— Transkript: Der Podcast im Volltext —
Maja Göpel
Innovation ist super. Innovation ist irgendwie Fortschritt, Innovation wird alles besser machen. Wenn wir uns heute so umhören, dann heißt es ja einfach immer mehr Innovation. Aber mehr von was denn eigentlich? Weil Innovation heißt ja nicht mehr/weniger, sondern hat eine Richtung, verändert Dinge, verändert Strukturen. Immer, wenn etwas Neues entsteht, heißt das auch, dass etwas anderes vergeht. Deshalb klingt Innovation erstmal immer super, bis sie bei uns im Alltag anladet und wir genötigt werden, neue Dinge gut zu finden. Und trotzdem lamentieren wir ja rum, dass Deutschland nicht besonders innovativ ist.
Woran könnte das denn liegen. Ist uns da so ein bisschen was aus dem Blick geraten? Wer setzt die Parameter? Und wie können wir da mutig Zukunftspläne setzen, ohne dass uns gleich Planwirtschaft vorgeworfen wird? Das ist ja eigentlich das, womit wir uns ständig aufhalten und uns in unserem Innovationspotenzial wahnsinnig effektiv blockieren.
Mein Name ist Maja Göpel, ihr hört NEU DENKEN, den Podcast von Mission Wertvoll. Wir reden heute zum Thema Innovation, und mein Gast ist Uwe Cantner, lange Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation der deutschen Bundesregierung.
Sehr herzliches Willkommen.
Uwe Cantner
Schön, dass ich da sein darf.
Maja Göpel
Uwe ist, was ich spannend finde, immer zwischen der Wissenschaft als Professor an unterschiedlichen Unis, auch nicht nur in Deutschland, sondern eben vor allem auch mit Schwerpunkt in Frankreich unterwegs gewesen, aber auch in Italien zwischendurch als Gastprofessuren, auch in dieser Beratung unterwegs gewesen. Und wir überlegen uns ja immer, wie diese Übersetzungsleistung stattfinden muss zwischen den Dingen, die ich denke, und wie man sie so verpacken kann, dass tatsächlich auch Wirkung oder Veränderung rauskommt. Wie bist du überhaupt zu diesem Thema Innovation gekommen? Das war ja bei dir sehr früh. Die Doktorarbeit hatte schon den Titel.
Uwe Cantner
Ja, das war relativ plötzlich. Ich habe ein ganz normales wirtschaftswissenschaftliches Studium gemacht in Augsburg und in Detroit. Kam dann zurück, habe eine Assistentenstelle bekommen an einem Lehrstuhl in Augsburg und der Lehrstuhlinhaber hat mir die erste Frage gestellt, kennen Sie Josef Alois Schumpeter? Dann habe ich gesagt, nein, der kam in meiner Ausbildung nicht vor. Dann hat er mir zwei Bücher von Schumpeter hingelegt, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung und Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie. Dann ich mir die durchgelesen. Dann kam der Begriff der kreativen Zerstörung da drin vor und da habe ich gesagt, das ist es, das ist eigentlich was wichtiges und darauf muss man sich konzentrieren.
Und dann bin ich relativ schnell auch zu diesem Thema Innovation gekommen, konnte dann da Augsburg Studiengänge aufbauen, konnte forschen dazu, Papiere schreiben. Auch die Professur, die ich dann in Jena bekommen hatte, hat sicherlich mit der innovationsökonomischen Expertise zu tun gehabt. Hab das da auch weitergetrieben, sehr viel breiter ein Team aufgebaut, ein größeres mit Doktorandenprogrammen verschiedenster, auch interdisziplinärer Art übrigens. Wo man nicht nur volkswirtschaftlich, sondern breiter drüber nachgedacht hat.
Naja, und das hat dann irgendwie auch Anklang gefunden in der Zunft. Und irgendwann kriegt man dann einen Anruf von der Bundesregierung, der sagt, naja, willst du nicht mal die Expertise auch bei uns mit einfließen lassen, dass wir beim Thema Innovation weiterkommen. Und so ist das in Kurzform gelaufen.
Maja Göpel
Die kreative Zerstörung, Schumpeter, ist ja so ein Begriff, den hört man häufig. Was steckt da genau dahinter und wie unterscheidet er sich vielleicht von anderen Perspektiven auf Innovation?
Uwe Cantner
Ja, sagen wir so in der herkömmlichen Diskussion über Innovation ist dieser Begriff ausschließlich positiv belegt. Innovation heißt einfach besser. Es ist neu und das Neue ist in aller Regel wird das angesehen automatisch als etwas besseres. Der Schumpeter hat aber schon gleich am Anfang angesagt, nein, das ist kreativ zerstörend. Erstens, was Neues entsteht mit möglichen positiven Nutzwirkungen im Konsum oder in der Produktion oder sonst wie über Güter, Dienstleistungen, neue Prozesse, macht etwas besser.
Aber wenn es in den Märkte eingeführt wird, werden diejenigen, die tradierte Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse fahren, die werden natürlich auf einmal konkurrenziert. Und die verlieren dann normalerweise. Und was heißt verlieren? Verlieren heißt, dass ich mein Unternehmen kleiner machen muss, dass ich mein Unternehmen aufgeben muss, dass ich Arbeitskräfte entlassen muss, die ich dann nicht mehr mehr bezahlen kann, die ich nicht mehr verwenden kann. Und dadurch gibt es eben auch Verlierer.
Die Politik hat jahrelang dieses kreative Zerstörung, dieses Konzept, nicht beachtet, weil die Zerstörung sie genervt hat. Das Innovative, das Kreative hat sie unheimlich begeistert. Na ja, jeder will irgendwie eine neue Forschungsanlage, will da das Band zerschneiden. Und das haben sie alle ganz toll gefunden und die neuen Technologien, was die alles können. Das dabei aber, ein Zerstörungsprozess, und der ist manchmal auch nur ganz klein, das ist manchmal gar nicht so richtig sichtbar, ich will gar nicht sagen, dass das immer großflächig ist, das ist letztendlich nicht beachtet worden.
In dem Zuge, dass jetzt Technologien an der Schwelle sind, eingeführt zu werden, wo wir wissen, wo wir vermuten, wo ziemlich klar ist, dass die zerstörerische Komponente stärker ist. Also wenn Sie eine Automobilindustrie komplett umbauen, wenn Sie die Landwirtschaft komplett auf andere Systeme, digitale Systeme umstellen, das sind Prozesse, wenn Sie die Energiewende, ein ganz großes Beispiel, ganz andere Energiesysteme, ganz andere Strukturen, Sie müssen die Kohleförderung abschaffen, hat auch alles seinen Sinn und Zweck. Dann sind natürlich nicht nur ein paar wenige betroffen, sondern dann sind ganz viele Bevölkerungsgruppen betroffen. Und das birgt natürlich eine riesige Gefahr. Und da wird der zerstörerische Charakter, wird da deutlich.
Und die Politik kommt so langsam dazu, das auch zu verstehen, dass man sich darum kümmern muss. Ich würde sagen, sie machen es nicht perfekt. Und darüber kann man ja auch noch mal diskutieren, wie man das machen könnte. Aber jetzt kommt das so langsam, dass man diesen zerstörerischen Aspekt auch versteht. Aber lange Zeit war Innovation penetrant, toujours 100 Prozent immer positiv. Und das ist es eben letztendlich nicht.
Maja Göpel
Ich komme ja so aus der Transformationsforschung. Im Prinzip, wenn ich erkläre, was heißt denn das eigentlich, dann dieses transform, es wird eine andere Form finden. Also da drin ist ja dieses Strukturenwandeln angelegt. Und dann gibt es immer den Moment, der Begriff Exnovation, wenn ich etwas reinnehme, dann muss was anderes loslassen, damit ich insgesamt möglichst schnell das Thema erneuerbares Energiesystem von einem Alten ins Neue finde.
Ein altes auf fossilen Energieträgern, sehr zentral koordiniert mit großen Kraftwerken. Dann wird ausgespielt und das andere natürlich unterschiedliche Energieformen ohne Brennstoffe benötigt, aber dafür eine ganz andere Infrastruktur und Nachfrage, die ich generieren muss. Und natürlich sind da sehr viele Akteure und Akteurinnen betroffen. Wie kann es denn denn sein, dass wir bei Innovation und Innovationspolitik und wem wir dafür abfeiern, immer nur auf die Technologien selbst gucken und dieses ganze Große, was du beschrieben hast, so gerne aus dem Blick verlieren.
Uwe Cantner
Na gut, das hat schon mit der mit der heutigen Zeit zu tun, der Phase, in der wir sind. Du hast ja richtig gesagt, der Transformationsphase, das ist ja nicht nur eine, es sind ja zig Transformationen, die stattfinden, und ich kann allen Namen geben, Energiewende, Mobilitätswende, Transformation der Landwirtschaft und, und, und, da sind ja ganz viele. Und das ist etwas, was wir vor 20, 30, 40, 50 Jahren so in dem Maße nicht hatten. Da haben schon Innovationen stattgefunden, vielzahlig, aber das sind kleine Veränderungen an bestehenden Konzepten. Also, der Verbrennungsmotor wurde effizienter gemacht, er wurde leiser gemacht, was weiß ich, das sind bestehende Konzepte, sie wurden verbessert. Und da sind die Zerstörungsaspekte sind da sehr gering. Beziehungsweise was da auftritt, wenn da mal ein Zulieferer aufgeht, weil er nicht mitkommt, das kann über die normalen sozialen Sicherungssysteme abgefangen werden. Da muss man sich nicht so sehr darum kümmern.
Aber wie ich vorhin gesagt habe, bei den Transformationen, bei diesen radikalen technologischen Umbrüchen, da sind sehr, sehr viel mehr Menschen und Gesellschaftsgruppen negativ betroffen. Kohle-Reviere, Lausitz, Ruhrgebiet damals. Jetzt dieses Gebiet Wolfsburg mit VW. Und und und. Da sind viele Personen betroffen. Und jetzt muss man sich darum kümmern, jetzt kommt, der Mensch rückt jetzt auch automatisch mehr in den Blickpunkt. Weil diese Menschen, aus politischer Sicht ganz einfach zu argumentieren, diese Menschen sind Wähler.
Und wenn ich vielen Menschen weh tue durch einen Strukturwandel, den ich irgendwie forciere oder aufhalte, wie auch immer, und da tue ich Menschen mit weh, die wählen gegen mich. Und deswegen muss ich die jetzt mit in den Blick nehmen. Das fällt der Politik manchmal nicht ganz so leicht, das gebe ich gern zu, weil es ein schwieriges Thema ist, aber das steht an und es muss gemacht werden.
Maja Göpel
Es ist ja auch so ein Zusammenspiel zwischen den Akteuren im sogenannten Markt und dann im Staat. Ich habe so bisschen das Gefühl, es wird dann so darauf gewartet, bis dann eben Technologie-Durchbrüche durch Investitionen sich quasi einfach, ja wie Bahn brechen. Und dann kann die Politik noch so bisschen nett reagieren und diejenigen auffangen oder unterstützen, die dann hinten runterfallen. Aber sie möchte nicht die Verantwortung dafür haben, dass wir wissen, dass tatsächlich die Strukturen sich verändern.
Da wird aber auch so blöde dann gespielt. Wenn ich jetzt Ola Källenius mir anhöre von Mercedes-Benz, der auf einmal sagt, ja, Flottengrenzwerte, wir nennen das ja gerne Verbrennerverbot, obwohl es ja erst mal heißt, lass mal den CO2-Ausstoß aus den Motoren rausnehmen. Politik muss auch realistisch sein. Da hat Politik ja versucht, zu sagen, wir brauchen Innovation, wir legen einen Pfad bis zu einem bestimmten Datum, 2035, wollen wir, dass die Antriebe sich verändert haben oder eben, dass die Brennstoffe sich verändert haben.
Und dann tu ich nix, investiere nur in Luxuskarossen, hab gar keine Kleinwagen mehr in der Flotte. Und dann stell ich mich hin, aber die Politik muss realistisch sein. Wenn mein Geschäftsmodell unter Druck gerät, da wird ja auch so viel hin- und hergeschoben mit den Verantwortlichkeiten. Wie kriegen wir das denn hin, hast du gute Beispiele, wo das mal mit dem Zusammenspiel zwischen Politik und den Akteuren im Markt besser funktioniert hat? Meinetwegen auch in anderen Ländern oder vielleicht auch, ist es heute besonders schwer geworden?
Uwe Cantner
Sagen wir mal so dieses Gegeneinersetzen von marktlichen Akteuren und politischen Akteuren, Staat und Markt. Man ist ja traditionell, da gibt es eine ewig lange Diskussionen dazu. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ist das alles diskutiert worden. Was ist die bessere Form, um Wertschöpfung, um Wohlfahrt zu generieren? Diesen Gegensatz kann man heutzutage meiner Ansicht nach nicht mehr leben, sondern wir brauchen gerade in Transformationszeiten eigentlich ein kluges Zusammenspiel zwischen den politischen Akteuren auf der einen Seite und den Marktakteuren auf der anderen Seite.
Ich kann nicht von politischer Seite aus sagen, ich generiere die Innovation. Das können die Politiker nicht. Wüsste auch nicht, wie sie das machen sollen. Das müssen schon die Marktakteure selber machen. Die Unternehmen sollen die Innovation generieren. Die nachhaltigen Innovationen und die Schlüsseltechnologien und alles, was eben dazu zu tun ist, müssen alles die Marktakteure generieren, müssen das selbst schaffen. Man kann die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass das gut geht.
Einfaches Beispiel: Wenn wir wollen, dass in Deutschland die Marktakteure darauf stark ausgehen, autonome Systeme für autonomes Fahren zu entwickeln, dann muss die Politik die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass autonome Systeme in Deutschland in großer Breite auch eingesetzt werden können. Sind sie dann mal entwickelt. Rechtliche Regelungen, dürfen die Daten ausgetauscht werden und so weiter. Und wir haben das Phänomen, dass genau das nicht stattfindet. Also große deutsche Zulieferunternehmen, die sich mit LiDAR-Systemen befassen wollten, haben jetzt aufgegeben. Nachfrage: Warum? Na, wir sehen in Deutschland keinen Markt dafür.
Dann merkt man genau, wo die Diskrepanz ist. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Man sieht da keine Zukunft. Und was machen die jetzt? Die haben das leider aufgegeben und machen Software für amerikanische LiDAR-Hersteller, damit das da bei denen besser funktioniert. Da können die auch ein Geschäftsmodell mit machen. Bloß ist uns in Deutschland damit nicht so viel geholfen, sage ich mal. Also man muss die Bedingungen dafür schaffen, dass die privaten Akteure auch diese Investitionen in eine radikale Neuerung wirklich tätigen können. Und das ist bei uns sehr stark unterentwickelt.
Maja Göpel
Das, was du gerade beschrieben hast, ich sehe den Markt nicht. Wir haben ja gerne diese Erzählung, Märkte plumpsen aus Angebot und Nachfrage dann irgendwie so in die Welt und sind total frei. Das ist ja etwas, das nicht stimmt, weil wir bestimmte Rahmenbedingungen haben und die haben eine Lenkungswirkung. Und inklusive eben, woran investiert Politik oder die öffentliche Hand, sind ja häufig Infrastrukturen. Und wenn ich ein Produkt gar nicht benutzen kann oder nicht fahren kann, um bei den Autos zu bleiben, dann werde ich es mir natürlich auch nicht anschaffen. Und diese marktbildende Politik, quasi der Innovation eine Richtung geben. Das wird ja auch unter dieser Missionsorientierung zunehmend diskutiert, zu sagen: Wo wissen wir, wir brauchen Strukturwandel, wir brauchen Durchbrüche in eine bessere, oft nachhaltigere oder eben international noch wettbewerbsfähige Form, ein und das gleiche Bedürfnis zu befriedigen. Es geht ja Mobilität bei Auto oder eben Energienutzung, zum Beispiel bei den Energiesystemen, Nahrungsmittel zugänglich zu erhalten, bei Ernährungssystemen.
Es geht ja eigentlich immer wieder um diesen gleichen Gedanken. Und wie mache ich das dann geschäftsmodellfähig, hat ja genau mit diesen Rahmenbedingungen zu tun. Warum ist das so schwer darüber zu sprechen? Also einfach entspannt? Industriepolitik war ja so das letzte Beispiel. Nein, das ist ja Planwirtschaft und hier und da und wird immer so entweder oder getan. Und in der Realität sehen wir immer Mischungen zwischen Rahmenbedingungen und zwischen dann Innovationen und dann Feedback-Mechanismen. Was funktioniert gut? Wie könnten vielleicht noch verbesserte Anreizsysteme, Förderprogramme, den nächsten Schub auslösen. Was macht das so schwer? Das ist doch eigentlich eine coole Dynamik. Also, wenn ich drüber nachdenke, dieses Zusammenspiel, wenn wir das mehr betonen würden, dann hätten wir doch auch wieder mehr Mut, dass wir die Probleme in den Griff bekommen.
Uwe Cantner
So, jetzt muss ich mal eben eine Vorlesung halten. Ich mach’s kurz: Die herkömmliche Politik hat sich, wenn sie Innovation befasst hat, hat sich nur die Intensität der Innovation gekümmert. Also, es ist einfach, wenn mehr Akteure innovieren, ist es besser als weniger. Wenn jeder einzelne Akteur mehr in F&E investiert und mehr Patente generiert, dann ist das besser als wenn es weniger ist. Gut und das war das Credo und daran glauben immer noch viele heute. Dagegen, wenn wir diese Transformation anschauen, wo man in ganz neue Technologiefelder reingehen muss, nachhaltige und andere, dann ist das nicht mehr die Intensität der Innovation, auf die es ankommt, sondern wir müssen was anderes machen, was radikal anderes, was genuin anderes. Und das ist unheimlich schwer herzustellen. Da kann ich nicht einfach sagen, ich mache ein bisschen Fördermaßnahmen hier oder so, sondern ich muss ja versuchen zu lenken, ohne zu dominieren, ohne zu dominant zu sein. Und es gibt genug Formate, wie man das machen kann.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel, diese Nachfrageunsicherheit. Na ja, warum soll ich als Unternehmen in eine bestimmte neue technologische Entwicklung hinein investieren, wenn mir nicht klar ist, ob da eine Nachfrage ist, also ob die Menschen das haben wollen. Also wollen die Menschen autonome Autos haben? Wollen sie neue Energiesysteme haben? Wollen sie das oder wollen sie es nicht? Man kann aber dann als Staat sagen, na ja, wir haben ja einen eigenen Bedarf. Also, man hätte zum Beispiel alle Verwaltungsgebäude in Deutschland mit Photovoltaikzellen ausstatten können. Das wäre eine Riesennachfrage gewesen für die deutsche und öffentliche Beschaffung. Hätte man machen können, dann wäre das ins Laufen gekommen.
Die Produktion hätte sich verbessert, die Kostendegression hätte man machen können. Man hätte gezeigt, dass es funktioniert. Jeder Private hätte gesehen, na ja, wenn auf dem öffentlichen Dach funktioniert, wird es bei mir schon auch funktionieren und und und. Man hätte es anschieben können. Oder bei Fahrzeugen. Warum hat die Politik nicht den kompletten Fahrzeugbestand gleich auf die alternativen Antriebe umgestellt? Gott, weil sie dann zu oft tanken müssen oder sonst was. Also es waren immer so bisschen Argumente, die nicht so gezogen haben. Vielleicht sind auch die alternativen Modelle erst nicht ganz so attraktiv gewesen wie die traditionellen Verbrenner.
Maja Göpel
Also hätte Ola Källenius einen kleineren Dienstwagen von Mercedes-Benz mit elektrischem Antrieb.
Uwe Cantner
Ich meine, das ist manchmal auch ganz menschlich, was da passiert. Und das hätte man umstellen können. Und deswegen die politischen Maßnahmen, die man braucht, um diese Richtungsänderung hinzubekommen, sind andere als die Intensität. Also Steuersenkungen sind zwar schön, da freut sich jedes Unternehmen, aber ob es deswegen eine neue Richtung einschlägt? Kurzer Exkurs: Deutsche Unternehmen haben relativ viel Geld auf der hohen Kante und würden es auch investieren. Sie sagen aber, sie investieren es nicht in Deutschland, sondern sie gehen ins Ausland, in die USA oder sonstwohin. Dann kann man nur fragen, hat man nur Steuererleichterungen, wird es denen das dann leichter machen? Sie brauchen die Opportunitäten und deswegen: Die Opportunitäten müssen geschaffen werden. Das können Rahmenbedingungen sein, hat man gerade drüber gesprochen, das können Nachfragen sein, die man generieren muss und da kann das staatliche Beschaffungswesen halt eine große Rolle spielen, das dorthin zu schieben. Und ich glaube, das muss gemacht werden. Diese Instrumente sind jetzt angesagt, aber sie werden eigentlich kaum diskutiert.
Maja Göpel
Ja, da gibt es so ein verrücktes, also das Handelsblatt hat einen Artikel über dich geschrieben, als du nach zehn Jahren diesen Vorsitz von der Innovationskommission für die Bundesregierung aufgegeben hast. Oder abgegeben, ist ja einfach turnusmäßig gewesen. (Zitat) Insgesamt scheiterten jedoch viele Forderungen der sechs Ökonomen und Ökonomin nach besseren Bedingungen für Innovation und einer abgestimmten Politik innerhalb der Regierung an Desinteresse und Unverständnis.
Das heißt, wir müssen ja auch so eine Innovationsorientierung jenseits von dem technisch möglichen vielleicht in so einem Verwaltungsspirit verankern. Darüber sprechen wir ja auch viel. Welche Kultur braucht es im Grunde genommen in den rahmensetzenden Instanzen, dass man mal Lust hat, zu überlegen, wie wirkt das denn? Und wo ist vielleicht eine Lücke? Und mit wem müsste ich zusammenarbeiten, gerade auch über Ressorts hinweg, also zwischen unterschiedlichen Ministerien, um zu sagen, wir kriegen da ein kohärentes Rahmensystem draus, was tatsächlich diese Lenkungswirkung erlaubt und eine Richtungssicherheit, das sind ja so Schlagworte, in welche Richtung wirkt es und haben wir tatsächlich dann eine Sicherheit, einen Pfad innerhalb dessen wir dann Innovationen tätigen können.
Uwe Cantner
Der letzte Punkt ist ganz wichtig: Politik kann dafür sorgen, durch klare Bekenntnisse zu der einen oder anderen Richtung oder zu Richtungsänderungen, die nicht alle drei Wochen wieder gekippt werden. Wenn man etwas zurücknehmen möchte, dass man dafür Korridore letztendlich aufmacht, in denen für die Unternehmen die Unsicherheit zurückgeht. Es ist immer ein Risiko da. Es kann gut gehen, schlecht gehen, aber mit Risiken können Unternehmen umgehen, mit Unsicherheiten können sie nicht umgehen. Sie können nicht damit umgehen, wenn die Politik alle naselang die Richtung ändert. Also, eine Richtungssicherheit muss da sein. Mein Lieblingsbeispiel ist CO2-freie Individualmobilität 2035. Das gibt es so nicht, das ist erfunden, aber das ist etwas, wenn man das sagt, das ist unser Thema, das ist unser Ziel. Darauf können sich alle Akteure einstellen. Na, dann können die Batterieforscher was machen und die Brennstoffzellenforscher. Ist ziemlich technologieoffen. Vieles kann ausprobiert werden. Manches wird scheitern, manches wird sich durchsetzen. Das kann man dann ausprobieren. Und dann kommen die Investitionen auch. Aber wenn ich dauernd mir überlege, soll ich jetzt da rein investieren? Soll ich eine Produktionsstätte dafür aufbauen, ein Forschungslabor dafür aufbauen und in vier Wochen sagen die, ne, Ätsch, Bätsch ist genau andersrum? Das kann es letztendlich nicht sein. Das ist schon eine wichtige Aufgabe der Politik.
Maja Göpel
Das, was du jetzt gerade beschrieben hast, klingt schöner als Verbrennerverbot. Aber Verbrennerverbot war ja auch schon so bisschen so ein falscher Name für Flottengrenzwerte. Wie würde sich das bestehende Flottengrenzwertsystem, was angesetzt wurde, denn von dem individualisierten CO2-freien, nee, CO2-freier Individualverkehr hast du es genannt, ne? Das klingt schöner, hat so mehr so eine Aufbruchstimmung und eine Vision drin. Was würdest du ändern im Vergleich zu dem, wie wir es jetzt aufgesetzt haben?
Uwe Cantner
Ja, mit den Flottengrenzwert, das ist ein Begriff für Spezialisten, die wissen, was es geht. Die Automobilindustrie weiß, was es geht. Der Normalsterbliche weiß es nicht. Das ist unverständlich. Wenn ich aber sage, wir wollen, dass die Mobilität in 2035 mit unseren Pkw CO2 neutral ist, dann weiß jeder, was das ist. Da kommt hinten einfach nichts, kommt nicht mehr mehr raus als vorne reingesteckt. Es muss richtig verkauft werden.
Maja Göpel
Also, gucken wir schon auf, wie etwas benannt wird. Und dann verbieten wir jetzt mal den Medien vom Verbrennerverbot zu reden, oder? Weil das ist ja komplett…
Uwe Cantner
Das ist der Terminus Technicus, wie er halt der Politik eingeführt wird. Mich hat das immer schon gewundert, warum man das so nennt. Selbst synthetische Kraftstoffe sind Verbrennermotor, abgesehen mal davon. Sondern ich sag Antriebssystem, hätte es viel klüger anstellen müssen. Und wie gesagt, als Innovationsökonom, wo ich ja weiß aus vielen empirischen Studien, wie Innovationen verschiedenartig ausprobiert werden, wo sie dann miteinander konkurrieren, und dass meistens, sehr oft das Beste sich durchsetzt. Es gibt Ausnahmen, Ausnahmen bestätigen immer die Regel. Wie das funktioniert, bin ich halt für Technologieoffenheit.
Das sollen alle möglichen investieren können und ausprobieren können. Und sie können auch hier und da Unterstützung bekommen. Ich würde das jetzt nicht breit ausdehnen. Risiko müssen sie auch selber übernehmen können. Das würde ich ausprobieren. Aber eine quasi klare Order von oben, dass nicht mehr, also Verbrenner traditioneller Art nicht mehr und dafür nur Batterie, halte ich einfach für falsch. Sondern es muss ein offenes System sein. Ich hätte letztendlich auch nichts dagegen, wobei die Wahrscheinlichkeit dafür gegen null geht, dass wir traditionelle fossile Verbrennermotoren haben, wo hinten kein CO2 mehr rauskommt. Ich glaube es nicht. Aber sagen wir man kann es auch nicht ganz aus der Gedankenwelt rausnehmen und wenn jemand meint, er will da rein investieren, würde ich es ihm auch nicht verbieten.
Maja Göpel
Aber dafür braucht es diese Klarheit zu sagen, das halten wir auch ein. Und nicht in dem Moment, wo es anfängt, weh zu tun, sagen, es muss auch realistisch sein, sonst muss das jetzt alles zurückgedreht werden. Zumal andere Hersteller das schaffen. Das ist auch wichtig. Kreative Zerstörung bedeutet ja auch, dass diejenigen, die das früher ernst nehmen, in die Zukunft zu denken und bessere Entscheidungen getroffen haben, auch eine Chance haben, sich auch in der Marktwirtschaft durchzusetzen. Aber dieses Antizipative, du hast mir im Vorgespräch ein schönes Beispiel aus Kalifornien gesagt, wo ich den Eindruck hab, hier würden alle aufschreien und sagen, ist absolutes Einmischen in meine Privatsphäre. Und wie können die mich, und langfristig denken soll ich jetzt auch noch? Und da geht das in dem Land der Märkte, wo wir immer drüber schielen.
Uwe Cantner
Ja, das sind breitere Ansätze. Wenn man nur denkt, der Verbrenner oder der Nichtverbrenner und was ist dann, sondern man muss das, diese Verkehrs- und Mobilitätsproblematik, die ja klimaschädlich ist, ich glaube, das ist ziemlich gut nachgewiesen, dass man das auf den Prüfstand stellt, dann muss man breiter denken, wie das vorangehen kann. Und das Beispiel, das ich mitgebracht habe, ist in Kalifornien. Wenn du dort ein Mehrfamilienhaus baust mit einem Parkplatz oder einer Tiefgarage, irgendwas, musst du heute schon sagen, was machst du mit der Tiefgarage respektive dem Parkplatz, den Parkplätzen, wenn es autonome Vehikel gibt, da brauchen wir weitaus weniger davon, vielleicht nur 30 Prozent, die wir heute haben. Was machst du mit diesem Platz? Wird da ein Kinderspielplatz draus, Schwimmbad draus oder sonst eine andere Verwendung? Die Verwendung muss schon klar sein, du musst zumindest eine Idee angeben, was das sein kann. Also schon ein bisschen weiter denken als nur die nächsten zwei Jahre, sondern vielleicht die nächsten 20, 30 Jahre. Und ich glaube, dass das der richtige Ansatz ist. Und dann dürfte es eigentlich auch nicht mehr wehtun.
Maja Göpel
Ja, und es ist multifunktional. Dann wären wir eigentlich viel kreativer, mit dem was kann man mit einer Fläche machen. Warum kriegt man denn in Deutschland dann dieses Einmischen, paternalistische, wie können die uns, Freiheitsberaubende? Da sind wir schon wieder beim Thema Kultur. Also wie wichtig ist es denn, wie wir über die Dinge sprechen? Ich glaube, das war eben schon mal deutlich, aber eben auch die Idee von Rollen oder auch vielleicht Beweglichkeit?
Uwe Cantner
Also, die Bereitschaft zur Innovation kann da ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Innovation ist gut, solange es mir nicht so fürchterlich wehtut und ich was davon habe und Wachstum, dann ist alles gut. Solange Innovation das nicht ist, dann habe ich Schwierigkeiten damit. Die Mentalität in Amerika ist eine ganz andere. Ich will das Land auch nicht hochloben in allen Dimensionen, aber die haben eine andere Innovationsmentalität. Radikale Innovation dort zu machen, was durchzusetzen und ganz anders zu machen, ist für das Land an sich kein großes Problem. Mit allen Schwierigkeiten, die es natürlich trotzdem hat.
In Deutschland sind inkrementelle Innovationen, dieser deutsche Incrementalism, der ja immer rumgelaufen ist, der uns ja unheimlich reich gemacht hat. Das ist einfach verfestigt und jetzt soll das auf den Prüfstand gestellt werden. Wir sollen etwas radikal anders machen, wobei das andere doch so gut funktioniert hat. Schritt für Schritt, kleine Verbesserungen. Ich meine, es gibt keine besseren Verbrennerautos als die deutschen. Entschuldigung, wenn ich das mal vielleicht ein bisschen lokalpatriotisch sage. Es gibt keine besseren. Aber das ist ein Auslaufmodell. Da muss man nicht, glaube ich, nicht groß Hellseher sein, und deswegen muss umgestellt werden.
Und jetzt ist die Frage, wer stellt um. Und man muss auch, Hand aufs Herz, auch in den USA sagen, es war ein neues Unternehmen, umgestellt hat. Tesla, das hatte keine große Industrietradition. Das wurde von Musk einfach neu aufgesetzt, mit viel Geld hintendran, alles besondere Bedingungen, gar keine Frage. Und jetzt sollen in Deutschland, wer macht in Deutschland das? Die etablierten Automobilunternehmen, die großen, die sollen das jetzt machen? Und für die gibt es schon ein betriebswirtschaftliches Rational, das rauszuzögern. Die haben einen Riesenproduktionsapparat aufgebaut, viele Investitionen für fossile Technologie. Und den wollen die erstmal wieder reinwirtschaften. Das jetzt ruckartig von heute auf morgen aufzugeben, da tun die sich schwer. Das ist ein Phänomen, das man in der Literatur kennt.
Maja Göpel
Sunk cost heißt das oft, ne?
Uwe Cantner
Nein, das wären keine sunk costs. Das ist der Punkt. Sie sagen, wir machen weiter, weil wir das nicht, weil wir sonst…so gesehen schon, da kriegst das nicht mehr rein investieren.
Maja Göpel
Schon ordentlich Geld versenkt und deshalb kommst du da…
Uwe Cantner
Wenn du es aufgibst, kriegst du es nicht mehr. Wenn du es weiterbetreibst, kannst du das Geld wieder reinwirtschaften. Auf welchem Niveau das läuft, wie lang das läuft, kann man darüber nachdenken. Das ist sogenannte Sailing-Ship-Effekt. Den kennt man aus der Motorisierung der Schiffe. Da haben auch, als die Motorisierung kam, haben die Segelschiffbesitzer nicht gesagt, jetzt gehen wir auf Motoren, nee, die haben auf die Segelschiffe besser gemacht. Durch die Architektur der Segel und was man da alles machen kann. Da sind die auch bisschen besser geworden, aber gegen den Wind sind sie trotzdem nicht gesegelt. Das konnten sie mit dem Motorschiff natürlich machen.
Genau das gleiche Phänomen haben wir in Deutschland auch. Die Großen haben sich einfach geweigert, das umzusetzen aus gutem betriebswirtschaftlichen Kalkül. Das will ich auch nicht in Abrede stellen, aber sehr kurzfristig gedacht. Möglicherweise auch aus einer gewissen Arroganz. Uns kann keiner was, weil die eben die besten in der Welt sind. Das würde ich auch unterstreichen, dass sie sicherlich zu den Besten gehören. Und wir kriegen das auch in den Griff. Von dem Dieselskandal will ich jetzt nicht reden, aber der kann da möglicherweise auch noch mit reingespielt haben. Wird man auch mal dazu sagen. Und so gesehen ist da auch eine gewisse Starrheit gekommen. Und ich meine, die EFI-Kommission, ich kann mich erinnern, ich habe 2020 schon gesagt, die müssen umstellen, das fällt ihnen sonst auf die Füße. Und ich wurde dann im Bundestag bestimmt von der bestimmten Fraktion, dass ich ein arroganter Kerl sei und würde die deutsche Automobilindustrie angreifen, weil ich gesagt habe, ihr müsst euch rechtzeitig umstellen. Denkt dran.
Maja Göpel
Ja, und immerhin darfst du noch fortschrittlich sein. Also, im Klimabereich bist du ja gleich Doomsday-Erzählerin und sagst, der Weltuntergang steht bevor.
Uwe Cantner
Und so ist es. Und jetzt kommen wir mit jeder Runde. Denkt man mal, jetzt können sie es ja vielleicht doch packen. Und dann hat die Politik auch mit ein paar Maßnahmen, mit Kaufprämien und was weiß ich, die finde ich alle nicht so besonders gut. Man hätte das anders machen können und die Industrie hätte anders reagieren müssen, hätte man es rechtzeitig umstellen können. Dass das in Deutschland schwierig ist, hat mit den Strukturen zu tun. Das hat auch mit der Deutschland AG zu tun, dieser Großunternehmen, die ja Deutschland in der Wirtschaft doch ziemlich dominant sind.
Es hat mit einer relativ vergleichsweise zu den USA nicht so gut ausgewickelten Start-up-Szene zu tun, weil man könnte es ja versuchen über Start-up zu machen. Wenn es die Großen nicht machen, dann machen es halt die Kleinen. wäre gar kein Problem damit. Sie brauchen halt eine ordentliche Finanzierung dazu, weil Ideen haben die schon auch. So ist es nicht. Also ist dieses Verkrustete, was wir haben. Und da tun sich andere Länder, teilweise kleinere Länder, teilweise Länder, wo der Innovationswille und die Bereitschaft zur radikalen Innovation deutlich höher ist, die tun sich dort leichter.
Maja Göpel
Hast du vielleicht zwei, drei Beispiele, die nicht unbedingt Skandinavien sind, weil wir kriegen ja immer erzählt, ja, Skandinavien ist so super, gibt es noch woanders welche und dann, warum fällt es uns trotzdem so schwer, zu lernen? Was dein Gefühl?
Uwe Cantner
Also, die USA sind sicherlich, ist ein Land, das sehr heterogen ist. Es gibt Hotspots, Ostküste, Kalifornien, zwischendrin ist auch nicht so besonders viel was los. Aber dort wird viel gemacht und das geht im Wesentlichen aus der Privatwirtschaft heraus. Plus die DARPA. Den sollte man nicht vergessen. Die DARPA ist die Deutsche Sprint oder die Sprint ist die Deutsche DARPA.
Maja Göpel
Sprint ist eine Empfehlung von euch, eine Agentur für Sprunginnovationen.
Uwe Cantner
Genau, wo man radikale Innovationen systematisch versucht zu generieren unter hoher Unsicherheit und so weiter und so weiter und mit hoher Verlustwahrscheinlichkeit, sagen wir mal so auch, dass das nicht alles gut aufgeht. In USA gibt es diese Mentalität auch, das haben die privatwirtschaftlich geschafft. Wenn ich zu anderen Ländern gehe, China ist eine Staatswirtschaft. Die haben viele marktwirtschaftliche Elemente, das ist nicht vollkommen eine Planwirtschaft, aber die haben wirklich mit staatlicher Planung das Ganze vorangetrieben und deswegen sind die jetzt auch so stark im Automobilbereich bei der E-Mobilität.
In Korea ist es auch sehr stark eine Staatswirtschaft, ist auch schon so, dass der Staat eine starke Einflussnahme hat. Es gibt unterschiedliche Modelle, wie man es tun kann, wo nicht ganz klar ist, es ganz ohne Staat immer geht, ob es nur mit Staat geht oder ob es irgendeine Kombination ist. Und da muss quasi jede Volkswirtschaft, jedes Land versuchen, seinen eigenen Weg zu finden. Und Deutschland muss den Weg finden, aus der Verkrustung rauszukommen, Strukturwandel zu akzeptieren, nicht zu blockieren und daraus das Positive zu ziehen. Und da müssen wir lernen, obwohl es auch in Deutschland Beispiele gibt, wo das gut gelingt.
Maja Göpel
Eher auf regionaler Ebene. Es gibt ja manchmal regionale Zusammenschlüsse wie Circular Valley, solche Sachen, oder Circular Ostwestfalenlippe, komme ich jetzt her. Wo man wirklich überlegt, über die einzelnen Player hinweg. Damit bin ich bei Kultur, aber natürlich auch bei dem Innovationsbegriff noch mal. Soziale Innovation, institutionelle Innovation. Wir brauchen ja eigentlich Innovationsökosystem, ist ja deshalb auch so ein Begriff, der klarmacht, was du eben beschrieben hast. Es braucht mehrere Player, die an den unterschiedlichen Hebeln sozusagen sitzen, um die Dinge nach vorne bringen zu können.
Und soziale Innovationen haben ja manchmal einfach auch die Möglichkeit, ohne technologisch verfasst zu sein, ganz viele Dinge in Bewegung zu setzen oder eben bestimmte Bedürfnisse nochmal anders zu bedienen, wie sie von den normalen Marktakteuren nicht angegangen wurden. Das klingt mir so bisschen, häufig, wenn wir diskutieren, eher separat. Also anstatt dass es zusammen gedacht wird. Oder siehst du da auf der Politik schon eine gewisse Breite?
Die DATI, vielleicht noch mal eine Idee, die gut gewesen ist, hat das versucht. Das war eine Initiative in der letzten Bundesregierung, die gesagt hat, wir wollen eigentlich auch in der Gesellschaft mehr zuhören in unterschiedlichen Regionen, wo sich Innovation anbietet und was die bräuchte, um unterstützt zu werden und wie diese Akteure besser zusammenfinden können. Also, wir hatten ja unterschiedliche Konzepte auf dem Tisch liegen und jetzt haben wir wieder eine Neuwahl und es dauert total lange, bis sich sowas durchsetzt. Das war im Forschungsministerium angedockt. Müsste das besser mit dem Wirtschaftssystem verbunden werden. Also, ich habe schon den Eindruck, wir brauchen da so ein institutionelles Update im Kulturellen und der Bereitschaft zu kooperieren.
Uwe Cantner
Also, Stichwort soziale Innovation, Transformation. Ohne soziale Innovation wird nicht funktionieren. Die Technologie alleine macht es nicht, weil der Umgang mit der neuen Technologie erfordert Verhaltensweisen, andere Verhaltensweisen von mir selber, aber auch von mir gegenüber anderen sozialen Partnern. Ganz andere Strukturen, die da aufgebaut werden müssen. Und die sozialen sind unheimlich wichtig.
Wir fanden das in der letzten Legislatur sehr gut, dass es Zarah Bruhn gab, die eine ziemlich prominente Stellung hatte im BMBF, damals noch genannt, und das auch ziemlich gut gemacht hat. Wir haben ein eigenes Kapitel zur Sozialinnovation zusammengestellt, wo wir gemerkt haben, wo es von der Analyse her noch fehlt, wo man was machen kann, was die Politik noch machen kann. Aber ich denke, ohne soziale Innovation wird es letztendlich nicht gehen, auch die ganzen SDGs zu erfüllen, die ja letztendlich im Hintergrund, wenn man gerade in die Nachhaltigkeitsrichtung geht. Also ohne die wird es nicht funktionieren. Mittlerweile ist das Thema ein bisschen wieder verschwunden. Ich habe jetzt in der Hightech-Agenda das nicht so oft gelesen. Es ist nicht so, dass es nicht vorkommt, aber es ist ja so ein Seitenaspekt. Wir betonen auch soziale Innovation, was auch immer das tatsächlich heißen mag. Also, ohne dies geht es nicht.
Soziale Innovation heißt natürlich auch: Neue Technologie können sie alleine entwickeln und einfach reinstellen und fertig, dann ist sie da. Eine soziale Innovation können sie nicht alleine da reinstellen. Da brauchen sie Leute. Und zwar eine hinreichend große Anzahl. Zwei reichen auch nicht, sondern schon eine große. Also diese soziale Interaktion ist unheimlich wichtig. Die braucht man unbedingt. Und das zieht sich eben durch die gesamte Transformationsdynamik durch, dass es eigentlich nicht einzeln geht. Und es geht auch nicht nur einzeln im Wettbewerb zu anderen, sondern eben Zusammenarbeit, Kooperation ist unheimlich wichtig. Ich will nicht sagen, dass der Wettbewerb ganz schlecht ist. Man braucht es auch, die verschiedenen Lösungen miteinander vergleichen zu können. Aber trotzdem dieses Kooperative, dieses Interaktive ist ein Kernelement dieser Transformation.
Maja Göpel
Und weil ich jetzt einfach DATI so in den Raum geworfen habe, kannst du da nochmal erklären, wo der Gedanke herkommt. Ich fand das gut zu überlegen, wie kriegt man die Innovationsdynamik in der Gesellschaft besser gehört sozusagen. Es ging ja auch viel darum zu sagen, wie kann die Politik nicht nur sagen, sondern auch zuhören. Und wenn wir uns überlegen, wo kommt Kooperationsbereitschaft her, sind ja so Sachen wie Vertrauen an, ich möchte etwas beitragen, was die Rahmenbedingungen verbessert und nicht nur, was jetzt mein Lobbyverband, dem ich vorher vorgesessen habe, gerne in einem Energiesystem sehen würde. Das ist ja auch wichtig. Wo kommt das Vertrauen her? Diese Zusammenarbeit, dieses mal zuhören. Wir hören das ja häufig, dass die Politik entkoppelt ist von der Gesellschaft. Fandest du, also vielleicht kannst du für uns noch mal einmal sagen, was die DATI ausgemacht hat und wie man sie vielleicht als Gedanken wiederbeleben könnte? Oder hältst du das jetzt gerade für gar nicht mehr nötig?
Uwe Cantner
Die DATI, Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, wobei Transfer dieses T ganz groß geschrieben werden muss, ist eine Idee gewesen der letzten Regierung, die das Problem, dass wissenschaftliche Ideen aus einem Physiklabor, einem Chemielabor, aber auch aus den sozialen und geistigen Sozialwissenschaften, dass diese Ideen oftmals ihren Weg in die ökonomische, respektive gesellschaftliche Anwendung nur sehr schwer finden. Meistens wird es für wirtschaftliche Anwendungen diskutiert, muss man auch zugeben.
Maja Göpel
Und dann soll die Sozialwissenschaft gucken, wie machen wir denn die Akzeptanz klar?
Uwe Cantner
Ja, so was. So bisschen so läuft das Ganze. Aber dieser Weg ist schwer und andere Länder sind da durchaus besser. Die Amerikaner sind im Umsetzen von wissenschaftlichen Ideen in ökonomisch brauchbare Resultate ziemlich gut. Die Chinesen sind auch gut, und Europa und Deutschland ist da relativ schlecht. Also was kann man tun? Was muss man machen? Und dann kam diese Idee, diese Agentur zu gründen, die dann versuchen sollte, diesen Prozess aus der Wissenschaft raus in die ökonomisch-gesellschaftliche Anwendung zu erleichtern.
Das ist gescheitert, in der ersten Runde, weil man komische Regionalkonzepte sich vorgenommen hat, die nicht tragfähig waren mit irgendwelchen Regionalakteuren, die eine wichtige Rolle einnehmen sollten, aber dafür gar nicht die Kompetenz wahrscheinlich hatten, weil man eine starke Betonung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften vorgenommen hat und die Universitäten fast hinten runterfallen hat. Ich übertreibe jetzt gerade ein bisschen. Also, da gab es viele Schieflagen drin, das war einfach nicht mehr akzeptabel. Dann wurde es in der zweiten Runde, hat man versucht, umzuschreiben. wurden ja auch dann zwei Projekte, den DATI-Pilot und den DATI-Lalala, wurden ja dann auch aufgesetzt, wurde auch viel Geld dafür ausgegeben, man hat neue Vergabeformate ausprobiert. Das war alles ziemlich gut, glaube ich.
Aber was die DATI letztendlich selbst soll, ist mir selbst immer heute noch unklar, warum man soll. Transfer aus der Wissenschaft heraus in die Gesellschaft und die Wirtschaft reinzuwirken. Warum das funktioniert, nicht funktioniert, ist ein lokales Problem. Am Standort Jena, am Standort Kassel, am Standort Berlin. Dort müssen die Probleme vor Ort gelöst werden. Und die Frage ist, wie macht man das? Wie bringe ich die Leute zusammen? Wie kann ich Interaktionsräume schaffen? Kann ich sogenannte Maschinenräume, wird das manchmal, Maschinenräume, wo Unternehmen und Wissenschaftler zusammen, kann ich das generieren? Kann ich das kreieren?
Und das muss letztendlich gemacht werden. Wenn die DATI oder wie das Ding dann immer auch heißt, mag, dafür Mittel und Ideen bereitstellt, finde ich es gut. Wenn man glaubt, dass es eine zentrale Agentur geben sollte, die hätte ja nach Erfurt kommen sollen, übrigens, ist ja gleich bei mir die Ecke, wo alle hinkommen, lassen sich in Transfer beraten, ist das eine Fehlmeinung. Das wird nicht funktionieren. Ich fahre nicht von Kiel nach Erfurt, um mich in Transfer beraten zu lassen. Als Wissenschaftler habe ich sowieso nur halb Lust dazu. Also da müsst ihr schon zu mir kommen und mich davon dafür überzeugen, dass es jetzt wirklich wichtig und richtig ist und dass da ein Potenzial dahinter ist. Ich glaube nicht, dass das DATI-Konzept nochmal kommt.
Es soll diese deutsche Gesellschaft für Anwendungsforschung geben. Ob das jetzt nur ein anderer Name ist. Ich weiß nicht genau, was sich dahinter verbirgt. Das könnte in die ähnliche Richtung gehen. Ich kann nur hoffen, dass es nicht so ist. Aber wir brauchen für diese, auch für diese großen radikalen Lösungen, brauchen wir wirklich diese Formate, die das wirklich aus der wissenschaftlichen Konzeption heraus in die Anwendung bringt. Das brauchen wir schon und daran muss was entwickelt werden. Und ich kann nur hoffen, dass das in der Hightech-Agenda, dass da mehr dahinter herauskommt, als bisher drinsteht.
Maja Göpel
Ja, das Stichworte sind da ja Realexperimente oder Reallabore. Also, ich war auch im Auswahlgremium für die innovative Hochschule. Das waren aus meiner Sicht auch gute Entwicklungen, weil dann erst mal anerkannt wurde, dass nicht nur das Forschen und das Aufschreiben und vielleicht noch die Lehre dann eine gute wissenschaftliche Struktur ausmacht, sondern da ging es auch viel darum, wie können wir in der Gesellschaft, die regional darum ist, Bedarfe erkennen. Weil ich dann natürlich auch dort kulturell und in den dort vorherrschenden…manchmal sind ja auch die Rechtsapparate bei uns im Multiebenen-Systemen jeweils eine, also wirklich passende Lösungen zu finden, die an die Bedürfnisse und Bedarfe der dort lebenden Menschen auch stärker anknüpfen und vor allem auch Arten der Vermittlung zu finden, die wieder Lust drauf machen, die Dinge, ja, also diesen Forschergeist vielleicht wieder ein bisschen zu wecken. Und deswegen habe ich immer wieder diese Kultur so angesprochen, weil ich so das Gefühl habe, momentan, alle sagen, boah: Ich will nicht so richtig. Und dann kommt eher dieses, wer nicht will, findet Gründe.
Aber wir brauchen ja eigentlich diesen Spirit, wer will, findet Wege. Und selbst wenn einer mal nicht funktioniert hat, dann darf ich auch sagen, der hat nicht funktioniert, Thema Fehlerkultur. Und dann darf ich auch deinen mal gut finden. Auch das ist ja unmöglich in dem politischen Apparat gerade. Also ich muss ja immer was doof finden, was die andere Partei gesagt hat. Selbst wenn’s inhaltlich vielleicht gar nicht schlecht war, dann kleb ich einen anderen Zettel drauf, einen anderen Namen drauf. Und inhaltlich ist es noch mal ähnlich, aber ich kann gar nicht diese Kooperationskultur, da bin ich schon wieder bei dem Begriff, ausleben, weil wir uns in so einen komischen Konkurrenzmodus begeben haben in vielen Bereichen. Das heißt ja aber auch, wir könnten das lassen. Also, kulturelle Veränderung ist ja etwas, da muss man auch nicht viel Geld draufschmeißen, das ist eher so eine Entscheidung. Wie können wir denn darauf hinwirken? Also, was ist da eine Einladung, und wer kann die aussprechen?
Uwe Cantner
Naja, sagen wir so, die Gesellschaft an diesen umstrukturierungsradikalen Neuerungsprozessen teilhaben zu lassen, ist, glaube ich, schon das Richtige. Das kann man über Reallabore machen, das ist durchaus möglich. Es gibt ein sehr schönes Beispiel. Eine Kollegin vom KIT, Karlsruher Institut für Technologie, macht Forschung zu Erdwärme. Da müssen Bohrungen gemacht werden und so weiter. Die Bevölkerung war dagegen. Wir wollen keine Erdbohrungen bei uns in der Gegend haben. Dann haben sie aber dafür gesorgt, dass die Beaufsichtigung dieser Experimente, das Ablesen, was da statistisch erhoben wird, dass sie die Bevölkerung einbezogen hat, die waren alle dabei. Das war auf einmal auch deren Projekt. Wir untersuchen, wie das mit Erdwärme funktioniert! Wir suchen nach der besten technologischen Lösung! Nicht die Kolleginnen vom KIT alleine, sondern mit uns zusammen. Wupps, das Ding funktioniert.
Es sind ganz einfache Dinge. Da muss man auch gar nicht großartige Konzepte entwickeln sondern ganz einfache Dinge, wie man die Leute mitmachen lassen kann. Und diese Reallabore sind so eine Möglichkeit, wo man das sicherlich tun kann, wo man bestimmte Dinge ausprobieren kann, wo man versuchen kann, Unsicherheiten wieder zu reduzieren und sie nur in Risiken zu transformieren. Das ist, glaube ich, schon ein wichtiger Punkt. Und das ist der Punkt, man es tun kann.
Das andere Stichwort, das du vorhin geliefert hast, waren auch mal diese Innovationsökosysteme. Ist auch so bisschen Modewort geworden. Aber letztendlich ist es auch das. An solche Neuerungen, an solchen Transformationsprozessen sollen alle die beteiligt werden, die da Stakes drin haben. Das sind die, die es initiieren, das sind die, die es nachher nutzen wollen, das sind die, die möglicherweise auch negativ betroffen sind. Diese verschiedenen Aktiven müssen alle versuchen, dort mitzuwirken. Und das sind dann diese Innovations- oder Gründungsökosysteme oder gestern habe ich den Begriff Transferökosysteme sogar gehört. Also es ergibt eine große Vielzahl. Aber es ist genau dieser Interaktionsgedanke, wo man das zusammen versucht, zu bewerkstelligen. Und ich glaube das muss stärker betont werden.
Maja Göpel
Also ich finde …Wenn man so ein ganz normales Gespräch darüber führt, dann kommt man ja viel eher in diesen Möglichkeitsraum. Wie könnte möglichkeitsraumorientierter Journalismus oder politische Rede aussehen? Warum ist das so schwer? Oder ist das ein Moment, wo du auch sagst, das macht dieses Desinteresse oder sogar Unverständnis aus, was ihr so bisschen in den politischen Strukturen wahrgenommen habt? Oder sind die gefangen auch in so Ritualen? Wo das besonders schwer geht, also auch diese Sprunginnovationsagentur musste ja richtig rausgeschält werden aus dem bisherigen.
Wie kriegen wir anstatt nur zu sagen mehr oder weniger? Im Moment soll ja alles zusammengestrichen werden und sagt man dann ist bessere Verwaltung weniger Bürokratie oder wir streichen das Bürgergeld und dann leisten die Menschen mehr. Aber alles, was du gezeigt hast, ist ja, dass es um eine qualitative und klare, kooperationsorientierte und ein Stück weit visionäre Agenda geht und dann können wir natürlich darüber sprechen. Welche Prozesse sollte man ändern? Welche Technologien braucht es? Wo setzt man die gut ein?
Der Club of Rome hat das mal gesellschaftliches Innovationslernen genannt. Das war der zweite Report nach Limits to Growth, also dieses Grenzen des Wachstums, 72, der berühmte. Und ich halte das immer so gerne hoch, weil 78 kam der Report Keine Grenzen des Lernens. Weil die nicht gesagt haben, ja, wir haben euch jetzt gesagt, geht irgendwie alles so nicht weiter und tschüss, jetzt habt ihr die Diagnose, sondern sie hatten ja zwei Szenarien, wie es super ausgehen kann, wie es gut ausgehen, wenn wir frühzeitig agieren und wirklich diese Strukturen anfassen. Und dann gesagt, wo liegt das größte Potenzial? Und das, haben sie gesagt, ist in diesem gesellschaftlichen Innovationslernen. Und haben diagnostiziert, was ich jetzt bei dir auch rausgehört habe, wir sind aber fast immer im Schock-basierten Innovationslernen. Also wir halten so lange an den Faden, die wir bisher haben, fest, bis sie uns quasi auf den Kopf fallen. Und dann wird sehr frenetisch und ohne natürlich viel Aushandlungsmöglichkeit doch irgendwie eine Lösung gesucht. Wie kriegen dieses langfristige, die das kulturelle, dieses visionäre mehr rein? Also, welche Akteure würdest du da gerade im Zentrum sehen? Ist das die Wissenschaft? Ist das die Wissenschaft mit den Medien? Ist das eine Einladung an die Politik? Ist das bestimmte Politik-Ebene? Die Kommunen werden ja im Moment immer genannt, sind gleichzeitig aber total verarmt. Also, wenn du überlegst, was sind die wichtigsten Hebel für dich gerade, wo wir draufgehen sollten, damit Innovation A ganzheitlich gedacht wird und B eine Aufbruchsstimmung wirklich freisetzen könnte.
Uwe Cantner
Großes, großes, Thema.
Maja Göpel
Du hast jetzt noch drei Minuten, komm schon!
Uwe Cantner
Also erstens, fangen wir mit den Medien an. Ich glaube der Innovationsjournalismus, der Wissenschaftsjournalismus braucht mehr Raum. Man arbeitet ja dran. Ich will die Kolleginnen dort gar nicht kritisieren. Die versuchen wirklich das so aufzuschreiben, dass es jeder verstehen kann und eben nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das ist ja eine eigene Sprache für sich. Das wird schon gemacht. Das kann mehr gemacht werden. Zum Zweiten, die Medien müssen mehr Positivnachrichten auch verbreiten können und müssen nicht immer nur das Negative suchen und es dann auch noch richtig auswalgen, wie schwierig das alles ist. Die Medien haben schon ihre eigene Aufgabe in dem Spiel.
Der zweite Punkt ist, die politische Lage, in der wir zurzeit sind, ist eine extrem schwierige. Und sie ist möglicherweise typisch für Transformationen. Bei Transformationen gibt es Akteure, die voranschreiten wollen, zum qualitativ Besseren zum anderen zu kommen, um Strukturen zu verändern und und und. Aber gibt genauso viele Akteure, die sagen, nein, nein. Konservativ, wollen, dass alles beim Alten bleibt. Warum denn? Warum müssen wir in neue Wege gehen, solange das Alte noch einigermaßen gut funktioniert? Dann lassen wir das lieber so.
Und dieser Widerspruch zieht sich ja durch die Parteienlandschaft in Deutschland. Die Partei der Grünen ist ziemlich fortschrittsorientiert. Die wollen das alles ändern und neu machen und so weiter. Manchmal machen sie es auch ungeschickt, aber darum geht es ja gar nicht. Aber sie wollen dahin, und andere Kräfte eher am rechten Rand, versuchen ja alles konservativ so beizubehalten und die Strukturen zu belassen und auch die ganzen Probleme etwas klein zu reden. Und in diesem Wechselspiel müssen sich die Politiker nun bewegen und müssen dort agieren.
Und ich habe bisher niemanden gesehen, der wirklich diesen Optimismus versprüht und sagt, es kann besser werden. Und wir haben eine Idee und wir haben eine Vision, wo es hingeht. Und die Vision hat auch irgendwo einen Namen. Ich bin kein Marketing-Experte, frag mich jetzt nicht, wie die heißen kann. Aber irgendwas, wird ja kluge Leute geben. Und das fehlt letztendlich. Sondern man versucht eigentlich nur, dem politischen Gegner auf den zu reagieren.
Und ich sehe zurzeit auch einen gewissen verstärkten Konservatismus, auch einen Revisionismus im Sinne Dinge wieder zurückzudrehen, die eigentlich schon in die richtige Richtung gelaufen sind und in dem Spiel warte ich immer auf jemanden, der so eine Aufbruchstimmung erzeugt. Und ich bin momentan zurzeit so ein bisschen, würd sagen nicht total pessimistisch, aber ein bisschen disillusioniert, sage, na ist das eigentlich? Weil genau diese Aufbruchstimmung braucht man. Und das gibt es eben woanders schon in USA. In Silicon Valley gab es eine Aufbruchstimmung und wir sind die, die machen. Wir sind die Besten.
Ich meine, das hat es in Deutschland auch gegeben. Ich meine, ich komme ja aus Jena, also zugewandert, ich bin kein richtiger Jena-Nenzer. Und die Firma Zeiss, die ja für Top-Technologie steht, weltweit, auch während der DDR-Zeit, die hatten zwei Aussagen, die die Leute zusammengehalten haben. Erstens, wir sind präziser als präzise. Wir können hochpräzise arbeiten. Und zweitens, wir sind besser als alle anderen. Und das hat die alle zusammengehalten, und die haben alle an einem Strang gezogen. Heute noch. Und so was brauche ich, so eine Vision und so ein Gemeinschaftsgefühl. Und wenn das nicht erzeugt wird, wird es schwierig.
Die Politik tut sich schwer. Sie haben ihre eigenen politischen Vorstellungen, eigenen politischen Karrierewege, was weiß ich, wo die alle hinwollen. Aber ob sie wirklich so das, du hast irgendwo auch geschrieben, das Gemeinwohl, den Gemeinsinn, das Gemeinsame wirklich so im Sinn haben, die sagen schon immer ja, ja, natürlich, was soll man so anders sagen, aber ob es dann wirklich de facto ist, habe ich manchmal so bisschen meine Zweifel daran. Und wir brauchen mehr Zuversicht in dieser Gesellschaft.
Maja Göpel
Ich finde, da habe ich eine Sache rausgehört, weil ich habe auch das Gefühl dieses Stolzmomentum, wir können auch noch was anderes als nur die ökonomischen Zahlen. Also ich kriege da auch wirklich Briefe von Ingenieuren, Ingenieurinnen und anderen aus der Pflege, natürlich sowieso aus dem Bildungssystem. Wir könnten das viel besser. Also, wir könnten qualitativ hochwertig mit geringem ökologischen Fußabdruck Sachen anbieten, die Ingenieure. Wir können natürlich Bildung und Pflege ganz anders anbieten, wenn wir eine andere Personenanzahl hätten. Also, da geht ja irgendwann das ökonomische Kalkül, es muss alles ganz wenig kosten und ganz viel geleistet werden, auch rückwärts. Also dann ist die Qualität dessen, was ich noch anbieten kann und vor allem auch meine gesamte Verfasstheit, wenn ich nach Hause komme, ausgepowert, geht ja eigentlich den Bach runter.
Und dieser Stolz nicht nur über ökonomische Zahlen, da vergleichen wir uns ja auch mit komischen, also Silicon Valley war ja eine Zeit lang wirklich ein Vorreiter. Im Moment denke ich so, huch, das kippt aber ganz schön in eine andere Richtung. Gemeinwohl ist da gar nicht mehr vorgesehen. Aber tatsächlich messen wir ja immer noch an den Verkaufszahlen, immer noch an vor allem den börsennotierten Werten, egal ob die Aktienrückkäufe getätigt haben, was überhaupt keine Investitionen in neue Innovation bietet, sondern einfach eine Möglichkeit zu sagen, ich kaufe jetzt die Aktien zurück und damit treibe ich den Preis, weil dann sieht mein Betriebsergebnis gut aus und dann kriege ich einen Bonus als Manager.
Also sind ja ganz viele komische Anreizsysteme eingebaut, die genau nicht den Zeiss-schen Moment freisetzen, wir sind die Besten und wir sind präziser als präzise, wo es wirklich auf das Ergebnis ginge, sondern wir werden so ökonomisch eigentlich fremd gesteuert. Deshalb, wir haben ja mal darüber diskutiert, wie kriegt man diese ökonomisch blinden Kennzahlen so bisschen geerdet, aber auch wenn wir messen, wie viel an Forschung und Entwicklungsbudget ausgegeben wird, dann steht da eine Zahl oder für Bildung wird ausgegeben so und so viel Prozent vom Bruttoinlandsprodukt.
Aber ist das Bildung, die heute die Menschen befähigt, Akteure zu werden in dieser komplexen Welt oder ist das eine Bildung, die im Grunde genommen ihnen veraltete Dinge mitbringt? Wo wird das Geld in Forschung und Entwicklung reingesteckt? In das Beibehalten des Pfades oder in die Sprunginnovation? Da gab es ja Vorschläge auch von eurer Kommission, wie wir diese Wirkungsorientierung auch viel besser sichtbar machen können, weil dann können wir auch Erfolge zeigen, weil wir aufbauen einen neuen Pfad, selbst wenn er in den ökonomischen Zahlen kurzfristig noch nicht so super aussieht, weil das ist ja ganz oft bei transformativen Prozessen: Ich muss erstmal umbauen, ich muss erstmal investieren und danach flutscht es auch ökonomisch wieder. Aber ich kann nicht die ganze Zeit diese Kurve nach oben ziehen, wenn ich gleichzeitig etwas komplett neu aufsetze.
Uwe Cantner
Na gut, es gibt zwei wichtige Antworten darauf. Die erste ist natürlich, das was wir machen, in der EFI ist quantitativ evidenzbasiert, quantitativ orientiert gewesen oder ist orientiert nicht gewesen, ist immer noch. Also, man nimmt Zahlen, Werte, gemessene Indikatoren und versucht mit denen ein Konstrukt aufzusetzen, das nachher mir hilft, Politikmaßnahmen in die eine oder andere Richtung vorzuschlagen, zu empfehlen.
Es gibt noch mehr als Zahlen, es gibt noch mehr als Werte. Wir sind eben darauf justiert, jetzt alles immer quantitativ zu sehen. Es gibt viele, viele qualitative Dimensionen, die ich quantitativ kaum oder nur schlecht fassen kann, die aber eine wichtige Rolle spielen. Ich hatte vorhin gerade das Wörtchen Zuversicht gesagt. Zuversicht ist ganz, ganz was Wichtiges. Aber das jetzt irgendwie zu messen, müsste man einen Psychologen fragen, ob das geht, ich vermute mal nicht. Also das ist das eine.
Das andere ist, die Indikatorik, die wir haben, die volkswirtschaftliche Indikatorik, auch die innovationsökonomische Indikatorik, also F&E-Ausgaben und Patente und so weiter, ist darauf ausgerichtet, Quantitäten abzubilden, wobei in der Regel mehr ist besser, als weniger rauskommt. Ich will das nicht vollkommen überheben, es gibt auch Punkte, wo man sagt, zu viel ist zu viel, aber im Prinzip mehr ist besser, als weniger.
Was wir aber zurzeit brauchen ist nicht mehr ist besser als weniger, sondern was heute ist, ist nicht so gut wie was wir anders brauchen. Und das kann ich nicht einfach von fünf auf sieben erhöhen, sondern die Fünf ist was ganz anderes als die Sieben. Die kann ich auch gar nicht miteinander direkt vergleichen. Und dafür ist die Indikatorik eben nicht ausgerichtet. Ich habe das mehrfach beim BMBF damals auch vorgebracht. Ihr müsst eure eigene Leistungsplan-Systematik umbauen, dafür sorgen, dass wir die Richtungsänderungen bemessen können. Die F&E-Statistik muss so sein, dass ich weiß, ob nun ein Automobilunternehmen die Gelder, die es für F&E einsetzt, nun für Fossil einsetzt oder für Alternatives. Gut, die Frage, ob die Unternehmen selbst genau wissen, wie viel da und da reingeht, das ist immer ein anderer Punkt. Das findet einfach letztendlich nicht statt.
Wir haben im letzten Gutachten mal dafür gesorgt, dass wir zumindest mal rausbekommen haben über eine eigene Recherche, über Textmining sozusagen, was wird denn für Digitales ausgegeben? Was in den ganzen Töpfen irgendwo verschwindet. Und dann kommt man schon zu ganz anderen Ergebnissen. Und letztendlich diese Richtungsänderung muss eben auch mit der Indikatorik abgebildet werden.
Ich meine, jetzt gibt es an Hochschulen, auch an meinem Lehrstuhl gibt es schon Leute, die sich damit befassen, die versuchen aus Patenten Richtungsänderungen abzulesen. Aber sagen wir mal, eine systematische Erhebung dazu, deutschlandweit, europaweit, weltweit gibt es letztendlich nicht. Und deswegen tun wir uns da noch unendlich schwer. Also, da hat die Wissenschaft noch nachzulegen. Und das ist auch etwas, was ich eigentlich noch vorhab, dass das besser werden soll.
Maja Göpel
Aha! Also damit sind wir bei deinem nächsten Projekt. Die Dramatik der Transformation, da möchte ich dich gleich noch mal zu fragen und einmal noch kurz einen Ausblick in den politischen Raum gemeinsam suchen, weil ich hatte das Gefühl, diese europäische Vision, dann kann man sagen, Green Deal war schwierig, weil Green mit einer Partei zumindest bei uns auch konnotiert war. Aber da war ja, wir schaffen die Dekarbonisierung, wir gehen in Zirkularität, also, wir wollen tatsächlich gucken wie eine Kreislauf-Orientierung in der Art, wie wir Industrie-, aber auch Ernährungssysteme aufsetzen, voranschreitet, damit wir den Ressourcenverbrauch reduzieren. Und wir schaffen das sozial ausgeglichen mit einem Wertesystem, wo Innovation eben in gesellschaftliche Absicherung eingebettet ist.
Das ist ja eigentlich erst mal so was wie so ein Moonshot, wurde es ja auch genannt, gewesen. Und ich fand jetzt auch, wenn man sich durch die State of the Union Address, das ist ja so die große Ansprache der Kommissionspräsidentin, die immer im September es anhört, dann vermisse ich sowas in den großen Ansprachen bei uns ja schon, weil sie noch mal gesagt hat, unser Kontinent sollte da und dahin kommen, das sind unsere Ziele, jetzt sind neue Bedrohungskulissen, das hat sie auch benannt, und hat dann Maßnahmenpakete genannt, wo sie gesagt hat, deshalb tun wir diese und jene Dinge und hoffen, dass diese Effekte eintreten.
Das war für mich so ein Plan, ohne dass der komplett vorgegeben hat, wie es funktioniert. Aber wir hatten dann ja auch innerhalb des Green Deals eben die unterschiedlichen Programme, die auch in jedem Ministerium sozusagen, da sind es ja Generaldirektionen, geguckt hat, wie wirken denn die einzelnen Maßnahmen, die wir dort haben, von der Vergabe für Forschungsmittel, von der Vergabe von Subventionen bis hin dann eben zu Trainingsangeboten, wie Jobs in Richtung Dekarbonisierungsfähigkeiten ausgerichtet werden können.
Das war wie ein Paket für mich. Jetzt kann man immer noch in der Umsetzung im Detail wieder rumfrickeln. Aber da hatte ich das Gefühl, wow, da ist so eine Stoßrichtung und so eine Vision. Und jetzt brauchen wir ja Europa mehr denn je. Welches der Länder könnte in Deutschland auf den Hof geritten kommen und sagen: Leute, macht mal wieder mit, weil wir merken ja auch ein bisschen nationale Orientierung jetzt hier gerade, was das Europäische nicht so leicht macht, obwohl wir gleichzeitig wissen, ob der neue Bedrohungskulisse Europa wäre schon gut als Größenordnung?
Uwe Cantner
Also Europa ist die richtige Größenordnung. Deutschland alleine wird es nicht schaffen, gegen die großen Konkurrenten aus China und den USA anzutreten. Sollte man dazu sagen, es sind die ganzen Hyperscaler, die die Technologie dominieren mit massig Geld. Unendlich ist es nicht, aber sehr viel. Deutschland schafft das nicht, Frankreich schafft das nicht, das kann nur die Europäische Union letztendlich schaffen oder Europa. Das ist der richtige Punkt. Wir brauchen ein übergeordnetes Konzept. Du hast das gerade in Grundzügen beschrieben. Sowas ist richtig und wichtig.
Die High-Tech-Agenda, denke ich mal, hätte es so sein können. Sie kommt, sie schafft es halt nicht komplett, aber vielleicht muss diese auch noch ausgebaut werden, quasi diese Interaktion verschiedener Politikbereiche vor dem Hintergrund eines oder mehrerer großen Ziele. Das kann das Green Deal sein, das kann die Schlüsseltechnologien und die technologische Souveränität sein. Darüber können wir lange diskutieren, welche das sind. Das sind alles schon die richtigen Themen und das muss letztendlich aufgesetzt werden.
Das Problem meiner Ansicht nach ist, dass diese transformativen Veränderungen zwar jedem irgendwo teilweise auch intuitiv bewusst sind, dass aber ein großes Verständnis für die, wie die Prozesse in der Transformation sind, worauf es ankommt und wo man dann möglicherweise auch eingreifen muss. Dafür gibt es noch kein großes Verständnis. Und die Beratungsszene in Deutschland ist schon so aufgestellt, dass sie eher die tradierten konjunkturpolitischen, wachstumspolitischen Maßnahmen vorschlägt, Steuersenkung, Energiepreiserleichterungen und noch zwei, drei Sachen. Und das Thema Transformation, transformativer Wandel, Strukturwandel einfach außen vor lässt, in der Hoffnung, sage ich jetzt mal, der Markt wird’s schon richten.
Bloß noch mal, die Weberaufstände und so weiter, das waren massive soziale Bewegungen, die da initiiert wurden und gewalttätig ausgetragen wurden. Und das wird vergessen. Strukturwandel auf transformativer Ebene birgt Riesen-Krisenpotenziale. Wenn ich das nicht richtig angehe und denke, das wird sich von von selber regeln, dann regelt es sich wahrscheinlich so, wie es sich historisch geregelt hat, dass wir uns eben dann darum, Entschuldigung, ich mal so lapidar darum kloppen. Und das sollte letztendlich nicht passieren. Die Politik könnte besser sein.
Maja Göpel
Es kommt ja aus jeder Kommission, die sich mit einem Energiesystem der Zukunft befasst oder einem Ernährungssystem der Zukunft. Da kommt immer das Wort Gemeinschaftswerk raus. Also, das ist mir so richtig aufgefallen, ob das von Herrn Töpfer war, der die Energiekommission geleitet hat, Zukunftskommission, Landwirtschaft. Es gibt ja auch wirklich Prozesse, wo sich auch die ganzen Akteure an der sogenannten Wertschöpfungskette, ist ja so ein schönes Wort eigentlich, der Wert, welchen wollen wir schaffen. Schöpfung hat dieses Kreative drin und Kette macht völlig klar. Es gibt nicht nur eine Person, eine Technologie, eine Innovation, sondern die sind verkettet und können sich gemeinsam nach vorne entwickeln.
Und ich habe auch so das Gefühl, wenn wir die großen Sorgen heute uns angucken, ist ja eher dieses alle checken aus und gucken nur noch für sich anstatt dieses wir bündeln Ressourcen und schmeißen das, was wir haben, so zusammen, dass wir gemeinsam besser hinten rauskommen. Also, deshalb dieses Gemeinschaftswerk nehme ich mit. Dann eine neue Beschreibung: Wie wird es etwas Attraktives, wo vorherige Grabenkämpfe aufgelöst werden können? Freiheitsenergien war ja so Moment, als der Angriff von Russland auf die Ukraine gestartet ist, dann war das das liberale Momentum, erneuerbare Energien, die sehr grün angemalt waren, vorher zu adaptieren und zu sagen, so, da gehen wir jetzt rein. Es war so ein Mobilisierungsmoment, was hatte auch dieses Stolze mit drin, wir schaffen das, und wir sind wehrhaft.
Und dann braucht es wirklich eine andere Form von Kooperation, was in dem Moment ja auch gelungen ist. Da ist ja anders tatsächlich über Grenzen hinweg und Ressorts hinweg, und mit der Wirtschaft, hat ja sogar Frau Reiche gesagt, übermenschliche Anstrengungen vollzogen worden, das Energiesystem unter diesem Schockmoment stabil zu lassen. Da könnten wir doch wirklich von lernen.
Was sind denn die drei Missionen jetzt einfach als Abschluss, von denen du sagen würdest, die müssten oben auf die Agenda um so ein bisschen an das gefühlte da-muss-doch-jetzt-was-passieren anzuknüpfen, ohne dass wir nur einen heißen Herbst oder richtig durchgreifen, es wird ordentlich knallen. Also, da werden auch Begriffe benutzt aus dem politischen Raum, wo man jetzt als Bevölkerung nicht unbedingt denkt, ich freue mich drauf.
Uwe Cantner
Drei ist immer schwierig. Das ist jetzt sehr subjektiv, wie das ist, aber ich glaube zumindest, dass alles, mit Nachhaltigkeit und Greenification zu tun hat, das darf nicht unter den Tisch fallen. Das ist ein ganz breites Gebiet, da muss man drinnen auch nochmal priorisieren. Da muss man gucken, wie das geht. Aber das ist Thema, was ich so das Gefühl habe, dass zur Zeit ein bisschen an die Seite geschoben wird. Ich würd nicht sagen, dass es unter den Tisch fällt, aber an die Seite geschoben wird, ist, glaube ich, kein gutes Zeichen. Das andere ist, wir müssen, wenn wir jetzt nachschauen, wo in unserer Wirtschaft sind denn die kritischen Bereiche, wo kannst du denn am schnellsten zu einer ganz schwierigen Situationen kommen, dann ist es, glaube ich, schon der Automobilbereich-Sektor, wo wir aufpassen müssen.
Denn wenn die großen Automobilunternehmen das nicht mehr schaffen, zigtausende von Arbeitskräften entlassen werden, dann haben wir ein Riesenproblem. Da muss Vorsorge getroffen werden. Kurzer Exkurs: Baden-Württemberg ist nicht dumm da drin. In Baden-Württemberg wird man sich auch nicht freuen, wenn die dortigen Automobilunternehmen es nicht mehr schaffen. Aber man ist vorbereitet. Es gibt das Gesundheitsvalley, es gibt das Cybervalley, es gibt genug Alternativen. Wenn ich nach Wolfsburg gehe, sehe ich das nicht.
Also man kann es schon so oder so machen, ein bisschen vorbereitet sein. Also ich denke, das ist ein wichtiger Bereich und dann muss man eben die anderen Bereiche mit abdecken, dann geht es wahrscheinlich in den Maschinenbau rein. Ich glaube, das ist ganz wichtiges Thema, die Chemie ist, da sehe ich auch nur sehr bescheidene Anmerkungen dazu, dass es auch eine nicht-fossilische Chemie geben kann, obwohl ja in dem Dreieck Leuna Halle ist ja ein Forschungszentrum eingerichtet worden für nicht-fossilisch Chemie mit viel, viel Geld und da spielt die Musik, da ist einer der besten Chemiker.
Maja Göpel
In Bitterfeld.
Uwe Cantner
Ja, genau da, Halle, Leipzig, Leuna, irgendwie. Egal. Da ist einer der besten Chemiker Deutschlands dran und macht das Ganze. Also das muss vorangetrieben werden. Und dann müssen eben auch die großen Chemieunternehmen mitziehen. BASF und andere, wo ich noch nicht so die großen Bewegungen sehe, die dann doch eher sagen, wir müssen den chinesischen Markt besser bedienen, um überleben zu können. Das ist kurzfristig gedacht, langfristig wird das auch nicht funktionieren. Also, das sind schon diese Bereiche, die man da abdecken muss. Und dann muss man teilweise wahrscheinlich auch in nicht so ganz prominente Bereiche reingehen. Das hat mit der Landwirtschaft zu tun und, by the way, um ein bisschen Werbung zu machen, hat auch mit der Wasserversorgung zu tun.
Wasserversorgung ist ja so ein Thema, naja, solange bei mir das Wasser aus dem Wasserhahn kommt in der Früh und am Abend ist alles in Ordnung. Aber es ist nicht sehr viel in Ordnung. Da gibt es auch einen großen Renovierungsbedarf, und da würde ich mir auch wünschen, dass mehr gemacht wird. Aber es sind verschiedene Bereiche, die ich jetzt auch nicht gegeneinander abwägen möchte. Aber wo man was tun muss und ein übergeordnetes Konzept und einen Priorisierungsprozess, der das Ganze leisten kann, der muss installiert werden, da sehe ich Schwierigkeiten.
Und den sogenannten Chief Technology Advisor, den wir 2021, 2022 schon mal vorgeschlagen haben der deutschen Bundesregierung, dass sie das einführen soll. Also jemand, der technologisch das Ganze überblickt mit allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Jemand, das ist natürlich ein Büro, nicht ein Mensch, sondern ein Büro, denke ich, brauchen wir unbedingt, aber es ist auch wieder abgelehnt worden. Großer Fehler.
Maja Göpel
Da fahren wir noch zwei weitere Positionen ein, die, glaube ich, ganz cool wären. Das eine wäre vielleicht so ein Guardian für die Langfristigkeit oder für zukünftige Generationen, aus dieser Kurzfristorientierung rauszukommen, zu sagen, wie kann man denn durch eine langfristige auch Kalkulation die Kosten und Nutzen anpassen oder eben von der 5 auf die 7 denken. Das ist dieses Vorstellungsraum, dieses Imaginierende. Und was ich total dir wirklich dankbar bin, zu sagen, ein Innovationsökosystem sollte den Begriff Ökosystem ernst nehmen und fragen, wo kommen die Ressourcen eigentlich her, wie lange sind die verfügbar und wie sollten wir mit ihnen umgehen, damit die natürlichen Systeme sie für uns auch regenerieren können.
Uwe Cantner
EFI-Dauerthema, löst das Problem mit den Hyperscalern aus den USA und China mitzuhalten über Ökosysteme? Ihr kriegt die Ressourcen nicht unter ein Dach. So groß schaffen wir es in Europa nicht. Aber wenn wir die Akteure in einem guten Zusammenspiel unter ein Dach bringen, nenne wir es Ökosystem alles in Ordnung. Und zwar alle relevanten Akteure, nicht nur 3, 4, 5. Und das zukünftige. Das ist für mich ein Grundproblem.
Wenn es uns abstrakt gedacht, fiktiv gedacht gelingen würde, die zukünftigen Generationen, also meine Urenkel, die noch nicht auf der Welt sind und auch danach noch, die mit an den Tisch zu holen und über diese Situation heute zu diskutieren, was wir zu tun haben und was wir zu lassen haben. Da würden die uns ziemlich klar sagen, was geht und was nicht geht. Die würden uns ziemlich klar Auftrag geben, sagen, das müsste er so und so machen, wir geben dann unseren Teil irgendwann auch dazu. Aber das haben wir ja nicht.
Und deswegen, wer ist der Anwalt eigentlich der zukünftigen Generation? Wer hat so eine Langfristdenke? Es müsste eigentlich die Politik sein. Und sie verkommt in einem Vier- oder Fünfjahreszyklus von Ideen und Konzepten und die Langfristperspektive vergisst sie tendenziell eher. Und deswegen: Der Anwalt der zukünftigen Generationen sitzt nicht am Tisch. Und der würde uns unheimlich helfen.
Maja Göpel
Uwe, ich danke dir. Für mich ist die Quintessenz von heute, wer noch immer nicht begriffen hat, dass die Idee, man Nachhaltigkeit und Innovationen gegeneinander stellen sollte, anstatt dass sie zwei Zwillingsgeschwister sind, hat einfach nicht genug hingeguckt.
Uwe Cantner
Ja. Zustimmung.
Maja Göpel
Danke dir.
Maja Göpel
So, vielen herzlichen Dank fürs Zuhören. NEU DENKEN ist ein Projekt von Mission Wertvoll, einem Science-Society-Netzwerk, das sich den Chancen und Wegen in eine nachhaltige Zukunft verschrieben hat. Wie wir da hinkommen, das werden wir gemeinsam herausfinden, und deshalb freuen wir uns über eure Aufmerksamkeit, aber auch über Feedback oder Wünsche; Welche Themen ihr mal neu denken möchtet oder welche Gäste ihr dafür besonders prädestiniert findet. Wir haben dafür eine Email-Adresse eingerichtet die heißt neudenken-ät-mission-bindestrich-wertvoll-punkt-org. Hoffentlich bis auf ein nächstes Mal!