Mit Wert & Wirkung bieten wir einen wissenschaftlich fundierten Kompass für die Debatten unserer Zeit an. Diesmal erklären wir, warum Wahrnehmungslücken reale Folgen für die Klimapolitik haben und wie wir diese Lücken schließen und Zukunft gestalten.
Zwischen 80 und 89 Prozent der Menschen weltweit wünschen sich laut wissenschaftlichen Studien entschlosseneres Handeln beim Klimaschutz.
Doch diese breite Unterstützung wird massiv unterschätzt – und zwar selbst von den Menschen, die in internationalen Gremien ja eigentlich die größte Hebelwirkung haben: Politikerinnen und Politiker, Diplomaten und Delegierte. Mit weitreichenden Folgen. Denn die Fehleinschätzungen dieser Entscheidungsträger bremsen eine wirklich ambitionierte Klimapolitik aus.
Schon frühere Studien zeigten, dass 69 Prozent der Bevölkerung im Grunde bereit sind, einen Teil ihres Einkommens in Klimaschutz zu investieren. Doch politische Entscheider glauben, dass diese Zahl deutlich niedriger ist. In einer Studie schätzten sie, dass lediglich 37 Prozent der Menschen dazu bereit wären. Eine riesige Differenz – die großen Einfluss auf die Politik und damit unser aller Leben hat.
„Es betrifft nicht nur Politiker. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass auch viele andere Akteure in internationalen umweltpolitischen Gremien fälschlicherweise von einer schwächeren öffentlichen Unterstützung ausgehen, als sie tatsächlich existiert“, erklärt Hauptautor Dr. Ximeng Fang von der Said Business School an der Universität von Oxford.
Das Phänomen ist auch als pluralistische Ignoranz bekannt, oder einfacher – Gruppenblindheit (lesen Sie hierzu gern auch unseren letzten Debattenkompass). Menschen glauben, mit ihren Überzeugungen in der Minderheit zu sein, obwohl sie tatsächlich Teil einer stillen Mehrheit sind.
Fehleinschätzungen ausräumen, Fortschritt ermöglichen
„Wahrnehmungslücken können reale Folgen haben – sie können bedeuten, dass Klimapolitik weit weniger ambitioniert ausfällt, als es sich die Bevölkerung eigentlich wünscht“, sagt Dr. Niall McLoughlin vom Climate Barometer, einem Forschungsprojekt, das erhobene Meinungsdaten zur Klimakrise bündelt, auswertet und zugänglich macht.
Schließen wir diese Lücken, kommen wir dem Moment näher, an dem die Gesellschaft beim Klimaschutz kippt – hin zum zukunftsweisenden Handeln.
Eine der wirksamsten Formen der Klimakommunikation besteht darin, den Menschen klarzumachen, dass die Mehrheit weiß, dass die Klimakrise real, menschengemacht und ein ernstes Problem ist – und dass die Politik handeln muss.
Studien zeigen: Schon die Korrektur von Fehleinschätzungen verändert die Einstellungen von Menschen – sowohl beim Klima, als auch bei Themen wie Migration oder Gewalt gegen Frauen. In einer noch unveröffentlichten Studie aus den USA zeigt sich, dass selbst konservative Gruppen offener für Klimapolitik sind, wenn sie erfahren, dass eine breite Mehrheit die Klimaneutralität unterstützt, wie Fang erläuterte. Menschen orientieren sich instinktiv an Mehrheiten – die Mehrheit muss also nur sichtbar werden.
Wahrnehmungslücken können reale Folgen haben – sie können bedeuten, dass Klimapolitik weit weniger ambitioniert ausfällt, als es sich die Bevölkerung eigentlich wünscht.
– Dr. Niall McLoughlin, Climate Barometer
Wie wir die positive Vision für gutes Leben sichtbar machen
Statt die Notwendigkeit von Klimaschutz immer wieder infrage zu stellen, sollten Politiker ihre Energie besser darauf verwenden, Lösungen umzusetzen – und Erfolge sichtbar zu machen, betont Fang. Etwa sinkende Kosten für Wind- und Solarenergie, effiziente Wärmepumpen und erschwinglichere E-Autos.
„Das könnte helfen, den Menschen eine positive Vision von Fortschritt zu zeigen – und dazu beitragen, dass Umweltschutz und bessere Lebensbedingungen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden“, so Fang.
Auch Sandra Geiger von der Princeton University unterstreicht gegenüber Mission Wertvoll: „Wenn Menschen sehen, dass andere ähnliche Sorgen äußern, verändert das ihre Wahrnehmung dessen, was ‘normal’ ist – und genau dieser Wandel kann Handlungen und Engagement fördern.“
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Bild: IMAGO / dts Nachrichtenagentur
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