Debattenkompass Wert & Wirkung

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Willkommen zur Erstausgabe des Debattenkompasses Wert & Wirkung.

Unser Ziel ist es, einen wissenschaftlich fundierten Kompass für die Debatten unserer Zeit anzubieten – denn die sind inzwischen ziemlich wild. Dabei folgen wir einer klaren Spur: Wie schaffen wir es als Gesellschaft, die Ziele zu erreichen, die wir uns gesetzt haben?

In diesen Zielen schlummert die positive Zukunftsvision, die alle gerade vermissen. Sei es nun ein Klima ohne Chaos, materielle Versorgungssicherheit und lebenswerte Städte oder Gesundheit, Wohlergehen, gute Bildung und ein Dach über dem Kopf für alle. Findet sich alles in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Wenn wir sie ernst nehmen, wird Strukturwandel zu einem glaubwürdigen Versprechen für uns alle. Zumal es viele Lösungen längst gibt.

Die wilde Debatte entsteht dadurch, dass wir diese Ziele immer wieder verfehlen. Und wir verfehlen sie, weil wir unsere Lösungssuche nicht konsequent darauf ausrichten: Viele politische Spielregeln aber auch Zahlen und Erzählungen, mit denen wir Fortschritt und Zukunft anpeilen, stammen aus dem letzten Jahrhundert. Diese Wirkung wollen wir thematisieren. Aus der Perspektive, welche Werte wir schützen wollen.

Wir beleuchten bei jedem Thema daher die folgenden, konkreten Fragen:

  • Worum geht es eigentlich?

  • Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?

  • Wer tut schon was?

  • Wie ist der nächstmögliche Schritt?

So, und jetzt geht’s los…

Heute: das EU-Lieferkettengesetz

Eigentlich sind sich doch alle einig, dass Ausbeutung, Kinderarbeit, gesundheits- oder gar lebensbedrohliche Arbeitsbedingungen und Zerstörung der Umwelt erkannt und vermieden werden sollten, oder? Klar, wichtige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und andere Versuche, Menschenrechte zu achten, gibt es längst – etwa der UN Global Compact und die Global Reporting Initiative Standards. Leider haben sie nur begrenzte Wirkung.

Überall auf der Welt werden Regenwälder illegal abgeholzt, Gewässer und Böden vergiftet und Menschen in sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen gehalten, damit wir unsere Smartphones, Steaks und billigen T-Shirts bekommen.

Worum geht es eigentlich?

Genau diese Missstände adressiert die wichtige Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) – das EU-Lieferkettengesetz. Über Jahre ausgehandelt und abgestimmt, hätte es eigentlich im Februar endgültig verabschiedet werden sollen. Eine reine Formsache – wenn nicht die FDP ihre Zustimmung verweigert und damit eine Ja-Stimme der Bundesregierung vorerst unmöglich gemacht hätte.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher braucht es Expertenwissen, um bereits die Lieferketten der Produkte eines kleinen Supermarktsortiments nachzuvollziehen. Unternehmen hingegen können besser durchschauen, wie die Zulieferer und Geschäftspartner es mit den Menschenrechten und dem Schutz von Klima und Umwelt halten. Sie stehen in direktem Kontakt mit ihren Partnern und haben Einblick in ihre Arbeitsweise. Zumindest, wenn sie wollen.

Die EU-Richtlinie soll aus dem Wollen ein Müssen machen: Europäische Unternehmen ab einer bestimmten Größe werden verpflichtet, bei ihren Zuliefererbetrieben auf die Einhaltung von Standards zu achten.

Und anders als im deutschen Lieferkettengesetz, das bereits seit 2023 gilt, kommt noch eine Klimaschutz-Komponente hinzu: Unternehmen müssen einen sogenannten „Klimaplan“ erstellen. Das heißt, sie zeigen konkret und plausibel auf, wie sie ihre eigenen Emissionen und auch die in ihrer Lieferkette reduzieren, sodass sie im Einklang mit den Pariser Klimazielen stehen.

Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?

Warum will die FDP nicht? Die Hauptargumente der Liberalen: Zu viel Bürokratie und zu viel Belastung für den Mittelstand. Stimmt, Lobbyisten murren laut. Hier gibt’s einen Faktencheck der taz dazu. Vor allem bedeutet das Gesetz nicht mehr, sondern weniger Bürokratie. Denn es gebe gar keine umfangreiche Meldepflicht, erklärt die Zeit.

Ende Januar verkündeten Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP), letzterer federführend beteiligt an der Aushandlung des Kompromisses, dass sie diesen Gesetzesentwurf nicht mittragen können. Sie finden, neben den oben schon genannten Punkten, unzumutbar, dass deutsche Unternehmen für Verstöße ihrer Zulieferer rechtlich belangt werden könnten.

Das Argument ist keines. Im Rahmen des Gesetzes sollen Unternehmen nicht für Rechtsbrüche anderer verantwortlich gemacht werden, sondern lediglich für Verletzungen ihrer Sorgfaltspflicht: Darauf zu achten und hinzuwirken, dass Standards entlang der Kette eingehalten werden, ist etwas anderes, als für die Einhaltung von Standards haftbar gemacht zu werden. Aber: Baut das Unternehmen selber im Ausland Mist, muss es auch haften. Und Klagen in Deutschland, etwa von NGOs, wären zulässig.

Das kurzfristige Nein hat für ziemliche Irritationen gesorgt – inbesondere auf europäischer Ebene. In Brüssel ist immer öfter und nicht allzu freundlich vom „German Vote“ die Rede. Die Verlässlichkeit der Bundesregierung steht auf dem Spiel.

Wer tut schon was?

Zur Erinnerung: Das Gesetz ist für alle da. Im besten Fall stellt es sicher, dass Konsumentscheidungen nicht unwissentlich Verbrechen, Rechtsbrüche und Unmenschlichkeit mitfinanzieren – egal, wo was wann gekauft wird. Vor allem aber ist es eine große Chance, wenn eine Wirtschaftsmacht wie Europa Anreize für Handelspartner in der ganzen Welt setzt, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert wieder stärker zusammen zu denken.

Viele große, einflussreiche Unternehmen in Deutschland – Unilever, KiK, Maersk, Hapag-Lloyd, Ikea, Aldi Süd zum Beispiel – wollen dieses Gesetz, und das durchaus auch aus wirtschaftlichem Kalkül. Viele müssen schon jetzt die Vorgaben des deutschen Lieferkettengesetzes erfüllen; Konkurrenten in Spanien oder Italien müssen das nicht – ein Wettbewerbsnachteil, der den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächt. Eine EU-weite Regelung bedeutet gleiche Regeln und Planungssicherheit für alle.

Noch besser: Eine Umfrage zeigt, dass 70% der befragten Betriebe die Auflagen bereits erfüllen oder dabei sind, sich zu kümmern.

Wie ist der nächstmögliche Schritt?

Das Bundesjustizministerium plädiert für neue Verhandlungen nach der EU-Wahl im Juni. Diese Haltung wirkt sich offenbar auch auf andere Vorhaben der Koalition aus, etwa einen Antrag zum Menschenrechtsbericht der Bundesregierung.

Planungssicherheit für Politik und Wirtschaft gibt es also erstmal nicht. Theoretisch kann das Gesetz auch ohne Deutschlands Zustimmung verabschiedet werden. Entscheidend wäre dann wahrscheinlich das Votum Italiens. Es bleibt wenig Zeit für Kompromisse, da das EU-Parlament bald in den Vorbereitungsmodus für die EU-Wahlen geht. Neue Gespräche und eine Abstimmung sind erst wieder danach möglich.

Wichtig also, jetzt Flagge zu zeigen – insbesondere aus der Wirtschaft als vermeintlich Geschützte. Ein Satz ist dort gerade öfter zu hören: Wir haben keinen Bock mehr darauf, uns noch mehr vorschreiben zu lassen. Bock haben Gesetzgeber dazu auch nicht. Sie fangen dann an zu regulieren, wenn die Selbstverpflichtungen über lange, lange Zeit nicht ausgereicht haben, unsere Ziele zu erreichen.

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      Neben unserem öffentlichen Dialograum Wert & Wirkung hat Mission Wertvoll deshalb mehrere Projekte gestartet – wie:

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      Die Klimakrise ist auch eine Krise der Vorstellungskraft: Planet Narratives unterstützt Filmschaffende dabei, die Zukunft des Planeten in ihren Geschichten unterzubringen. Die Initiative wurde im September 2023 von Nicole Zabel-Wasmuth und Lars Jessen gegründet. Seitdem haben Nicole und Lars mehrere Workshops und Veranstaltungen entwickelt und gehostet – etwa auf der Berlinale 2024 – sowie Drehbuchautorinnen und -autoren bei neuen Entwürfen unterstützt.

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      In den Medien

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