Bewusst wirken

Eine Illustration

Die Sozialwissenschaften haben eine gute wie herausfordernde Nachricht parat: Wir können nicht nicht wirken. Egal, was wir tun, es hat Konsequenzen. Denn die Welt ist ein dynamisches Netzwerk der Interaktionen, das wir täglich prägen. So entsteht Wirklichkeit.

Transformation by design bedeutet in komplexen Systemen wie Gesellschaften weder Mikro-Management noch Planwirtschaft. Vielmehr geht es um eine transparente Verständigung über die handlungsleitenden Ziele, geteilten Wertentscheidungen und erwartbaren Umgangsformen, wie diese in den politischen Spielregeln, wirtschaftlichen Kennzahlen und orientierenden Leitbegriffen zum Ausdruck kommen.

Denn Menschen sind kreative und sinnsuchende Wesen. Wir suchen nach Verständigung und Verständnis. Als Individuen entwickeln wir eine persönliche Sicht auf die Dinge, anhand derer wir Urteile und Entscheidungen treffen. Als soziale Wesen verwenden wir Regeln und unseren Verstand, um diese Entscheidungen gegenüber anderen zu vertreten. Den politischen Raum beherrschen die großen gesellschaftlichen Erzählungen und Paradigmen, die wiederum als Rahmen und Orientierung für angemessenes oder auch rationales Handeln gelten.

Da die Welt sich fortlaufend verändert, müssen diese Zahlen und Erzählungen regelmäßig überprüft und angepasst werden, genauso wie die menschlichen Strukturen, die wir für ihre Umsetzung geschaffen haben. Wenn wir heute von Reformstau sprechen, dann heißt das: Hier wurde einiges versäumt und wir riskieren die Transformation by disaster. Also: Erst wenn eine Krise das Weitermachen wie bisher verunmöglicht, werden strukturelle Veränderungen salonfähig. Ein schockbasiertes Innovationsmodell, durch das viel Vertrauen in Führungspersonen und demokratisches Regieren zerstört wird und das von populistischen Kräften taktisch bespielt wird.

Für das Gelingen einer Transformation helfen eine gute Prozessgestaltung, Transparenz und Gemeinwohlorientierung. Aus der Sozialforschung wissen wir, dass insbesondere die Wirkung der Maßnahmen für die deklarierten Ziele und eine faire Verteilung von Kosten und Nutzen die Akzeptanz politischer Veränderung stärken. Was sind also die Effekte der aktuellen Spielregeln und werden sie gut gemessen? Wie stehen dazu die Effekte der Alternativen? Wenn diese Zusammenhänge sichtbar werden, entstehen Vertrauen und Verantwortung.

Außerdem benennt die Forschung drei „Zutaten“, mit denen Unsicherheiten pariert werden können: Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Machbarkeit. Also: Die Überzeugung, dass es sich lohnt, etwas zu unternehmen, dass die dafür relevanten Informationen über die aktuelle Lage bereitgestellt werden und dass die Ressourcen für effektives Handeln vorhanden sind.

Dann ist Transformation kein Schicksal, sondern ein Erneuerungsprozess. Dann können wir auch anders.

Quellen

Backhaus-Maul, Holger, Sonja Fücker, Martina Grimmig, Viktoria Kamuf, Jessica Nuske, und Matthias Quent. „Forschungsbasierter Wissenstransfer: Sozialwissenschaft in und mit Gesellschaft“. In Forschungsbasierter Wissenstransfer und gesellschaftlicher Zusammenhalt, herausgegeben von Holger Backhaus-Maul, Sonja Fücker, Martina Grimmig, Viktoria Kamuf, Jessica Nuske, und Matthias Quent, 9–28. Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2024. https://content-select.com/de/portal/media/view/63f49cb3-4320-419f-a9de-4c07ac1b000f.

Prof. Klaus Hurrelmann im Interview mit Sabine am Orde. 2023. „Forscher über Zustand der Gesellschaft: ‚Die Bevölkerung ist erschöpft‘“. Die Tageszeitung: taz, 3. August 2023, https://taz.de/!5951963/

Social Economics Lab, Harvard. https://socialeconomicslab.org/

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