Soziale Kipp-Punkte

Illustration zur Kategorie: Was wir tun

Aus unserer Sicht liegen die größten Hemmnisse für eine konsequente und demokratische Erneuerung des Wohlstands nicht in technologischen Barrieren oder einem Mangel an Finanzen. Wir hemmen uns selbst, weil wir nicht beide Mittel entschieden auf diese Ziele ausrichten. Und darüber entscheiden Menschen.

Gesellschaftliche Institutionen und Strukturen sind Ausdruck einer bestimmten Zielsetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Je nachdem, welche Ziele, Werte und Bewertungen gewählt oder gesetzt wurden, so wurden auch die Anreize, Key Performance Indikatoren, Rollendefinitionen und Regeln aufgesetzt. Form follows function.

Zusammengenommen bilden sie das Gesellschaftssystem und halten Entwicklungen auf einem bestimmten Kurs. Das erleichtert die Arbeitsteilung enorm. Aber Entwicklung heißt eben auch Veränderung. Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem die Lösungen der Vergangenheit zum Problem der Gegenwart geworden sind. Business as usual ist keine Option mehr. Und schauen wir mal über die Normalitätsdeklarationen der Gegenwart hinaus dann sehen wir: Transformation ist sogar eher die Regel als die Ausnahme.

Wenn es schnell gehen soll, und an dem Punkt stehen wir heute, braucht es dafür allerdings ein besonderes Zusammenspiel zwischen diversen Treibern gesellschaftlicher Veränderung: Preise und Verfügbarkeit von Alternativen spielen die wichtigste Rolle, sind aber wiederum das Ergebnis von politischer und wirtschaftlicher Gestaltung. Und die wird in Demokratien dadurch geprägt, wie wir über diese Veränderungen denken und sprechen. Was ist wünschenswert, normal, realistisch, preiswert oder legitim?

In der sozialwissenschaftlichen Forschung werden daher insbesondere die Kategorien Werte und Normen, Bildung über sich verändernde Zusammenhänge und die Transparenz über die Wirkungen der diskutierten Maßnahmen hervorgehoben. Verändern sich diese Bewertungen und Parameter, dann ändern sich auch die Unterstützung, Nachfrage und Akzeptanz. Deshalb stehen diese weichen Faktoren im Zentrum unserer Arbeit.

Und wieder eine gute Nachricht: Sind dann erst einmal neue Infrastrukturen und Produkte verfügbar und die politischen Regeln neu ausgehandelt, ist ein sozialer Kipp-Punkt erreicht und die Transformation gefestigt – so leicht fallen weitere Entwicklungen nicht mehr in alte Muster zurück.

Genau deshalb können Konsument:innen immer wichtige Akzente setzen, aber niemals die Verantwortung für den Strukturwandel tragen. Die liegt bei der Politik und Wirtschaft. Und bei all denen, die über die Veränderungen sprechen, ihre Vor- und Nachteile bewerten oder durch ihr Vorreiten andere inspirieren.

Quellen

McNeill, John Robert: zitiert nach: Jeremy Lent. 2017. The Patterning Instinct. A Cultural History of Humanity’s Search for Meaning. Amherst/New York. Prometheus Books. S. 398.

Otto, Ilona M., Jonathan F. Donges, Roger Cremades, Avit Bhowmik, Richard J. Hewitt, Wolfgang Lucht, Johan Rockström, u. a. 2020. „Social Tipping Dynamics for Stabilizing Earth’s Climate by 2050“. Proceedings of the National Academy of Sciences 117 (5): 2354–65. https://doi.org/10.1073/pnas.1900577117.

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