Transformation gestalten

Eine Illustration

Geht es um Bedingungen des Gelingens für gesellschaftliche Erneuerung, so wird schnell deutlich: Lagerkämpfe und ein laxer Umgang mit Fakten sind nicht hilfreich. Trotzdem dominieren diese Umgangsformen das aktuelle Geschehen. Die Transformationsforschung diskutiert das als Symptome einer „Zwischenzeit“ und gibt Tipps, wie wir diese besser navigieren können.

Die Transformationsforschung wird häufig gefragt, was normalen Wandel von transformativem Wandel unterscheidet. Ganz simpel gesagt: Normaler Wandel bezeichnet Optimierungen innerhalb eines bestehenden Systems und transformativer Wandel ändert das System selbst. Eine gängige Definition beschreibt Transformationen als einen „Prozess des fundamentalen und irreversiblen Wandels der Kultur, der (institutionellen) Strukturen und Praktiken einer Gesellschaft” (Dutch Research Institute for Transitions, DRIFT, 2017).

Um das zu vereinfachen, hat das International Futures Forum das Konzept der drei Horizonte entwickelt:

Quelle: International Futures Forum / Bill Sharpe 2020

  • Der erste Horizont umschreibt die Gegenwart (Status quo). Dieses System von business as usual steckt in der Krise. Dafür gibt es klare qualitative und quantitative Indikatoren. Die Denkweisen und Strukturen, die dieses System stützen, können erwünschte Ziele nicht mehr gewährleisten. Die Zukunftsfähigkeit des Status quo nimmt immer schneller ab.

  • Den Weg aus der Krise zeigt der dritte Horizont (Tragfähige Zukunft). Er beinhaltet die Ideen und Lösungen, die unter veränderten Rahmenbedingungen vielversprechend sind, heute aber noch als Abweichung von der Normalität wahrgenommen werden und als Nischenakteure begeistern oder bekämpft werden.

  • Der zweite Horizont (Zwischenzeit) umfasst die klare und gleichzeitig schrittweise Neuausrichtung der gesellschaftlichen Strukturen, sodass sie in einer rasant veränderten Welt weiter den gewünschten Zielen dienen können. Für diese Navigation ist wichtig, mit welchen Zahlen und Erzählungen wir Erfolge und Fortschritte messen, denn sie prägen unsere Wahrnehmung der Wirkung.

Schauen wir uns die aktuelle Diskussion an, beobachten wir einige Barrieren für eine ziel- und verständigungsorientierte Zusammenarbeit: Vertreter:innen des Status quo und der Tragfähigen Zukunft werden als Gegenspieler, als Verlierer und Gewinner, oder inzwischen als unversöhnliche Lebensstil-Konkurrenten dargestellt. Die Messlatte für legitime oder zielführende Maßnahmen orientiert sich weiter an den Zahlen und Erzählungen der Vergangenheit. Damit bleiben viele Möglichkeitsräume verstellt.

Viel zu wenig öffentliche Aufmerksamkeit bekommt außerdem die Navigationsarbeit des zweiten Horizonts: Akteur:innen in Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik, die Übersetzungsarbeit leisten, Übergänge bauen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt über das Partikularinteresse stellen und sich dafür an zukunftsorientierten Zielen für Erfolg, Fortschritt und Wohlstand ausrichten.

Und so stecken wir in einer Abwärtsspirale der negativen Symptome: Pluralistische Ignoranz und selbsterfüllende Prophezeiungen sind nur zwei Schlagworte aus der Forschung, die zeigen, dass soziale Kipp-Prozesse in zwei Richtungen kippen können: In Richtung einer rückkoppelnden Beschleunigung vieler einzelner Handlungen und Entscheidungen im Sinne einer demokratischen, aktiven Transformation by design – oder aber in Richtung einer Transformation by disaster, wenn nur die Wut über mangelnde Perspektiven rückgekoppelt wird und veraltete Strukturen verteidigt werden, bis wirkmächtige Faktoren, zum Beispiel die Klimakrise, unsere Lebensumstände transformieren.

Heute stehen wir an einem solchen Kipp-Punkt. Daher sind wir alle gefragt, in Richtung einer Zukunft zu wirken, in der wir leben möchten.

Quellen

Dutch Research Institute for Transitions (DRIFT). 2017. „Transitions“. https://drift.eur.nl/about/transitions/

Sharpe, Bill. 2020. Three Horizons. The Patterning of Hope. 2nd edition. Triarchy Press.

Stiglitz, Joseph E. „It’s Time to Retire Metrics like GDP. They Don’t Measure Everything That Matters“. The Guardian, 24. November 2019. https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/nov/24/metrics-gdp-economic-performance-social-progress

Tainter, Joseph A. 1988. The collapse of complex societies. Cambridge University Press.

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