochen wurde, was eigentlich gute Kennzahlen sind von Gesellschaften, die nachhaltig marktwirtschaftlich funktionieren können, gut Leben in Deutschland war eine Bürgerbefragung. Townhall Meetings 2017 hat Frau Merkel das noch gemacht, eben in dem Bereich auch Wohlergehens-Indikatoren, auch diese materiellen Voraussetzungen. Ganz hohe Übereinstimmung mit denen aus der Nachhaltigkeitsstrategie. Das heißt, so ein Kompass ist da. Wann fängt es an, und da können wir alle dazu beitragen, dass da mehr Referenz drauf genommen wird?
Rüdiger Bachmann
Da können wir alle zu beitragen. Es ist allerdings so, dass es in Deutschland schon in der engen ökonomischen Geschichte, ehrlich gesagt, eigentlich keine Evaluationskultur gibt. Wir haben versucht, die Politiker dazu zu überreden, diese ganzen Corona-Maßnahmen mal sauber zu evaluieren. Zum Teil hat es geklappt, aber der Wille dazu ist nicht groß. Die Politik lässt sich da tatsächlich, ja, vielleicht eine Sache, wo wir alle, Journalisten, Pundits, öffentliche Intellektuelle, mal bisschen auch den Finger in die Wunde legen sollten im Sinne von einer transparenteren Demokratie, Republik. Dass es nichts Schlimmes ist, wenn auch die Politik sich evaluieren lässt, sich selber evaluiert, sich aber wissenschaftlich evaluieren wird.
Nicht im Sinne von Politikverdrossenheit zu erzeugen. Im Gegenteil. Das wird ja dann immer so, ja, es wird zum Beispiel von den Corona-Kritikern wird jetzt gesagt, wir müssen Corona evaluieren. Aber so, wie die das wollen, kommt eben raus, wir wollen Politikverdrossenheit weiter schüren, um unser Süppchen kochen zu können. Und das ist eben die Gefahr. Und diese Grenze wirklich auf der pro-demokratisch, pro-republikanischen, auf der demokratisch pro-republikanischen Grenze dieser oder Seite dieser Grenze bleiben zu können, ist nicht ganz einfach in der Praxis.
Aber das ist sozusagen eine Herausforderung, dass wir auch eine wirkliche Evaluationskultur in Deutschland bekommen, wo es gar nicht schlimm ist. Wenn dann auch mal rauskommt, ja, diese Politikmaßnahme war vielleicht keine gute Idee, sollten wir das nächste Mal nicht mehr machen. Ist aber nicht schlimm, weil damals wussten wir es nicht besser.
Maja Göpel
Genau, das wäre ja das Lernende, dass wir das neu denken dürfen. Und letzter Satz, das würde sehr vielen Menschen die Politikverdrossenheit nehmen. Weil wenn wir Umfragen haben, wann ist die Akzeptanz für neue politische Maßnahmen besonders hoch, dann ist das Wirksamkeitskriterium ganz oben drin. Ist es wirksam zum Erreichen der deklarierten Ziele und wie ist es wirksam across the board, sodass es fair ist und alle dabei mitmachen. Ich danke dir ganz, ganz herzlich, Rudi, für dieses Gespräch und wünsche dir ganz viel Erfolg in dem wilden USA, weiter auch die wissenschaftliche Fahne hochzuhalten, das unabhängige Denken. Dort ist es ja tatsächlich noch mal einiges schwerer geworden, als sich das hier bei uns darstellt.
Rüdiger Bachmann
Vielen Dank!
Maja Göpel
So, vielen herzlichen Dank fürs Zuhören. NEU DENKEN ist ein Projekt von Mission Wertvoll, einem Science-Society-Netzwerk, das sich den Chancen und Wegen in eine nachhaltige Zukunft verschrieben hat. Wie wir da hinkommen, das werden wir gemeinsam herausfinden, und deshalb freuen wir uns über eure Aufmerksamkeit, aber auch über Feedback oder Wünsche; Welche Themen ihr mal neu denken möchtet oder welche Gäste ihr dafür besonders prädestiniert findet. Wir haben dafür eine Email-Adresse eingerichtet die heißt neudenken-ät-mission-bindestrich-wertvoll-punkt-org. Hoffentlich bis auf ein nächstes Mal!