Debattenkompass Wert & Wirkung

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Mit Wert & Wirkung bieten wir einen wissenschaftlich fundierten Kompass für die Debatten unserer Zeit an. Diesmal erklären wir, warum uns das Denken in Szenarien hilft, neue Möglichkeitsräume für die Zukunft auszuloten. 

In wilden Zeiten neigen wir dazu, in den Rückspiegel anstatt nach vorne zu schauen. Nur gerät das System so weiter in Schieflage, anstatt für Stabilität zu sorgen. Was früher Wohlstand und Sicherheit brachte, führt heute an ökologische, wirtschaftliche und soziale Grenzen. Aber wie schaffen wir den Weg in eine neue Zukunft?

In der menschlichen Geschichte ist Veränderung die Regel, keine Ausnahme. Immer wieder gab es große Umbrüche – also Transformationen, mit denen alte Strukturen endeten und neue entstanden. Ein solcher Wandel hängt davon ab, was wir Menschen für möglich oder unmöglich halten: Was ist normal, machbar oder legitim?

Ein Modell, das zeigt, wie sich die Zukunft entwickeln könnte

Der britische Zukunfts- und Innovationsforscher Bill Sharpe hat ein Modell entwickelt, um den Prozess gesellschaftlicher Veränderungen leichter verständlich zu machen. Sharpes Denkmodell beschreibt drei Horizonte: den Status quo, die Übergangsphase und die tragfähige Zukunft. Das sind die Perspektiven unterschiedlicher Akteure – je nachdem, welche Ansätze sie in die Gesellschaft bringen.

Das Modell der „Drei Horizonte” zeigt, auf welche Weise sich unsere Zukunft entwickeln könnte. Quelle: International Futures Forum / Bill Sharpe 2020

Horizont 1: Der Status quo – die erstarrte Gegenwart

Der erste Horizont beschreibt die Welt, wie sie heute ist: etablierte Systeme, Infrastrukturen und Denkweisen. Hier zählen Effizienz, Optimierung und Stabilität. Doch es gibt erste Anzeichen von Erosion. Die Nebenwirkungen des alten Systems werden zur Belastung.

So brauchen wir für die Produktion von Strom und Energie noch immer größtenteils fossile Brennstoffe, die lange für Wachstum und Wohlstand gesorgt haben. Doch heute wissen wir, dass sie Klima und Umwelt massiv schädigen. Ein „Weiter-so“ führt uns in eine Zukunft voller Umweltkatastrophen und geopolitischer Abhängigkeiten. Setzen wir den bisherigen Kurs fort, gefährden wir unsere Lebensgrundlagen.

Dennoch scheint Horizont 1 der bequemste Weg. Auch vor den Koalitionsverhandlungen punkteten Politiker damit, ihren Wählerinnen und Wählern zu erklären, es könne alles bleiben, wie es ist, indem sie darüber debattierten, angestoßene Veränderungen wieder rückgängig zu machen: So sind zuletzt Stimmen laut geworden, die über eine Wiederinbetriebnahme der teilweise zerstörten Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 nachdenken. Das würde die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Russland wieder erhöhen und den Weg zur Klimaneutralität behindern. Auch eine Abschaffung oder Reform des Heizungsgesetzes sowie das Aufschieben des Kohleausstiegs bis 2038 werden diskutiert.

Horizont 3: Die tragfähige Zukunft – Visionen entwickeln

Schauen wir in die Zukunft: Der dritte Horizont im Modell des Zukunftsforschers Bill Sharpe zeigt, wie wir die Welt radikal neu denken. Dafür brauchen wir Visionäre und Pioniere: Menschen, die sich trauen, Bestehendes infrage zu stellen und neue Lösungen zu entwickeln. Sie helfen das, was heute noch utopisch und unrealistisch klingt, normal zu machen.

So war es auch einmal mit der Demokratie: Noch vor wenigen Jahrhunderten galt sie als radikale Idee. Damals wurden Menschen, die sagten, das Volk könne seine Regierenden wählen, als Träumer oder Realitätsverweigerer abgetan. Doch die Idee der Demokratie setzte sich durch und wurde zur Grundlage unserer modernen Gesellschaft.

Die Entwicklung der Demokratie zeigt, dass utopische Ideen zur neuen Normalität werden können. Und das gilt auch für die soziale und ökologische Wende, die wir jetzt brauchen – um unsere Lebensgrundlagen und damit Wohlstand, Sicherheit und Freiheit für heutige und kommende Generationen zu sichern.

Horizont 2: Die Übergangsphase – Transformation gestalten

Aber wie kommen wir dorthin? Zunächst durchlaufen wir den zweiten Horizont, in der die bestehenden Strukturen noch fortwirken. In dieser Übergangszeit befinden wir uns jetzt. Um weiterzukommen, brauchen wir Entrepreneure und Innovatoren: Menschen, die das Alte mit dem Neuen verbinden und Brücken bauen. Sie arbeiten an hybriden Lösungen, die die bestehenden Systeme nicht sofort ersetzen, sondern schrittweise weiterentwickeln.

Diese Phase ist oft von Spannungen geprägt. Alt und Neu stehen nebeneinander, konkurrieren um Ressourcen und Anerkennung. Dabei kommt es auf geschicktes Navigieren an: Welche Lösungen setzen sich durch? Wie schnell kann der Wandel geschehen?

In Norwegen dominierte beispielsweise lange der Verbrennungsmotor. Für Elektroautos gab es nicht genügend Ladesäulen. Doch durch neue politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen stehen sie mittlerweile an vielen Orten, mit dem Aufbau der Infrastruktur ist die E-Mobilität weiter auf einem Wachstumskurs.

Mut zur Zukunft: Wie wir die Horizonte nutzen können

Schauen wir uns die aktuellen Debatten an, wird sichtbar, dass es bequemer ist, innerhalb der bestehenden Pfade weiterzumachen. Einfach, weil die Zahlen und Erzählungen, die diesen aktuellen Zustand legitimieren und rechtfertigen, so wenig hinterfragt werden.

Dabei vergessen wir, dass unser Wohlstand, unsere Sicherheit und Gesundheit auf stabilen Ökosystemen, fairen Rahmenbedingungen und inklusiven Institutionen beruht. Um eine tragfähige Zukunft zu schaffen, müssen wir unseren Kurs korrigieren. Denn nur, wenn unsere Maßnahmen zu den gesellschaftlichen Zielen passen, können wir diese auch erreichen – und unsere Lebensgrundlagen und die Versorgungssicherheit schützen.

Die gute Nachricht ist, dass die große Mehrheit der Länder sich mit den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) bereits einen klaren Rahmen gesetzt hat, um die Sicherheit, den Wohlstand und die Lebensbedingungen auf der Erde zu schützen. Deutschland hat dafür eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beraten bei der Umsetzung der Ziele mit ihrer Expertise und Empfehlungen.

Nur kommen weder die langfristigen Ziele noch aktuelle Lösungen oder mutige Vorreiter ausreichend in der öffentlichen Debatte vor: Worum geht es eigentlich? Was passiert, wenn wir nichts ändern, und wer tut schon was? Erst wenn wir diese Fragen stärker in den Fokus rücken, können wir uns über das, was wir als Fortschritt verstehen, auch tatsächlich verständigen.

Gerade deshalb lohnt es sich, immer wieder innezuhalten und bei den negativen Erzählungen und Unmöglichkeitserklärungen darauf zu achten, woher sie kommen und welche Perspektive sie in sich tragen. Denn Zukunft entsteht nicht plötzlich – sie formt sich leise, in den alltäglichen Entscheidungen und den Fragen, die wir stellen. Ob sie tragfähig wird, liegt auch an unserer Bereitschaft, bekannte Wege zu verlassen und andere, oft utopisch anmutende Möglichkeiten zuzulassen. Was jetzt zählt, ist, dass wir unseren Kompass neu ausrichten.

Das macht Mut…

The 89 Percent Project – Wir sind nicht allein

Das Projekt ist eine globale journalistische Initiative von CCNow und soll mit vermehrter Berichterstattung darauf aufmerksam machen, dass eine Mehrheit von 89 Prozent der weltweiten Bevölkerung mehr Klimaschutz will.

Deutsche Forschungsinstitute retten US-Klimadaten

Die US-Regierung plant, mehrere Seiten mit kritischen Umweltdaten vom Netz zu nehmen – eine alarmierende Entwicklung. Deutsche Forschungsinstitute haben sich zusammengeschlossen, um die Daten zu sichern.

Diese fünf Klimatechnologien sollten Sie kennen

Es gibt bereits eine breite Palette an Technologien, die dazu beitragen können, die Klimaziele zu erreichen. Diese fünf Technologien haben zusammengenommen ein hohes Potenzial.

Debattenkompass: Unser Handbuch zum Newsletter

Wie wir unsere Debatten eigentlich führen sollten, wenn wir unsere Ziele ernst nähmen, können Sie in unserem Debattenkompass nachlesen.

Mission Wertvoll hören und sehen

Better Future Conference

Credit: IMAGO / Zoonar

Am 29. April findet in Berlin die Better Future Conference statt. An dem Tag geht es um Nachhaltigkeit in all seinen Facetten. Auch Maja Göpel ist als Speakerin zu Gast. 

Hier geht’s zur Veranstaltung

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