Wachstum NEU DENKEN zum Lesen

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Zwei Personen sitzen an einem Holztisch mit Kopfhörern und Mikros in einem Podcast-Studio und unterhalten sich.

In Folge 1 des Podcasts spricht Maja Göpel mit Achim Truger über Wachstum

 

— Transkript: Der Podcast im Volltext —

Maja Göpel
Geht es euch auch so? Irgendwie sind diese politischen Debatten so oberflächlich geworden, so erwartbar und so unfassbar wenig inspirierend. Da weiß man vorher, aus welchem Lager welche Position kommt, wer sich wie über wen aufregt und welche großen Schlagworte ins Feld geführt werden, um einfach die differenzierte Diskussion mal kurz platt zu machen.

Ein Wort, was besonders gerne in dieser Schlagworteritis auftaucht ist natürlich das Wachstum. Das Wirtschaftswachstum, das ist es, wenn das erstmal nur wieder läuft, dann wird alles gut. Echt? So einfach? Für all die, die sich ein bisschen mit dem Thema Wachstum und den Folgen und Voraussetzungen beschäftigt haben, ist das eine der ungeglaubtesten Geschichten der Nation. Umweltzerstörung, ungleiche Verteilung, nicht gutes Abbilden von unentgeltlichen Leistungen, die aber die Gesellschaft zusammenhalten.

All das sind lang stehende Kritikpunkte an dieser Formel Bruttoinlandsprodukt, mit der wir immer noch, irgendwie, Erfolg messen? Warum überlegen nicht, was ist Wohlstand? Wie ist die wirtschaftliche Dynamik eigentlich ein Mittel zum Zweck? Dann würden wir ganz anders darüber diskutieren, wer daran wie beteiligt ist.

Deshalb: Wachstum, koste es, was es wolle, ist überhaupt keine Ansage mehr, wir müssen raus aus dieser ungeglaubten Geschichte, rein in unglaubliche Geschichten, die es schaffen, soziale und ökologische Ziele wieder voranzustellen und Wachstum als ein mögliches Mittel zu diesem Zweck in Stellung zu bringen.

Mein Name ist Maja Göpel, ihr hört NEU DENKEN, den Podcast von Mission Wertvoll, in dem die großen Schlagworte unserer Zeit mal ein bisschen differenziert betrachtet werden. Heute haben wir uns das Wachstum vorgenommen, und uns den Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger eingeladen, der unter anderem unsere Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berät. Sehr herzliches Willkommen.

Achim Truger
Hallo Maja, ich freue mich.

Maja Göpel
Achim, du bist ja im Grunde genommen so ein Urgewächs schon in dem wissenschaftlichen Apparat und seit 2019 eigentlich stärker in diese vermittelnde Rolle reingekommen. Seitdem bist du sowohl Professor für Sozioökonomie an der Uni Duisburg-Essen als auch eben Mitglied von den sogenannten Wirtschaftsweisen, die ja beauftragt sind, Politik zu beraten. Offiziell heißen sie dann Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Und ihr werdet einmal im Jahr mit so einem Jahresgutachten ganz groß angehört. Und meistens geht es in diesem Jahresgutachten auch darum, wachsen wir in Deutschland. Wie sieht es aus mit der Wirtschaft? Und gesund ist sie ja nur, wenn sie gut wächst. Deshalb würde ich vielleicht nochmal die Introfrage – was ist denn für dich der Begriff von Wachstum, den wir da verhandeln?

Achim Truger
Ganz offiziell gibt es da eine Definition, die geht über das Bruttoinlandsprodukt, das da errechnet wird und das wir auch prognostizieren, und wo wir dann tatsächlich für diese eine Zahl, meistens fürs kommende Jahr, die große Aufmerksamkeit bekommen. Also das ist sozusagen das Offizielle. Es ist auch ein Mandat.

Also wir haben vier Ziele als Sachverständigenrat. Wir sollen uns kümmern um Preisniveaustabilität, einen hohen Beschäftigungsstand, also geringe Arbeitslosigkeit, und außenwirtschaftliches Gleichgewicht und als Wachstumsziel stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum. Das ist sozusagen die offizielle Seite.

Und ich glaube tatsächlich, dass in der letzten Zeit, in den letzten Jahren, dieses Wachstumsziel sehr stark dominiert. Und das wäre, da wir ja vier Ziele haben, nicht so zwingend. Ist aber einfach, ergibt sich im Prozess. Und das ist auch die ganze Aufmerksamkeit, die von der Öffentlichkeit kommt. Deshalb reden wir da so viel drüber.

Maja Göpel
Ja, wir gehen gleich nochmal in den Wachstumsbegriff ein bisschen tiefer rein, weil die Grundannahme ist ja, wenn mehr von allem da ist, geht es allen besser. Mehr Arbeitsplätze, mehr Exporte, mehr Konsum-Angebote und damit dann eben auch wieder Verdienst, der investiert werden können für noch mehr Wachstum. Dass das nicht so einfach ist, das packen wir gleich noch auseinander.

Ich wollte mit dir nochmal einsteigen, weil es ja auch für einige ermüdend ist, diese Diskussion, immer und immer wieder die gleichen Abschläge, immer dieser Jargon, immer so ein bisschen über die Gesellschaft wird in diesen ökonomischen Begriffen gesprochen. Was hat dich denn überhaupt zur Wirtschaftswissenschaft gebracht? Also was hat dich daran fasziniert?

Achim Truger
(Lacht.) Das war der reine Zufall. Ich wusste ehrlich gesagt nach dem Abitur nicht, was ich machen sollte. Und der Vater eines guten Freundes, der war Privatdozent für Volkswirtschaftslehre in Köln an der Uni. Ich komme aus Köln. Und dann hat er mir gesagt, er könnte mir ja mal bisschen was erzählen. Und dann hat er mir ganz viele tolle Dinge erzählt, auch dass ich was über Marx lerne und ich weiß nicht was alles und so. Und dann dachte ich, das kannst du ja mal machen, das ist ganz vernünftig.

Das war ehrlich gesagt, das stimmte alles gar nicht. Also da habe ich gar nichts gelernt in Köln, sondern das war stattdessen sehr, sehr konservativ und geradezu neoliberal. Aber ich bin dann einfach dabei geblieben und fand es dann schon sehr faszinierend, weil man eben auf ganz verschiedenen Gebieten was machen kann und weil natürlich auch die Aufmerksamkeit, die das Fach hat, sehr groß ist.

Maja Göpel
Ja, das hat so eine Deutungshoheit halt.

Achim Truger
Ja, vielleicht auch eine, die dem Fach gar nicht zukommt. Das muss man vielleicht mal so sagen. Aber grundsätzlich ist es natürlich toll, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie man das Leben der Menschen, und darum müsste es ja eigentlich gehen, verbessern kann. Und da ist Wachstum vielleicht eine Komponente. Muss aber nicht unbedingt sein, dass mehr von allem immer besser ist.

Maja Göpel
Ja, ursprünglich ist ja die Idee von Wirtschaften so aus dem Haushalt entlehnt, mit Eukos. Das heißt, du fragst dich ja, wer ist Teil vom Haushalt? Was möchten die Menschen dort? Und was haben wir denn eigentlich in der Speisekammer oder zugänglich in der Zukunft, um diese Bedürfnisbefriedigung hinzukriegen? Also das ist ja eigentlich die schöne Frage dahinter. Also sind ja Bedürfnisse von Menschen dabei und ist eine klare Verständigung darüber, was haben wir denn und wie kriegen wir Kooperation sogar organisiert, dass das auch bestmöglich funktioniert?

Und diese Prozesse, die verschwinden ja immer so ein bisschen darüber, wenn wir nur aufs Ergebnis schielen und dann immer nur sagen, Hauptsache, es kommt hinten mehr raus. Aber wie bist du, wenn du schon sagst, das neoklassische war so ein bisschen unterkomplex, nenne ich jetzt vielleicht mal, es war ja trotzdem total wichtig zu verstehen, wie eine typische Perspektive auf die Welt da aussieht. Also was fandest du denn hat da gefehlt?

Eine Person mit Kopfhörern in blauem Hemd sitzt an einem Mikrofon und gestikuliert

Achim Truger
Ich glaube, dass das grundlegende Problem, das mich damals schon abgeschreckt hat und das ist auch so geblieben und ich meine auch noch, dass es nach wie vor richtig ist, ist einfach, dass man in den Grundmodellen anfängt. Das ist übrigens, nennt man ja eine Haushaltstheorie. Da geht es dann eigentlich darum, das Verhalten von Haushalten, also privaten Haushalten zu erklären. Und da spielt die Bedürfnisbefriedigung, also der Nutzen, eine ganz große Rolle.

Und das Problem dabei ist aber, dass das vollkommen steril ist. Es werden dann abstrakte Nutzenfunktionen maximiert. Aber was in diesen Nutzenfunktionen genau drin ist und was die Bedürfnisse sind, die da befriedigt werden müssen, dabei macht man sich inhaltlich und materiell keine Gedanken. Das ist eine völlig sterile Übung, und man kann das dann mathematisch wirklich bis auf die Spitze treiben.

Aber am Ende sind diese Modelle nicht mal in der Lage zu erklären,warum jemand tatsächlich welches Gut jetzt kauft, in welcher Menge und man kann damit nicht mal sagen, ob, und das ist ja der Klassiker Nachfragetheorie, man kann am Ende nicht mal zweifelsfrei ableiten, dass wenn der Preis eines Gutes steigt, dass dann die Nachfrage zurückgeht, weil letztlich alles möglich ist.

Maja Göpel
Lebenswichtige Güter, ja.

Achim Truger
Genau, und das ist sozusagen, diese Theorie hat weder prognostisch bringt sie irgendwas, noch bringt sie einen weiter für die Bedürfnisbefriedigung. Und dieses, was aber sozusagen angelegt ist, das ist dieses, dass die Grundannahme mehr ist immer besser. Und dann kann man eben dahinter kommen oder das so interpretieren, dass dann eben mehr an materieller Güterversorgung auch immer besser ist.

Wobei, das ist eben auch lustig, es ist sozusagen der Kern des Widerspruchs, ist immer schon angelegt. Denn das einfachste Modell, wo man dann sagt, warum arbeiten die Menschen eigentlich? Und dann möchten sie nämlich auch mal besonders, sie möchten einerseits am liebsten unendlich viele Güter haben und deshalb auch Einkommen. Auf der anderen Seite möchten sie aber gerne unendlich viel Freizeit haben.

Maja Göpel
(Lacht.) ist doch nice, oder?

Achim Truger
Genau, das geht halt nicht. Und deshalb ist es halt so, dass man eine Abwägung treffen muss zwischen Gütern und Freizeit. Und da kommen wir eigentlich genau an den Kern des Ganzen. Also wenn ich jetzt aber, und wenn die Menschen vor allen Dingen, der Auffassung sind, dass sie jetzt eigentlich genug haben und dass Freizeit, Lebensqualität und so, dass das wichtig und besser wäre und sie deshalb weniger arbeiten wollen, dann wäre das sozusagen in der ökonomischen Theorie auch angelegt und wäre auch aus einer liberalen Weltsicht ja eigentlich überhaupt nicht zu beanstanden.

Aber interessanterweise ist es dann eben so, dass dieser Schluss häufig nicht gezogen wird. Beziehungsweise man sich das dann nicht anschaut, sondern dann kommt wieder am Ende Bruttoinlandsprodukt, materielle Güterversorgung und je mehr, desto besser. Aber das ist selbst in diesen einfachen Modellen überhaupt nicht zwingend angelegt. Man kann es ganz anders lesen. Da geht aber dann offensichtlich beim Transfer selbst der einfachsten Grundmodelle in die Realität geht irgendwie was verloren.

Maja Göpel
Aber dieser Satz, der ist ja total, habe ich erst heute morgen wieder im Wirtschaftslexikon gelesen, das grundlegende Problem der Wirtschaft ist ja, dass sie begrenzte Ressourcen hat und Menschen unendliche Bedürfnisse haben. Und das ist ja eine Prämisse, dass wir einfach nie genug kriegen. Wir kriegen den Hals nicht voll.

Achim Truger
Ich glaube, das stimmt eben überhaupt nicht.

Maja Göpel
Genau, was du ansprichst ist, lass uns doch mal gucken, gibt es nicht so etwas, wo eine gute Versorgung eigentlich gewährleistet ist und dann andere Dinge wichtiger werden. Und dann ist natürlich die Frage, wenn das Modell das gar nicht vorliest, weil wir immer sagen, ja, eigentlich mehr Wachstum ist immer besser, dann wird es natürlich schwer zu argumentieren, dass wir doch vielleicht nicht mehr Wachstum als Ziel haben sollten. Was allerdings in den Ökonomie-Lehrbüchern ja tatsächlich auch nicht so gesetzt ist. Es ist ein Mittel zum Zweck.

Und deshalb wäre, finde ich, wichtig ja eher die Frage, wann empfinden wir Wohlstand? Und ist Wachstum jetzt im Moment noch ein gutes Mittel, um auf dem Weg dahin zu kommen? Oder wann zerstören wir eben auch viel? Das ist ja, ich komme so aus der ökologischen Seite, wann ist eigentlich Planetenzerstörung hinter dem Wachstum versteckt? Und wie müssten wir dann mal darüber sprechen, wie wollen wir denn Wohlstand eigentlich sichern, wenn das sehr viel kostet, also un-ökonomisches Wachstum hat Herman Daly das mal genannt, das was wir an Kosten verursachen, ist höher als das wir an Nutzwerten gewinnen. Und dann kippt es ja aus der Balance.

Vielleicht kannst du das historisch auch nochmal einordnen, weil es heißt ja immer, ihr Wachstumskritiker, ihr wollt nicht, dass die ärmeren Menschen in anderen Teilen der Welt auch was haben oder wir haben doch ganz viel Errungenschaften und Wohlstandsgewinne durch das Wachstum erzielt. Das stellt ja eigentlich keiner in Frage, oder?

Achim Truger
Ja, also historisch ist es natürlich so, dass Wachstum, also die Möglichkeit, dass man eigentlich mit demselben Ressourceneinsatz immer mehr produzieren kann, dass das ganz wichtig ist, weil das die Versorgung der Menschen und damit auch das Überleben vieler Menschen erst garantiert. Also Produktivitätssteigerung ist ganz wichtig in der Landwirtschaft, konnte man mehr Menschen ernähren. Dann kamen industrielle Produkte, das hat auch den Fortschritt ungemein befördert. Und jetzt sind es die Dienstleistungen, und das ist alles ja letztlich, da ist bis zu einem gewissen Niveau, glaube ich, sehr viel dabei, was einfach wirklich elementar wichtig ist für die Menschen.

Und insofern war Wachstum lange Zeit da, glaube ich, auch sehr, sehr positiv. Aber es hat eben auch die Nebenwirkung, dass das eben großenteils fossiles Wachstum war. Das heißt, dass man dazu halt die Ressourcen aufbraucht und halt die, jetzt das Klima komplett aus dem Gleichgewicht bringt. Und das heißt also deshalb, dass es eigentlich darum gehen muss, also das Mindeste ist, wenn es weiter Wachstum gibt, dass sich irgendwie im BIP oder irgendeiner anderen Kennzahl ausdrückt, dann kann es auf jeden Fall nicht mehr so weitergehen, nicht mehr so weiter wachsen wie bisher. Das darf kein fossiles Wachstum sein.

Maja Göpel
Also das Bruttoinlandsprodukt, das BIP hat ja so drei typische Kritikpunkte, was es total nicht anzeigt. Und da ist die ökologische Zerstörung eins. Was sind aus deiner Sicht die anderen wichtigen Punkte?

Achim Truger
Es sind letztlich ganz viele Dinge nicht darin enthalten, unter anderem Haushaltsproduktion, also die ganze Care-Ökonomie. Unbezahlte Arbeit ist alles, was für das Überleben der Menschen oder überhaupt das Auf-die-Welt-Kommen der Menschen und das Menschwerden wichtig ist. Das steckt da gar nicht drin. Die Naturzerstörung, hattest du schon gesagt. Ganz viele Sachen, die Verteilung ist letztlich vollkommen irrelevant dabei. Man guckt sich dann das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf an und damit tut man ja quasi so, als würde dieses Wachstum, was es da gibt, gleich verteilt werden pro Kopf.

Aber das ist ja sozusagen automatisch so, dass beim Wachstum eigentlich immer automatische Ungleichheiten entstehen, weil manche Menschen bekommen mehr, andere weniger oder verlieren sogar. Und das wird auch überhaupt nicht abgebildet. Insofern ist eigentlich klar, dass das ein schlechtes Maß ist für Wohlstand im umfassenden Sinne. Die Ökonomen tun in den einfachen Modellen so, weil sie über Nutzen und Bedürfnisbefriedigungen sprechen, als würden sie wirklich über die wichtigen Dinge sprechen. Aber sie machen sich überhaupt gar keine Gedanken darüber, was denn materiell eigentlich die Bedürfnisbefriedigung ausmacht. Sondern das sind sterile Funktionen, wo ich dann definieren kann, was ich mir gerade angucke.

Aber es ist nicht sozusagen so, dass man eine Lehre entwickelt hätte. Was brauchen denn die Menschen? Was ist sinnvoll? Im Gegenteil, es ist sogar eher so, dass man sagt, und das ist dann sozusagen eine normative Grundannahme, die man implizit mit trifft. Die Menschen können alles wollen. Das ist sozusagen zulässig. Und sie werden dann schon das Richtige für sich tun, weil sie ihren Nutzen maximieren. Und wir dürfen da eigentlich auch gar nicht reinreden, es sei denn, es kommen andere zu schaden. Aber wir dürfen da gar nicht reinreden, weil die Menschen selbst am besten wissen, was sie wollen.

Das heißt, man schließt im Grunde genommen jede Debatte darüber, was das gute Leben ist, was sozusagen auch legitime Bedürfnisse sind und was vielleicht auch unnütz ist. Und damit eben ganz viele Dinge, die beispielsweise in der Philosophie, auch in der Psychologie, in der Medizin einfach eine ganz wesentliche Rolle spielen.

Eine Person sitzt mit Kopfhörer vor einem Mikrofon und schaut aufmerksam.

Maja Göpel
Manchmal gibt es ja deshalb die Attacke aus der Sozialwissenschaft zu sagen, liebe Leute, eigentlich ist die Wirtschaftswissenschaft gar nicht wirklich eine Wissenschaft, weil die Akteure, die sie beschreibt, der empirischen Forschung, die wirklich guckt, was bewegt Menschen, wie orientieren die sich, nicht entspricht. Also es ist so bisschen diese Wachstumsorientierung, wie wir starren auf ein Tacho und fragen gar nicht mehr, wo wir eigentlich wirklich hinwollen oder ob wir noch genug im Tank haben. Aber der Tacho ist das Faszinosum.

Achim Truger
Das sind jetzt die schönen Bilder, die du bringst, die ich nicht gebracht habe, aber die hast du jetzt eingebracht, das ist gut. Ja, das Hauptproblem jetzt dabei ist, dass die Ökonomen und Ökonominnen sich leider nicht richtig greifen lassen. Also wenn so eine Kritik kommt, dann kann man immer sagen, ja, im Grundmodell, da ist das vielleicht so. Aber wir haben da ganz viel entwickelt und da gibt es hier eine Verästelung und da noch eine Annahme und haben wir alles schon mal gemacht. Oder auch das BIP ist unvollkommen und dann können sich die, manche lehnen sich dann zurück und sagen so ja bitte, das lehren wir doch in den ersten Semestern oder im ersten Semester lehren wir doch, dass das so.

Das Problem ist eben, Transferproblem oder was auch immer, es bleibt irgendwo auf der Strecke und es wird dann, es bekommt dann aber eben überhaupt nicht die Bedeutung, die man ihm beimessen muss. Das ist so was wie, haben wir auch gemacht, aber jetzt reden wir lieber über das andere. Das ist insofern gemein, weil man hat also tausend Feigenblätter produziert. Und wenn man fair ist, dann muss man eben auch zugeben, das stimmt. Also ihr habt da was gemacht und ihr habt das nicht vernachlässigt, sondern es gibt was. Aber es ist eben überhaupt nicht dominierend und adressiert dann gar nicht die Fragen, die die Menschen wirklich interessieren und die so wichtig sind.

Maja Göpel
Und es kommt nicht in die Deutungshoheit.

Achim Truger
…kommt offensichtlich nicht.

Maja Göpel
Also qualitatives Wachstum, da sind wir ja so bisschen rangerobbt, zu sagen, kann man da mal bisschen hingucken. Das hat nicht nur eine Höhe, das Wachstum, sondern auch eine Richtung. Ich kann ja das gleiche Bruttoinlandsprodukt, was nur Preise im Grunde genommen aufzeigt, haben, wenn ich ein komplettes Energiesystem erneuerbar habe oder wenn es fossil ist. Weil die Preise eben, denen ist das egal, was dahinter passiert, Hauptsache jemand zahlt und kauft. Das heißt, diese Idee, was da qualitativ dahinter passiert, das ist ja etwas, vielleicht gehen wir gleich nochmal in die Wohlstandsforschung rein. Weil das ist ja…

Achim Truger
Ich zucke hier schon.

Maja Göpel
Ich hab das Gefühl dieser Wachstumszwang, wir gehen gleich bitte noch mal in die Sozialdebatte auch gerade. So dieses, wir müssen immer mehr wachsen, alle müssen immer mehr leisten, wir müssen immer mehr aus dem Planeten rausholen, wir können gar nicht anders, nur dann sind wir erfolgreich. Das ist ja inzwischen eine Geschichte, die fühlt sich nicht mehr befreiend an, sondern wirklich wie ein Tunnel, eher wie ein Wachstumszwang.

Ich hab mal überlegt, das ist so eine, das war ja so ein Versprechen. Wir generieren materielles Wachstum nach zwei Weltkriegen und in Ländern, wo die es noch brauchen, ist das natürlich direkt mit Wohlergehen und Wohlstandsindikatoren verschmolzen. Aber in den reicheren Ländern ist es wie so eine ungeglaubte Geschichte geworden, weil die Menschen ja spüren, also, die einen sind ökologisch aufgeklärt und sagen, du, also wenn wir weiter so wachsen wie jetzt, dann sind das vielleicht kurzfristig tolle Gewinne bei den Fossilen.

Aber das heißt natürlich, dass wir gesellschaftlich alle verlieren werden, weil die Kosten des Nichthandelns inzwischen so groß sind. Oder die, die sozial aufgeklärt sind und sehen, wie die Verteilung sich abspielt, sagen ja auch zu Recht, Mensch, also, von dem, was zugewachsen wird, kommt ein bisschen wenig bei denjenigen an, die vielleicht wirklich die Arbeit verrichten. Also die Basisarbeit insbesondere, Pflege, Logistik, all diese systemrelevanten Jobs. Während es an dem oberen Prozent eine gute Methode gefunden wurde, sehr viel von dem Wachstum für sich zu deklarieren.

Und als Letztes eben, wie kann man mit diesen ganzen unbezahlten Sachen umgehen? Bis hin zu den technologischen Dienstleistungen, digitalen Dienstleistungen, die ja offiziell kein Preisschild haben, aber natürlich unsere Daten als solche nehmen. Das heißt, die wirkliche qualitative Veränderung, einfach zu sagen, solange das Wachstum läuft, funktioniert es schon. Das ist doch inzwischen eine ziemlich ungeglaubte Geschichte. Also warum ist es dann weiter so schwer?

Achim Truger
Ja, und auch zurecht. Vielleicht erstmal nochmal zu dem positiven und was es ja schon gibt. Ich will jetzt doch sagen, wir haben als Sachverständigenrat ja auch was dazu gemacht. Jetzt muss ich, ich hab’s mitgebracht, ich glaube die Kamera ist hier, ob man das sehen kann?

Maja Göpel
Ganzheitliche Wohlfahrtsberichterstattung, die Entwicklung Deutschlands seit dem Mauerfall. Ein neues Indikatorensystem. Das Bruttoinlandsprodukt ist ja ein sogenannter Indikator.

Achim Truger
Da gab es vor mittlerweile 15 Jahren, sogar noch länger zurück, gab es ein großes Interesse auch der Politik. Damals Nicolas Sarkozy, französischer Präsident, hat das auf einem deutsch-französischen Gipfel, auf einem Ministerratstreffen ins Leben gerufen und dann wurde der deutsche Sachverständigenrat und sein französisches Counterpart wurden beauftragt, doch so ein ganzheitliches Indikatorensystem zu entwickeln. Hat auch Jean-Paul Fitoussi, ein französischer Ökonom und Joseph Stieglitz, Nobelpreisträger, haben eine Kommission geleitet.

Maja Göpel
Amartya Sen war auch dabei!

Achim Truger
Genau, die haben so ein System gemacht. Es gab eine Enquete zu Wachstum und Wohlstand im Bundestag. Du hattest mir im Vorgespräch noch was gesagt, ja genau, mit vielen Minderheitsvoten und Uneinigkeit und so, aber egal, das war ein richtiges Thema. Und ich finde eben spannend, und das ist jetzt auch wieder so, im Grunde genommen ein Feigenblatt, also einerseits sehr, sehr gut, weil wir da ganz viele Indikatoren drin haben. Also da ist auch das BIP pro Kopf drin. Da ist auch Produktivitätswachstum drin.

Das ist alles schön. Aber da ist auch sowas drin wie natürlich Nachhaltigkeit, auch ökologische Nachhaltigkeit. Auch finanzielle Nachhaltigkeit, also Finanzkrisen vermeiden und so. Verteilungsindikatoren sind da drin, also wie ist das BIP denn verteilt? Wie sind die Einkommen verteilt? Da ist auch drin sowas wie, wie geht es den Menschen? Also haben die Menschen jemanden, an den sie sich wenden können, wenn es ihnen schlecht geht? Da sind auch so Indikatoren drin, geschätzte vorzeitige Todesfälle vor der eigentlichen Lebenserwartung. Also sozusagen als Indikator dafür, dass es dem Menschen offenbar dann doch nicht so gut geht, wenn halt viele doch recht früh sterben, wenn die Lebenserwartung dann am Ende doch nicht so hoch ist. Also ganz, ganz viele Dinge. Und da könnte man eigentlich daran anknüpfen. Und das wäre richtig gut, das auch nach vorne zu bringen, in die Öffentlichkeit zu bringen. Aber so richtig passiert es nicht.

Und ich kann einmal vielleicht noch sagen oder zwei konkrete Dinge dazu: Als wir 2019 das gemacht haben, das war mein erstes Jahr im Sachverständigenrat, das ist im September erschienen. Und dann haben wir im November, also eigentlich keine sechs Wochen später oder vielleicht noch weniger Wochen, haben wir das Jahresgutachten vorgelegt. Und in diesem Jahresgutachten, da standen dann plötzlich Dinge drin, wie nämlich Vergleich Produktivität und Wachstum in den USA und Europa. Und da wurde dann implizit beispielsweise die USA, weil sie so ein hohes Pro-Kopf-Wachstum haben, als Idealfall als Beispiel hingestellt. Weil das auch ganz toll läuft, ja, weil eben das Pro-Kopf-Wachstum da hingestellt oder Pro-Kopf-Einkommen auch. Wobei gleichzeitig auch ein Indikator dafür war, dass die Amerikaner dafür halt, die sind gar nicht deutlich produktiver als wir, pro Kopf, sondern da wird einfach mehr gearbeitet. Und das ist ja wiederum ein Verlust an Freizeit und vielleicht auch an Lebensqualität. Und das heißt, man hätte sozusagen dieses implizite Beispiel gar nicht so hochhängen müssen, man hätte sagen können, okay, vielleicht machen wir das besser in Deutschland oder Europa, dass bei uns weniger geschuftet wird. Und dann hat man eben ein bisschen weniger, ich weiß es nicht, für vielleicht auch zweifelhafte Dienstleistungen. Aber das haben wir damals nicht gemacht. Da habe ich sogar im Minderheitsvotum darauf hingewiesen, dass das eigentlich komisch ist. Also mit anderen Worten, es bestimmt dann gar nicht das eigene Handeln. Man hat so ein Indikatoren-System. Und dann hat man das ja abgehakt und dann geht man sozusagen zum Tagesgeschäft.

Maja Göpel
Ja, und das ist ja eigentlich genau dieses, mit welchen Zahlen und Erzählungen messen wir, ob wir auf einem guten Weg sind oder nicht. Und das ist ja zunehmend bestürzend, wenn man jetzt immer noch sagt, das Bruttoinlandsprodukt in den USA, wo wir gerade komplett in ein faschistisches Regime kippen, ist irgendwie ein Benchmark. Und dann kann man sich ja auch fragen, also, wie soll eine Gesellschaft konfiguriert sein? Thema Lebenserwartung geht dort zurück, Thema die Menschen haben kaum Urlaub, Thema die Infrastruktur sieht da auch nicht besser aus als bei uns. Das heißt, die Frage ist ja wirklich, wofür wird wirtschaftliche Aktivität und auch das Geld eben eingesetzt und wie wollen wir uns vergleichen? Also welche Gestalt wird eigentlich gezeichnet von einer erfolgreichen Gesellschaft?

Und ich erinnere mich noch als dieser Bericht von der Sarkozy-Sen Fitoussi-Kommission kam, das hatte ja der französische Präsident in Auftrag gegeben. Und da sah Frankreich in den Performance-Indikatoren oder Linien ein bisschen besser aus als die USA. Und dann kam so ein total wütiges, ja ihr habt nur die Statistiken manipuliert, damit ihr besser ausseht. Das kann man ja behaupten, aber dann muss man sich doch auch fragen, hinter welchen Statistiken versteckt sich denn was? Weil es ja erstmal eine Binse, dass ich sehr viel Wachstum ankurbeln kann, wenn ich komplett die natürlichen Ressourcen im Weltmarkt verkaufe, wenn ich die Löhne reduziere und damit natürlich die Produktivität und den Profit anheizen kann. Also, das ist ja ganz viel von den Tätigkeiten, wo wir sagen würden, für Wohlstand und für langfristiges Wirtschaften nicht so gut, mit denen ich kurzfristig ein richtiges El Dorado freisetzen kann.

Achim Truger
Ja, ich meine, das versucht Trump jetzt auch gerade. Aber ich finde es auch ganz gut, dass du es nochmal angesprochen hast mit dem Faschismus. Das ist ja mittlerweile, glaube ich, zumindets bei denjenigen, die sich in der Politikwissenschaft damit auskennen, akzeptiert, dass man das Regime so nennen muss, was dort jetzt Trump errichtet hat. Und wir haben übrigens auch demokratische Teilhabe, Partizipationsmöglichkeiten.

Maja Göpel
Ja, Beispiel.

Achim Truger
Haben wir auch als Indikator damit drin gehabt. Und das sieht natürlich übel aus. Und ich glaube eigentlich und ich hoffe auch, dass sozusagen dieses Vorbild USA auf lange Zeit sehr beschädigt sein wird durch das, was da jetzt passiert. Alles andere wäre ja auch wirklich traurig, wenn es so wäre. Aber vielleicht nochmal zurück. Das eine war jetzt dieses Indikatorensystem und dann hat es uns im Gutachten kaum gekümmert.

Es hat unter Robert Habeck noch als Wirtschaftsminister, der hat da Wohlstandsindikatoren gemacht und wir hatten geplant, dass wir da eigentlich mit dem Ministerium auch mal erst auf Arbeitsebene und dann vielleicht auch einen gemeinsamen Bericht oder in der Konferenz was machen wollten. Aber dann kam die Energiekrise und dann war natürlich ganz viel anderes gerade furchtbar dringend und dann ist das wieder eingeschlafen.

Das gilt aber auch für unsere Herangehensweise. Also natürlich ist es so, man hätte ja Fragen stellen können, als jetzt Corona kam, als die Energiekrise kam und könnte auch grundsätzlich die Frage stellen, wie gewichten wir eigentlich unsere Ziele, die wir haben? Also wenn die Beschäftigung eigentlich gut läuft, ist das dann nicht schon schön? Und wenn wir die Einkommensvorteile nochmal angucken, dieses Indikatoren-System einfach ernst nehmen.

Aber es war tatsächlich so, dass wir sozusagen dann nochmal einen totalen Rückfall hatten in meiner Wahrnehmung. Ich habe das ja mitgetragen. Wir haben es diskutiert, aber ich habe es mitgetragen. Und es war im Grunde genommen so, es kam Corona, dann waren die Lieferketten gestört, dann kam die Energiekrise, dann kam man an verschiedene Sachen nicht mehr ran. Und dann war das wirklich so, diese Wachstumsmaschine, wo man diese Inputs für braucht. Also die ganzen Rohstoffe, die Energie und so weiter. Das musste unbedingt, und die Arbeitskräfte werden knapp, so, das musste unbedingt her, und dieses Rad musste sich weiter drehen. Und dann hat man überall gesucht, ja okay, Rohstoffe, wir machen Freihandelsabkommen, Resilienz, wir müssen alles Mögliche gucken. Aber das war wirklich so ein richtig so ein Tunnelblick, in den man da geraten ist.

Maja Göpel
Also zurück zur Normalität und die Normalität ist gleich, dass das da …

Achim Truger
Aus meiner Sicht ist auch so die Erklärung, warum, oder was heißt Erklärung, aber ein Faktor, der dazu beiträgt, dass solche progressiven, ja, horizonterweiternden Debatten am Ende abgewürgt werden, das sind immer Wirtschaftskrisen. Weil in der Krise ist es halt so, da haben die Menschen Angst. Es wird ihnen auch zum Teil Angst gemacht, gerade heute erleben wir das wieder sehr stark. Und da hat man Angst um den Arbeitsplatzverlust. Man hat Angst, dass man sich bestimmte Dinge, die einem doch wichtig waren, nicht mehr leisten kann.

Und dann klingt das plötzlich wie so eine Luxusdebatte, Wohlstand. Jetzt geht es ums Überleben. Und das ist das, was dann auch immer ausgenutzt wird. Und ich glaube sogar, dass es da durchaus bei einigen in den Eliten auch Bestrebungen gibt, dass man genau solche Krisen auch nutzt, damit einem die Leute nicht zu sehr aus der Reihe tanzen und man sein eigenes altes Modell, das einen ja sehr reich gemacht hat und weiter reich erhält, auch weiter betreiben kann.

Maja Göpel
Ich glaube, was ja total wichtig ist in dieser ganzen Wachstum-Ja-Nein-Debatte, die ist ja so festgekeilt, weil sie immer eigentlich sagt, wollen wir jetzt mehr Wachstum oder wollen die anderen, die Gegenseite weniger Wachstum, dann kommt da so Schrumpfung, Thema, welche Geschichten erzählen wir. Ist Schrumpfen natürlich ein total negatives Framing.

Und ich finde, eigentlich waren wir relativ weit in der Zeit zu sagen, nee, lass uns doch mal agnostisch, also lass uns doch mal sagen, das Wachstum ist eben ein Mittel zum Zweck und wir fokussieren uns drauf, wie wir wirtschaftliche Dynamik und Stabilität organisieren können und da die Dinge rauskommen, von denen wir sagen, das ist die Versorgungsbasis.

Und das wäre eben diese Wohlstandsorientierung, dass man wirklich misst, schaffen wir die Dekarbonisierung, schaffen wir das, die erneuerbaren Energiesysteme aufzubauen, schaffen wir das, ein Ernährungssystem so zu gestalten, dass der Zugang zu guter Nahrung für alle funktioniert. Schaffen wir das, einem Bildungssystem weiterhin den Zugang zu erreichen. Also dann ist es ja auch viel lebensweltlicher, und dann verstehen wir dieses Wirtschaften als ein Mittel zum Zweck ja auch viel besser.

Und das ist so zurückgerutscht und ich würde gerne noch mal kurz, weil das jetzt so dominant wurde, diese Sozialkürzungsdebatte reinnehmen, weil das ist ja sehr, ich sag mal unterkomplexe Perspektive auf das, was es gerade braucht. Es wird ja, so gesagt, die Wirtschaft lahmt. Und dann müssen wir die Ausgaben irgendwie reduzieren. Das sind aber Haushaltsausgaben. Wieso muss ich die reduzieren? Weil eigentlich, was ich ja brauche, damit eine Wirtschaft anspringt, sind Konsum-Ausgaben. Das heißt, wenn ich den Menschen weniger in ihre Tasche gebe, können die auch weniger kaufen.

Und gleichzeitig kann ich natürlich nicht wegbrechende Exportmärkte, wie China und USA nun mal gerade sind, dann im Grunde genommen damit kompensieren, dass ich jetzt auch noch sage, ich streiche das Geld für die Menschen im Inland. Da gibt’s ja immer so ein Zusammenspiel zwischen Lohnsteigerungen, die positiv sich auswirken können, weil dann die sogenannte Binnennachfrage, was Menschen, die näher am Standort leben, auch kaufen können. Weil dann kann ich bessere Löhne bezahlen, weil die Kaufkraft steigt ja auch. Dann hab ich eine andere Idee über Absatz.

Aber erstens ist die Idee, wir reduzieren die Kaufkraft und machen’s noch prekärer für Menschen. Was sollen die denn machen? Will ich sie damit zum Arbeiten zwingen? Was ist das Ziel dahinter? Weil die Haushaltsausgaben jetzt um 5 Milliarden zu reduzieren bei 172 Milliarden, die ich suche, und damit bei allen Panik auslösen und die Nachfrage weiter drosseln. Da wird ja so ein bisschen ein ganz komischer Zusammenhang konstruiert, sodass die gesamte Gesellschaft darunter leiden wird, wenn jetzt nicht die einigen wenigen den Gürtel enger schnallen.

Und letzter Punkt, aber Steuererhöhungen, also mehr Abgaben bei denen, die einfach viel zu viel haben kommen zur Haushaltskonsolidierung überhaupt nicht in Frage. spricht so gegen jede Idee, ich bin ja auch Sozialwissenschaftlerin, von fairen Abkommen, wo Menschen Wille sind, wenn wir ein gemeinsames Problem haben, dann müssen wir doch gemeinsam das Problem lösen. Und nicht einige Schuldgruppen identifizieren, die dann irgendwo verantwortlich gemacht werden.

Achim Truger
Ja, in der Tat, es ist nicht nur unfair, das ist auch ökonomisch nicht vernünftig. Aber da wird eben die Krise genutzt, um sozusagen die Vorstellung vom geschrumpften Sozialstaat umsetzen zu können. Und man sieht das jetzt richtig, wie Kampagnen gestartet werden. Also, da werden dann Nachrichten aufgebauscht, wie jetzt die drei Millionen Arbeitslosen.

Die Zahl ist natürlich schlimm. Aber jeder, der sich ein bisschen beschäftigt hat, wusste, dass das kommen würde. Und ehrlich gesagt, ist nach fünf Jahren Krise diese Zahl immer noch vergleichsweise niedrig. Also eigentlich läuft der Arbeitsmarkt noch gar nicht so schlecht. Aber jetzt wird dann diese Signalzahl drei Millionen genommen und damit wird den Menschen Angst gemacht, oh, ihr könnt den Job verlieren und ihr könnt euch ganz, ganz viel nicht mehr leisten. Und sozusagen in dieser Ängstigungssituation ist dann die Hoffnung, dass man dann zustimmt und sagt, okay, ich stehe mit dem Rücken zur Wand, dann muss jetzt halt beim Sozialstaat gekürzt werden.

Aber das ist nichts, was irgendwie die Wirtschaft ankurbeln würde, sondern eher im Gegenteil. Und gerade in so einer Situation, wo die Konjunktur so wie jetzt auf der Kippe steht und eigentlich sich Erholungsanzeichen zeigen, ist natürlich Gift, wenn ich so eine super Verunsicherungsdebatte anzettele, weil die Menschen dann garantiert nicht das Geld ausgeben, sondern eher sparen, nur ja nicht unvorweitig getroffen zu werden.

Maja Göpel
Und ich meine, wir haben ja schon dieses, warum redet sich Deutschland so mies und schlecht? Also das macht ja auch blöde Laune. Und du hast auch davon gesprochen, diese Hiobsbotschaften, wir haben ja eine psychologische Komponente auch immer, haben wir das Gefühl, wir sind auf einem guten Weg. Dann sind wir auch risikofreudiger oder stolz auf das, was wir machen und sind bereit, da mehr reinzugehen. Ich fand das total interessant.

Ich habe mir Narrative Economics nochmal angeschaut, also die Narrative Ökonomie. Das ist ein Buch von Robert Shiller, der ja auch Nobelpreisträger ist, der genau diese Zusammenhänge zwischen der Art, wie wir die Realität aktuell beschreiben, dann eben einen Einfluss auf die Erwartung der Menschen hat, aber auch dieses, wie gut oder schlecht sie eine aktuelle Situation finden.

Also erstmal sind wir in Deutschland immer noch wirklich sehr gut versorgt. Aber man kann natürlich die ganze Zeit alles schlecht machen, was da ist und sich dann auch immer schlechter fühlen. Und er hat in diesem Buch, den Crash 1929, fünf Zutaten beschrieben. Ich dachte, upsi, da müssen wir gleich mal richtig in den positiven Spin reingehen. Wie können wir da denn kontern?

Das erste war eben diese Situation nach dem ersten Weltkrieg. Also, so eine existenzielle Unsicherheit, kann ich da weitermachen wie bisher? Das hatten wir natürlich mit Corona-Lockdowns, du warst völlig ausgeliefert. Konntest du irgendwie deiner Tätigkeit noch nachgehen oder nicht? Und jetzt natürlich mit der Energiekrise, aber eben auch dem Krieg an der Haustür wieder. Dann gab es die spanische Grippe mit 50 Millionen Toten. Da haben wir natürlich die Corona-Pandemie, also Todesangst, existenzielle Unsicherheit, Todesangst. Aber ich merke das auch bei Menschen, die den Klimawandel verstanden haben, dass wirklich diese Angst vor der klimatischen Veränderung und was das bedeutet und was das für Menschenleben bedeutet, das ist ja nicht fabuliert, sondern das ist real.

Als nächstes dann eben ein anderes Regime als Gefahr, in dem Moment der Kommunismus. Und jetzt haben wir natürlich den Autoritarismus und die rechte Agenda, die Angst vor Revolution, hat er das genannt. Als nächstes dann eben Anstieg Ölpreise, Ressourcenengpässe. Und ich finde das interessant. Also die Angst vor steigenden Preisen ist ja Inflation als Treiber von Unruhen und politischen, ja, oder Kritik ist ja total gut dokumentiert.

Und jetzt fände ich es wichtig, aber auch zu überlegen, es geht ja nicht nur darum, die Energiepreise zu senken und damit irgendwie die Fossilien wieder reinzunehmen, sondern was ja viel wichtiger bräuchten, wäre dieser Jump in erneuerbare Energien, wo die Versorgung gewährleistet ist. Und da haben wir eher das Problem auch, dass China mit den seltenen Erden oder anderen Komponenten, die wir für die Erneuerbaren bräuchten, jetzt ein Engpass werden. Aber das haben wir auch mit den Angst vor steigenden Preisen.

Und als nächstes eben die Story, dass es wieder billiger werden wird. Also dieses Vorkriegsniveau, dass das so, ja, Aufschieben von Käufen gewesen ist. Dass man denkt, jetzt mache ich lieber nichts, weil es wird ja wieder anders. Und all das wird ja ein Stück weit befeuert von der Art und Weise, wie wir heute über die Gesamtsituation sprechen. Wo ich dachte, ho, da haben wir alle fünf Punkte gerade mit dabei.

Und die Ironie ist dann vielleicht, dass die USA eine Ausnahme sind, weil Trump durch eine Ankündigung von den Zöllen die ganzen Käufe vorgezogen hat. Alle hatten Angst vor den Preis-Teuerungen. Deshalb haben sie ganz viel schon mal eben an Gütern importiert und auf Halde gelegt. Das heißt, da ist das wahrscheinlich so bisschen aufgehoben. Also: Was machen wir jetzt? Weil diese Hiobs-Botschaften-Kombination, das ist mit Sicherheit ja keine gute Erzählung, Menschen zu motivieren, mal so richtig sich einzusetzen, dass wir hier den Laden wieder nach vorne kriegen.

Achim Truger
Genau, ich glaube auch jetzt, ich habe das Buch, ehrlich gesagt, nicht gelesen und mit den historischen Parallelen ist es so eine Sache, weiß man nicht. Also jetzt brauchen wir nicht in Düsternis und Superkatastrophe abgleiten.

Maja Göpel
Ja, es geht ja erstmal darum, wir erzählen wir. Also wo tun wir die Aufmerksamkeit drauf?

Achim Truger
Also, man könnte, wenn man wollte, viele Dinge natürlich auch viel positiver erzählen. Und ich will vielleicht mal mit einem Beispiel beginnen, wobei mir klar ist, dass man das sozusagen auch gerade von rechts jetzt wieder super verhetzen kann. Aber wenn, klar, ich hätte nie gedacht, dass ich die Krisen, die jetzt gekommen sind, dass ich sowas überhaupt mal erleben würde. Also, diese Corona-Pandemie ist ja unglaublich, und die hängt uns auch allen noch nach, das haben wir noch nicht richtig verkraftet, glaube ich.

Aber Tatsache ist doch, es gab natürlich noch viele Probleme und es ist auch längst nicht alles optimal gemacht worden. Aber diese Gesellschaft hat das hinbekommen. Also da wurden tatsächlich auch ökonomisch, da wurden bestimmte Bereiche eingefroren quasi und über Wasser gehalten und dann schrittweise wieder zum Leben erweckt. So, das konnte man.

Bei der Energiekrise hat man gesehen, auch da wieder, da kann man über die Details jetzt streiten und auch da ist nicht alles gut gelaufen und hat auch Probleme offenbart, aber da kam da so ein Riesen-Energieschock, aber es ist eben nicht das Gas am Ende ausgegangen und es wurde ganz viel gemacht, um das abzufedern und die sozialen Konsequenzen und die auch ökonomischen Konsequenzen in den Griff zu bekommen.

So, und wenn man sich jetzt mal überlegt, was das eigentlich heißt, das heißt doch, dass wenn sich alle einigermaßen einig sind, und das ist in diesen Großkrisen der Fall, dann ist diese Gesellschaft zu unglaublichen Steuerungsleistungen fähig. Und wenn die in kurzer Zeit so viele Sachen hinbekommen kann, also der Impfstoff ist so eine Sache. Man brauchte ihn und schwups, relativ schnell war er da. Also wenn man sieht, was für Kapazitäten es da eigentlich gibt. Man müsste halt nur…

Maja Göpel
Keynes hat ja mal gesagt, was eine Gesellschaft erreichen möchte, kann sie auch bezahlen.

Achim Truger
Genau, das ist sozusagen jetzt das Ökonomische. Aber das hat er übrigens, interessanterweise ein neues Medium im Radio, das ist gar nicht so bekannt, aber da hat er eine wunderbare Einlassung gegeben über die öffentlichen Finanzen, eben dieses Problem wurde gesagt, alles, was wir tatsächlich erreichen und tun, also was materiell dann da ist, das können wir auch uns leisten.

Es ist ja dann da und es kann uns keiner mehr wegnehmen. Also wenn wir da jetzt irgendwie…der hat auch von Naherholungsgebieten gesprochen, ich weiß nicht was alles. Wenn wir ein tolles Zentrum in der Stadt neu errichten, also Wiederaufbau nach dem Krieg. Also, ganz, ganz tolle Geschichten eigentlich. Und das hat alles funktioniert.

Übrigens auch damals haben haben die Menschen sich große Gedanken gemacht darüber. Das war 1942. Vieles war zerstört. Der Krieg war noch überhaupt nicht vorüber. Und es gab unglaubliche Opfer. Und der Mann stellt sich hin und sagt, alles was wir wirklich hinbekommen wollen, können wir hinkriegen. Wir müssen uns Zeit geben, und wir müssen es mit einem langfristigen Plan machen. Und das ist der Punkt. Wenn jetzt wir tatsächlich uns einig sind, das ist noch das kleine Problem noch, dass wir das mit dem Klimaschutz wirklich ernst meinen…

Maja Göpel
So uneinig sind wir uns da gar nicht. Also da muss man auch aufpassen, wie die Debatte im Moment angegriffen wird.

Achim Truger
Das stimmt. Naja, okay. Aber manche, glaube ich, wenn man sie ließe, es doch ganz ordentlich untertreiben oder tun es auch. Aber, sagen wir so, das sind Steuerungsleistungen, und da hat man ja doch noch einige Jahre, um was hinzubekommen. Wenn man sich also jetzt darüber einig ist, dann kann man schrittweise nach einem vernünftigen Plan das alles abarbeiten.

Und natürlich kann ich jetzt sagen, so um Gottes Willen, die ganze Wärmedämmung und ich muss die ganzen Heizungen umstellen und so, wie fürchterlich. Aber ich meine, das ist echt keine Rocket Science, über viele Jahre schrittweise den Häuserbestand zu sanieren und die Heizungssysteme vernünftig zu machen. Das geht, das funktioniert. Man kann das.

Maja Göpel
Ja, wenn du deinen Anteil siehst im Neuschaffen. Also, wir machen alle an unseren Häusern Teil der Energieversorgung oder eine andere Form von Heizung. Dann ist im System möglich, von den Fossilen zu entkoppeln und sicherer zu machen. Aber das wurde ja nicht so erzählt. Also deshalb ist es ja so relevant, es war wieder nur der Kostenfaktor, es war die Zumutung.

Dabei war ja der Punkt: Wechsel deine Heizung aus, wenn sie kaputt ist. Und dann kriegst du noch die Hälfte vom Staat dazu, dass du eben einen Technologiesprung machst. Das heißt, wir müssen ja wirklich aufpassen, wie über die Dinge gesprochen wird, und dass wir einen Punkt, neben dem, was soll entstehen, Keynes war ja dein Beispiel, ne? Der hat ja nicht nur gesagt, wir steigern jetzt das Wachstum, ganz abstrakt, sondern er hat gesagt, das wird in der Gesellschaft vorhanden sein.

Und das ist ja genau diese Rückkopplung daran, real zu beschreiben, was wollen wir denn,das entsteht? Wie sollen die Innenstädte aussehen? Wie soll denn im Grunde genommen auch Bauern wieder ermöglicht werden, eine gute Lebensmittelversorgung anzubieten? Wie schaffen wir das jetzt eben, die Infrastruktur zu sanieren? All das wäre ja eine konkrete Erdung, so wie es damals geschehen ist, anstatt nur auf dieser abstrakten Thematik rumzureiten.

Und das Zweite ist ja dieses, es brauchen ein bisschen. Und immer diesen Sofortismus, dieses so, jetzt habt ihr doch ein Infrastrukturpaket geschnürt und die Schuldenbremse aufgemacht. Warum springt das Wachstum nicht von Tag zwei an in die Höhe? Also weil Menschen ja dazwischen noch was tun müssen. Geld arbeitet nicht, das müssen Personen tun. Das ist ja auch in der Debatte ganz verrückt.

Achim Truger
Vielleicht die Klammer aufmachen nochmal, das ist ja wirklich so ein Ding. Da regen sich ja manche darüber auf, dass die Wirtschaftswende ja gar nicht in Gang kommt und die Maßnahmen der Regierung wirken nicht. Die Maßnahmen der Regierung sind gerade auf dem Weg, im Haushalt endgültig beschlossen zu werden. Und noch gar nicht endgültig beschlossene Maßnahmen kann man nicht umsetzen und dafür kann man auch kein Geld ausgeben und Geld, das man nicht ausgibt, kann auch nicht wirken. Und das weiß eigentlich jeder.

Und wenn dann von bestimmten, sagen wir mal, wenn insbesondere Springerpresse, da irgendwelche Sachen in die Welt gesetzt werden, dann ist halt völlig klar, dass das einfach nur verunsichern soll und letztlich die Leute aufhetzen soll. Aber dass das Material keine Grundlage hat, weiß jeder.

Maja Göpel
Wie schaffen wir das anders zu reden? Wer kann da voranlaufen, was brauchen wir.

Achim Truger
Ich habe mal ausgehend von dieser Keynes-Analyse damals, von dieser Rede, ja 42 im Radio gehalten hat, oder das Radio-Interview, habe ich mal, war ich sehr stolz drauf, in Duisburg, wo ich ja meine Professur habe. Übrigens eine tolle Stadt, die in vielerlei Hinsicht sehr unterschätzt wird und wo es sich wirklich lohnt, mal hinzufahren. Durfte ich zum Tag der Deutschen Einheit, die Festrede halten. Damals im Lehmbruck Museum. Da ich gesagt, wie kann man denn jetzt die Transformation, war damals noch das Problem, das war noch vor der Energiekrise, aber wie kann man die Transformation erledigen?

Das kann man planvoll, gemeinsam und schrittweise. Das sind die drei Sachen. Und das gemeinsam habe ich jetzt sozusagen, das ist mein Zusatz gewesen. Das kann man jetzt bei Keynes da so nicht rauslesen, aber das planvoll ist klar. Man braucht den großen Plan. Wo soll es hingehen? Und das kann sehr schön sein, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie toll eine Innenstadt aussehen kann.

Maja Göpel
Und was sagst du, wenn jetzt jemand kommt, ja, der will wieder die Planwirtschaft haben?

Achim Truger
Ja, das bin ich in einem Zeit-Interview mit konfrontiert worden, als ich gesagt habe, wir brauchen einen Plan. Und dann habe ich gesagt, wollen Sie Planwirtschaft? Ich habe gesagt, wollen Sie planlos agieren? Also, das ist ja absurd. Ich meine, das ist ja sowieso blöd, was der Staat tut, ist am Ende falsch. Wenn er sozusagen jetzt keinen Plan hat, dann ist er planlos. Und wenn er wirklich einen Plan hat, dann ist es Planwirtschaft.

Maja Göpel
Aber der Mechanismus ist super, den du angewandt hast. Das ist ja der Umkehrschluss. Das ist ja bei vielen von diesen Anfeindungen ganz gut. Wollen Sie jetzt ein Gutmensch sein? Ich find’s besser als Schlechtmensch, ehrlich gesagt. Das kann man an vielen Punkten mal machen, den Umkehrschluss.

Achim Truger
Okay, das stimmt. Also von daher, ich glaube, das ist klar, man muss da einen Plan haben. So, und dann ist es auch klar, man kann nicht von heute auf morgen, das war der Sofortismus, von dem du gesprochen hast, man kann das nicht sofort, morgen ist alles klimaneutral oder so, das funktioniert nicht. Oder morgen erreichen wir andere Ziele, die wichtig sind, wie Resilienz oder sowas. Aber man kann das schrittweise machen. Und dann wird das auch verkraftbar.

Ich weiß jetzt auch, dass das ein heikles Thema sein kann, weil da viele Menschen auch schlechte Erfahrungen zum Teil gemacht haben. Aber wenn man sich mal anschaut, was wir für einen Strukturwandel gehabt haben, sagen wir mal seit den 50er Jahren bis heute, da gab es noch einen großen Agrarsektor. Die Industrie wuchs, nahm noch an Bedeutung zu. Der Dienstleistungssektor war noch gar nicht so groß. Und dann gibt es da einen riesigen Strukturwandel.

Und ja, es gab auch zwischenzeitlich für viele Menschen auch mal Probleme, die ich nicht kleinreden möchte, wie hat sich der Alltag gewandelt? Allein in letzten 10, 15 Jahren. Was ist an Veränderung gekommen, die ist schrittweise gekommen und manche der Veränderungen, die fallen erst richtig auf, wenn man sich nochmal überlegt, wie sah eigentlich der Alltag vor 20 Jahren aus? Also komisch, iPhone und so, das gab es noch gar nicht, das war doch alles anders. Und deshalb glaube ich, wenn das schrittweise passiert, ist das genau der Weg zum Ziel.

Maja Göpel
Und das Positive bilanzieren. Also, was gewinnen wir hinzu.

Achim Truger
Genau, ist dann aber eine Kommunikationssache, bei der du dich auskennst und was enorm wichtig ist. Aber es ist eben auch wichtig, wenn man das schrittweise macht, es hat zwei Aspekte. Das eine ist, wenn man merkt, das geht schief, da funktioniert was nicht. Wenn man das schrittweise macht, kann man es noch korrigieren. Dann geht man ein Stück in eine andere Richtung. Und das zweite ist, wenn man kleine Schritte geht und die sind erfolgreich, dann wächst ja auch das Bewusstsein, das tut ja gar nicht weh. Das ist sogar eine positive Erfahrung, also dass ich jetzt nicht mehr, ich weiß nicht, mit meinem Raketen-Porsche morgens zur Arbeit fahre. Aber, dass das zum Beispiel sehr schön sein kann, wenn man durch eine autofreie Innenstadt läuft oder sowas.

Maja Göpel
Ja, gibt’s ja Studien.

Achim Truger
Wenn der ÖPNV funktioniert, das ist ja alles ganz positiv, das weiß man ja auch. So wenn man dann sieht, okay, meine Umwelt, meine Lebenswelt, hier alltäglich, wandelt sich wirklich zum besseren. Und wenn ich das schrittweise sehe, kann das auch wunderbar sein. Das ist dann auch etwas, was, glaube ich, automatisch, wenn man sieht, es funktioniert, es tut nicht weh, ist vielleicht sogar gut, das mobilisiert dann gleichzeitig auch den notwendigen Konsens, die weiteren Schritte auch zu gehen.

Maja Göpel
Da sind ja mehrere Punkte wichtig. Das eine ist tatsächlich die Veränderungsbereitschaft. Das wissen wir aus der Resilienzforschung, ist der Schlüssel dazu, wie wir mit Krisen klarkommen. Also verstehen wir die Krise gut, haben wir Handlungsoptionen auf dem Tisch und sind wir bereit, Verhalten zu verändern.

Und dann wissen wir in sozialen Gefügen, dass immer die anderen total wichtig sind. Also, ich bin bereit, 70 Prozent der Leute sagen, dass viel mehr zu machen, wenn ich weiß, dass die anderen mitmachen. Was ja irgendwie logisch ist, weil ich meinen kleinen Beitrag gerne leiste, wenn ich weiß, viele kleine Beiträge in Summe führen dann tatsächlich zu den Erfolgen. Oder eben dieses ja, warum soll ich mich ändern oder ein kleiner Teil der Bevölkerung ändern? Das ist Fairness-Moment.

Aber ein paar checken aus, kaufen sich frei. Das ist ja die Debatte auch beim reinen Teuermachen, Bepreisung eben von Dingen, die wir rauslassen wollen. Und dann eben zu gucken, wie verändert es sich, also positiv und da auch wirklich zu zeigen, wir haben so und so viele Flächen aufgebaut. Wir haben, meine Mutter hat das mal gesagt unter Corona, warum machen wir immer nur Bodycount? Also die Gestorbenen, warum machen wir nicht Bettencount, Beatmungscount, Versorgungscount, also zeigen, was eigentlich gemacht ist, tatsächlich eben Versorgungssicherheit wieder hinzubekommen.

Und deshalb würde ich gerne mit dir nochmal überlegen, was sind denn so Instrumente, wo du sagst, da sollten wir jetzt mal dran und wirklich aufpassen, dass die uns nicht wieder von der Agenda rutschen, weil die einen Drehmoment eigentlich erlauben, dass man die Veränderung positiver sieht, vielleicht auch anders nennen muss und dafür sorgt, dass viele mitmachen.

Achim Truger
Erlaubst du mir ganz kurz noch, weil du hast ja Fairness gesagt. Dass ich das nochmal fertig mache, das Argument. Weil das ist schrittweise, planvoll und gemeinsam. Und das ist ja, glaube ich, auch der Fehler bei vielen Sachen, war auch, abgesehen davon, dass es verhetzt wurde und geleakt wurde und so beim Heizungsgesetz, beim sogenannten, der Fehler.

Die soziale Komponente, die war nicht von Anfang an mitgedacht und die stand dann noch nicht drin. Und deswegen war es eben auch verhetzbar. Und das ist der Punkt. Man muss dafür sorgen, dass es im Erleben der Menschen gerecht zugeht, was man da tut. Und das heißt, da dürfen jetzt nicht die Menschen auf der Strecke bleiben. Und das ist sozusagen, betrifft die Einkommensverteilung, betrifft die Versorgung, betrifft übrigens auch die regionale Verteilung.

Und das ist eben auch eine Aufgabe, die planvoll mitgedacht werden muss. Und wenn man das alles hinbekommt und schrittweise angeht und sich dann auch entwickeln lässt, dann meine ich, dass das wirklich funktioniert.

Maja Göpel
Steuer, du bist auch Steuerexperte. Ein so ein Riesending, wo wir irgendwie nicht vorwärts kommen, ist, lass uns mal die Steuerbasis von Arbeit auf Ressourcen schieben. Also Pigou-Steuer. Vielleicht kannst du noch mal kurz erklären, was das ist, weil das ja eigentlich so eine Gerechtigkeitssteuer sein könnte.

Achim Truger
Ja, der Grundansatz ist, Preise sollen die ökologische Wahrheit sagen. Und Pigou hat halt gesagt, wenn es externe Effekte gibt, wenn wirtschaftliche Aktivität, neben dem, was man wirtschaftlich misst in Preisen und Einkommen, wenn die Schäden verursacht bei anderen Menschen, zum Beispiel Umweltschäden, Klimaschäden, dann ist das Problem, dass die eben preislich und damit auch über den Markt nicht abgebildet werden.

Und was der Staat tun kann, ist, er kann dann halt im Umfang der Schädigung, da eintritt, der Kosten, die entstehen, eine Steuer erheben und damit die Aktivität verteuern. Das haben wir mit Ökosteuer, das haben wir mit dem nationalen Klimapreis und das wird jetzt auch mit dem europäischen Klimapreis oder Zertifikatehandel versucht werden ab 2027.

Das heißt, diese Dinge passieren ja. Genau und das ist etwas, was, glaube ich, ein wesentliches Instrument ist und mindestens ein sehr unterstütztes Instrument ist, um den Klimawandel zu bekämpfen. Ob es jetzt per se gerecht ist, ist wieder eine andere Frage, weil gerade wenn man dann fossile Energie besteuert oder teurer macht, das ist etwas, was üblicherweise eher untere und mittlere Einkommen stärker betrifft als hohe Einkommen, also relativ zum Einkommen.

Deshalb braucht man in irgendeiner Form eine Kompensation, und da gäbe es halt die Möglichkeit, Klimageld zu machen, vielleicht auch sogar ein sozial gestaffeltes, dass man das Aufkommen zum Teil verwendet, es wieder zurückzugeben und damit denen, die besonders unten betroffen sind, dass es denen vielleicht sogar besser geht. Das ist eine Möglichkeit.

Maja Göpel
Also mehr im Haushaltbudget.

Achim Truger
Genau. Und die andere Möglichkeit, und da wäre ich eigentlich mittlerweile fast stärker für, ist die, dass die öffentlichen Güter und Dienste, also in dem Fall jetzt öffentlicher Personennahverkehr beispielsweise, Energieversorgung und so weiter, so umgestellt werden, dass ein Wechseln weg von der schädlichen Tätigkeit überhaupt möglich wird. Und ja, das kann halt Fahrrad sein, das kann aber eben wirklich ein massiv ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr sein. Und das sind, glaube ich, Dinge, wenn der wieder gut funktionieren würde, wenn das besser würde, ist das etwas, unmittelbar die Menschen bemerken und gut finden und was Unterstützung auch bringt.

Maja Göpel
Und da gibt es ja auch die Vorurteile, wollen die alle das Auto abschaffen? Nein. Also Mobilitätswende geht ja von modularen Formen und auf dem Land wird man was anderes brauchen als in den Städten.

Achim Truger
Genau, es wird am Ende eine Mischung sein.

Maja Göpel
Also diese vielen Vorurteile, dass wir den Umsatz von den Geschäften oder den Gastronomen reduzieren, wenn die Leute dann mit dem Auto nicht vorfahren können, das kann alles empirisch nicht bestätigt werden. Warum sind wir denn so gut da drin? Es ist ja in vielen Bereichen, auch das Rauchen, dass man das nicht mehr in Gaststätten durfte, Tempolimit, etc. Also wahnsinniges Echauffieren darüber, wenn man sagt, wir lassen was. Und wenn es dann da ist, gewöhnt man sich daran und findet es vielleicht sogar positiv. Also viele sind ja heute, glaube ich, ganz froh, dass man nicht ständig von Kippenqualm umgangen ist, wenn man was Leckeres zu sich nimmt.

Achim Truger
Ja, das stimmt. Ja, also ich meine, dafür bin ich jetzt ja kein Spezialist, dafür müsste ich jetzt Sozialpsychologe oder so sein oder die Verhaltensökonomik, die übrigens ja ein Fortschritt ist gegenüber den einfachen Modellen, wo wir ganz eingangs darüber gesprochen haben, die hat den Effekt ja mit zumindest ins Bewusstsein der Ökonomen gebracht. Und das ist einfach, dass man an dem festhält, was schon da ist. Es gibt eine Verlustaversion. Man hat Angst, dass man was verliert. Und wenn ich eigentlich im selben Wert etwas bekomme, dann gewichte ich diesen Nutzenzuwachs dann geringer, als wenn ich im selben Umfang was weggenommen bekomme.

Maja Göpel
Und damit hast du ja genau beschrieben, warum das Wachstumsparadigma so stark ist. Weil wir dann immer was dazu bekommen können, dazu bekommen und vermeintlich nichts abgeben müssen. Und wir müssen auch nicht über Verteilung reden, sondern der Kuchen wird immer größer. Muss ich mich nicht so aufregen darüber, wenn das Stück von jemand anderem gerade sehr groß ist, weil meins kann ja auch noch anwachsen entsprechend.

Also wenn ich das so mitnehme von den Punkten. Also, das Steuern steuern, das heißt, lasst uns gucken, welche Art von Wachstum entsteht, was kann in der Gesellschaft real leichter gemacht werden. Ich habe mal drüber überlegt, warum wir eigentlich mit einer Mehrwertsteuer agieren. So diese Sache Mehrwert wird ja durch Arbeiten eigentlich erst geschaffen. Warum ist das ein Besteuerungsgrund, lass uns eine Minderwertsteuer einführen und ressourcenintensive Tätigkeiten, oder eben warum sind jetzt pflanzliche Lebensmittel immer noch mit einem höheren Steuersatz als die subventionierten tierischen?

Also da hast du ja ganz viele Lenkungswirkungen, die dann das Qualitative hinter dem Wachstum beeinflussen. Du musst ja gar nicht sagen, das BIP muss hoch und runter. Du musst ja nur überlegen, wie schaffen wir das, dass bei ähnlichen Ausgaben und Verkaufszahlen was ganz anderes entstehen darf, was nachhaltiger ist und die Versorgung eben hinbekommt.

Achim Truger
Wobei jetzt, also kleine…

Maja Göpel
Du magst die Minderwertsteuer nicht!

Achim Truger
Nee, ja, das ist toller Begriff, auf jeden Fall. Also wahrscheinlich viel besser als Ökosteuer oder sonst irgendwas, Minderwertsteuer ist klasse. Aber die Aufkommenserzielung, man möchte ja schon Geld reinholen für den Staat, die wird natürlich in dem Umfang eingeschränkt, wie die Lenkung eintritt. Und ich habe selber mal vor 30…

Maja Göpel
Warum?

Achim Truger
Naja, wenn ich die Steuer habe, die ist ja praktisch Steuersatz mal Menge. Wenn die Menge jetzt zurückgeht, weil das Minderwertige zurückgedrängt wird, dann sinkt das Aufkommen. Und ich meine, ich kann natürlich dann die Steuer immer weiter erhöhen, aber vielleicht ist irgendwann das, was ich nicht mehr haben möchte, weg. Und gerade bei Klima ist es ja so, dass wir ziemlich klar sagen, zurecht, das soll bitte in 20 Jahren bei Null sein.

Maja Göpel
Das stimmt. Was wir teuer machen, weniger wird, haben wir auch weniger Einnahmen. Das heißt, man muss schon überlegen, wow, was machen wir eigentlich an Steuereinnahmen, wenn wir es geschafft haben? Und da kommen wir ja schnell in dann doch wieder Konsumsteuern.

Achim Truger
Naja, also ich werde eigentlich eher bei Einkommenssteuern. Es gibt viele Möglichkeiten. Kapitalsteuern, Unternehmensteuern und auch im Vermögensbereich, gerade Erbschaftssteuer, da ist eine ganze Menge, was man noch an Ungerechtigkeiten beseitigen kann und wo man auch noch bisschen mehr Geld reinholen kann für den Staat.

Maja Göpel
Wie erden wir die Wachstumsdebatte? Weil darum geht es ja eigentlich. Wie holen wir sie in die Realität wieder zurück und sagen diese komischen Finanzwerte, wir wollen sehen, was dahinter passiert? Wo sind die drei wichtigsten Stellschrauben in den nächsten ein, zwei Jahren?

Achim Truger
Gott, bin ich so schlecht drin in diesen drei wichtigsten Stellschrauben. Ich glaub, das Allerwichtigste ist, ich sag jetzt was und dann sagst du, du hast die drei Sachen gehört. Nein, ich glaub, ganz wichtig ist, man soll sich nicht streiten, Wachstum, Nullwachstum, Degrowth, also Schrumpfung. Sondern nach vorne blicken und sagen, wo wollen wir hin mit der Gesellschaft und der Wirtschaft? Und was sind die Ziele? Was ist das Wohlstandsziel?

Und wenn wir das gut hinkriegen, auch ohne Beschäftigungsverlust und so weiter, bei einer guten Verteilungssituation, dann ist vollkommen sekundär, ob am Ende da irgendwas noch wächst oder nicht. Das ist ja dann per se abgedeckt. Wenn der Wohlstand steigt, wenn die Verteilungssituation gut ist und wenn es keine Arbeitslosigkeit gibt, dann habe ich die wesentlichen Sachen doch erreicht.

Das wäre, glaube ich, wo man das erden kann. Also raus aus diesen Grabenkämpfen, die eigentlich überhaupt nichts bringen. Und wie gesagt, dass wir eine positive Debatte hinkriegen. Ich glaube, dass die Indikatorensysteme, das was es alles gibt, das müsste viel stärker propagiert werden und auch viel ernster genommen werden.

Maja Göpel
Es sollte ja mal eine Projektion aufs Kanzleramt geben. Das war eine Empfehlung in der Enquete. Zu sagen, wir machen jetzt ein Gold, also kann man auch cheesy finden, aber so ein schwarz-rot-gelbes Herz, das dann für den Umweltverbrauch, für die sozialen Entwicklungen und für das Ökonomische jeweils einen Leitindikator hatte und dann aber zeigt, sind wir auf einem guten Weg. Das war ja Minimum an Balance in der Darstellung.

Achim Truger
Ja, also warum nicht sowas, klar. Das wäre doch vernünftig. Keine ideologischen Grabenkämpfe, das zweite ist, dass wir die Indikatoren besser hinkriegen. Ja, und wenn es ja sehr konkret sei, ich kann das nur relativ abstrakt. Du kannst mich mal fragen, ob du eine Idee hast und dann, ob ich das gut finde oder nicht. Dann kriegen wir vielleicht noch ein drittes.

Maja Göpel
Ich fände ja wirklich so ein Ausloten von einem Riesen-Forschungsprogramm, weil das nervt ja so total, ja, wir entkoppeln. Also erstens finde ich das auch schon wieder so eine Formulierung, wo ich denke, warte mal, das macht ja wieder Wachstum zur Zielgraden und dann müssen wir es halt vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Aber was kontinuierlich bleiben soll, ist das Wachstum.

Eigentlich müssen wir doch sagen, rückkoppeln. Also wie schaffen wir das, dass tatsächlich die Mehrwerte, die eine Gesellschaft braucht, entstehen, in der Art, wie wir Geld einsetzen und dann eben bilanzieren? Und dann heißt es immer, ja gut, aber nur weil es in der Vergangenheit nicht ausreichend passiert ist, heißt es ja nicht, dass es in der Zukunft nicht geht. Und dann wird die Diskussion für beendet erklärt. Dabei fängt sie da ja erst an. Warum hat es in der Vergangenheit nicht funktioniert? Und dann heißt es, haben wir doch mit CO2. Aber das ist nur ein Sektor, wenn man sich den Materialverbrauch, den Ressourcenabdruck anguckt. Nix Entkopplung.

Und das heißt, wie kann das sein, dass die Intelligenz ja sich damit befriedigt, zu sagen, ja, also in der Vergangenheit hat es nicht geklappt, aber das heißt ja nicht, dass es theoretisch möglich wäre, ich klappe jetzt mal mein Buch zu. Also da fängt doch eigentlich die spannende Frage an. Und deshalb ist es ja so interessant, warum wir uns mit dieser Klatsche gegenseitig es eigentlich so schwer machen, da reinzugehen. Also das ist doch die Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Achim Truger
Ja, das stimmt. Das war jetzt auch keine konkrete Maßnahme.

Maja Göpel
Doch! Ich würde sagen, wir pfeifen jetzt hier mal einen Wirtschaftswissenschaftsgipfel zusammen ins Kanzleramt und jetzt geht es mal darum, die Exzellenzinitiativen…

Achim Truger
Nein…das kann man machen, das wird ein wunderschönes Schaulaufen. Aber ganz ehrlich, glaube, das ist doch zu groß für eine Wissenschaft. Und warum soll man da die Ökonomen und Ökonominnen nur nehmen? Sondern man muss sowieso alles, was man an Kommissionen und Sachen macht, interdisziplinär machen. Und da gehören halt Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften, alles Mögliche gehört da rein. Und wenn es Forschung geht, braucht man technische Lösungen. Also, ein bisschen Ingenieurwissenschaft wäre auch nicht schlecht.

Ich glaube, das wäre eher etwas, wenn dann interdisziplinär und breit angelegt und nicht nur eng unter Ökonomen und Ökonominnen. Das ist übrigens auch eine Erfahrung von einer unproduktiven Zuspitzung. Das ist eigentlich vor 30 Jahren, das erste nach dem Studium, habe ich Gutachten geschrieben am Forschungsinstitut in Köln zur ökologischen Steuerreform. Und da war damals schon klar, dass man nicht über Preise alleine irgendwas hinbekommt. Und jetzt sind wir plötzlich wieder in so einer Zuspitzung. Ein CO2-Preis auf der einen Seite und irgendwie staatliche Fördermaßnahmen auf der anderen Seite, wo sowieso klar ist, dass man wenn, dann beides braucht und das irgendwie sinnvoll ineinander übergehen muss.

Maja Göpel
Das heißt, die Redaktionen, wenn wir darüber reden in der Öffentlichkeit, die Wirtschaftsredaktionen dürfen auch durchaus mal andere konsultieren und wir machen in den Forschungsprojekten eine Zusammensetzung, dass unterschiedliche Disziplinen, es geht ja wirklich darum…

Achim Truger
Gerade Kommissionen. Das ist doch auch das, da bin ich jetzt ja auch nur Laie, das kriege ich ja nur vom Hörensagen mit. Aber gerade eine heterogene Zusammensetzung, Diversität in Kommissionen führt ja ganz häufig dazu. Man sagt das auch irgendwie in Betrieben. Wenn da lauter alte, weiße Männer drin sitzen, dann denken die halt sehr in ihrer Box und da kommt nichts bei raus.

Und wenn ein Diversitätsgrad, der muss da drin sein, dann wird auch mal out of the box gedacht, dann kommen neue Ideen und dann kann man nach vorne gehen. Ich glaube, das ist das, sozusagen nur Ökonomen, Ökonomeninnen, egal ob die sich noch in Nuancen unterscheiden, das wird nichts bringen, nur Ingenieure da reinzusetzen oder Physikerinnen, Physiker oder sowas. Aber die Mischung wird es, glaube ich, machen. Das ist das Vernünftige.

Maja Göpel
Okay, dann habe ich jetzt drei Sachen gehört. Das eine ist die Wirkung von den wichtigsten ökonomischen Instrumenten wirklich transparent sichtbar zu machen. Das zweite ist es auch mit Indikatoren zu messen. Also, wo wollen wir eigentlich hin, was wollen wir eigentlich auch aufbauen und das dann auch anders kommunizieren zu können.

Und das dritte ist wirklich zu sagen, lasst uns mal aus dieser Nur Zahlen des Ökonomistischen ein Stück weit ausbrechen und sagen, das Verhalten, das ist ja eigentlich in der Ökonomie, das Verstehen des Verhaltens von Menschen in Situationen mit begrenzten Ressourcen, die zu unterschiedlichen Zielen eingesetzt werden können. Verhalten ist halt ein bisschen mehr als nur zu sagen, du bist Pawlow-Reiz-Reaktion, wenn was teurer ist, lässt du es und solche Sachen.

Achim Truger
Genau, diese Interdisziplinarität vielleicht da noch mal zu. Also jetzt haben wir es ja auf die Kommission gesetzt. Aber da ist ja praktisch so, dann sind dann schon Leute, die fertig sind, die schon in ihrer Profession was erreicht haben, die setzt man da einfach rein. Bildung ist natürlich auch wichtig und eine breit aufgestellte Bildung, gerade in der Ökonomie, ist sehr wichtig. Da gibt es ja ganze plurale Bewegung, die ich auch unterstütze oder schon von Anfang an unterstützt habe.

Und ich sehe es beispielsweise jetzt bei uns in Duisburg, Universität Duisburg-Essen. Wir haben in Duisburg das Institut für Soziökonomie, dessen Teil ich bin, wo wir eben bewusst gesagt haben, wir wollen plural, interdisziplinär und anwendungsorientiert lehren und forschen. Und das zieht eine ganze Menge Menschen an, die das gut finden. Und daraus entsteht eben auch was. Die bekommen eben, und das liegt jetzt nahe, dass mir das einfällt, weil ich da jetzt herkomme, aber es gibt eben eine ganze Reihe solcher interdisziplinäre Modelle.

Es gibt jetzt überall, auch in Duisburg, eben auch sonstwo gibt es diese PPE-Bachelor- und Masterprogramme, politics, philosophy and economics, wo man die Disziplinen mischt und die Leute bewusst breiter aufstellt. Und ich glaube, das sind am Ende die Menschen, die man braucht, um breiter angelegte gesellschaftliche Problemwissensprozesse zu managen.

Maja Göpel
Das finde ich super, weil ich weiß nicht, wie es dir geht. Ich kriege ja im Moment immer zu hören, Frau Göpel, Sie müssen es alles einfacher machen, nicht so komplex. Das ist eine Zumutung für die Leute. Aus Zumutung entsteht ja Selbstwirksamkeit. Wenn wir uns zumuten, bisschen um die Ecke zu denken und mal zu gucken, wo denn eigentlich noch eine Perspektive ist, dann kommen wir auch aus dieser Sorge, dass alles nicht mehr funktioniert, viel besser raus.

Letzte Frage an dich. Wir müssen zum Wrappen. Wenn wir über Wachstum reden, wie würdest du heute sagen, sollte man das aufgeklärt tun? Einfach mal Gruß an die Wirtschaftsredaktionen in dieser Republik!

Achim Truger
Ja, Wachstum ist kein Selbstzweck. Wachstum ist ein Mittel zum Zweck, und der Zweck ist Wohlstand. Wir müssen eigentlich über Wohlstand sprechen und darüber, was die Gesellschaft und die Menschen tatsächlich reicher macht.

Maja Göpel
Danke dir.

So, vielen herzlichen Dank fürs Zuhören. NEU DENKEN ist ein Projekt von Mission Wertvoll, einem Science-Society-Netzwerk, das sich den Chancen und Wegen in eine nachhaltige Zukunft verschrieben hat. Wie wir da hinkommen, das werden wir gemeinsam herausfinden, und deshalb freuen wir uns über eure Aufmerksamkeit, aber auch über Feedback oder Wünsche; Welche Themen ihr mal neu denken möchtet oder welche Gäste ihr dafür besonders prädestiniert findet. Wir haben dafür eine Email-Adresse eingerichtet die heißt neudenken@mission-wertvoll.org. Hoffentlich bis auf ein nächstes Mal!

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