Interview

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Fiktionales Erzählen kann konkret helfen, unsere Lebensgrundlagen zu sichern

Positive Geschichten zu Klima und Biodversität kommen kaum in Filmen und im Fernsehen vor. Die Medien- und Umweltrechtlerin Nicole Zabel-Wasmuth und der Regisseur Lars Jessen wollen das schnell ändern. Dafür haben sie im Herbst 2023 die Intiative Planet Narratives gegründet – als Projekt des Science-Society-Netzwerks Mission Wertvoll. Hier sprechen sie über die schnell steigende Nachfrage, Drehbuchberatung und den eigenen Impact.

Teinehmer:innen einer Podiumsdiskussion von Planet Narratives: u.a. Nicole Zabel-Wasmuth, Lars Jessen, Louisa Neubauer und Maren Urner

Lars Jessen und Nicole Zabel-Wasmuth (beiden unten rechts) gemeinsam mit Mitgliedern des Planet-Narratives-Netzwerks beim Klimatag der Deutschen Filmakademie 2023 in Berlin. Foto: Deutsche Filmakademie e. V. / Florian Liedel.

Warum wurde Planet Narratives gegründet?

Nicole Zabel-Wasmuth und Lars Jessen: Wir sind selber seit vielen Jahren in der Film- und Fernsehbranche unterwegs und haben immer ein großes Potential gesehen, das unsere Branche im Hinblick auf Klimaschutz und Biodiversität entfalten kann. Nach einer längeren Vorbereitungsphase und einer umfangreichen Analyse – gemeinsam mit Expert:innen aus Klimawissenschaft, Klimapsychologie, Neurobiologie und Drehbuch – zum Status Quo und den Möglichkeiten, durch Film Veränderungen zu bewirken, haben wir dann beschlossen, die Initiative Planet Narratives zu gründen.

Was ist das Ziel der Initiative?

Nicole: Wir wollen Geschichtenerzähler:innen in Film und Fernsehen mit die Methoden, den Mut und die Motivation mitgeben, die sie brauchen, um mehr Zukunft in ihren Geschichten unterzubringen. Damit ist nicht gemeint, dass sie nur noch Klimafilme machen sollen. Sondern diese Geschichten müssen jede denkbare Form annehmen, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen. Wir Menschen unterscheiden uns von anderen Arten auf dieser Welt dadurch, dass wir einander Geschichten erzählen. Wir sind „homo narrans“, wie Samira El Ouassil und Friedemann Karig in ihrem Buch „Erzählende Affen“ zutreffend feststellen. Damit sind wir die einzigen existierenden Wesen, die sich Dinge vorstellen können, die es – noch – gar nicht gibt. Filmemacher:innen bespielen und aktivieren mit ihren Serien und Filmen diese besondere Vorstellungskraft. Damit verfügen sie über eine einmalige Superpower. Denn wir haben nicht nur die Kraft, wirksame Geschichten zu erzählen, sondern verfügen auch über einer der wichtigsten Ressourcen unserer Zeit: Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit so vieler Menschen gleichzeitig, die sich unsere Geschichten anschauen. Diese einmalige Kraft ist vielen Macher:innen nicht bewusst. Das wollen wir ändern.

Richtig los ging’s ab November 2023. Welche Rückmeldungen gibt es aus der Branche?

Lars: Das Feedback ist sehr positiv, es sind unglaublich viele Menschen aus den unterschiedlichsten Gewerken im Film bereit, Veränderungen mitanzustoßen und sehr dankbar, dass es uns als Initiative gibt. Es hat scheinbar eine große Lücke gegeben, auch aufgrund von Ohnmachtsempfindungen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Die Komplexität der Klimakrise hat viele eingeschüchtert. Es scheint, als hätten wir da einen Stein ins Rollen gebracht.

Was ist konkret passiert?

Nicole: Wir hatten eine Auftaktveranstaltung im September 2023. Gemeinsam mit verschiedenen Expert:innen aus unserem Netzwerk, etwa Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf, Neurowissenschaftlerin Maren Urner, Drehbuchautorin Silke Zertz und Autorin Samira El Ouassil – haben wir im Rahmen des 20-jährigem Jubiläums der Deutschen Filmakademie über die Möglichkeiten und auch die daraus resultierende Verantwortung von uns Filmmacher:innen gesprochen. Dort haben wir erstmals die Ziele und und Ideen von Planet Narratives vorgestellt. Es gab ein überwältigendes Interesse. Ein toller Auftakt. Die Rückmeldung der Leitung der Filmakademie war sehr positiv: sie wollen weiter mit uns arbeiten. Die Aufrufe der Videomitschnitte der Impulsvorträge waren mit bis zu 130.000 Views absolut rekordverdächtig.

Es ging gut weiter im Herbst und Winter, oder?

Lars: Wir waren beim Filmfest in Hamburg im Oktober 2023 präsent; bei verschiedenen Panelveranstaltungen und Diskussionsrunden wie zum Beispiel bei der Film Uni Babelsberg im Rahmen einer Veranstaltung zur Transformation im Film, bei einer Veranstaltung mit Workshop zu „Storytelling für die Zukunft“ des Partnernetzwerks Medien im November 2023, bei dem Tag der Akademie der Deutschen Akademie für Fernsehen im Dezember 2023 sowie bei der Berlinale, unter Anderem mit einer eigenen Veranstaltung zu den Filmstoffen der Zukunft, die wir gemeinsam mit der Produktionsallianz und dem Villa Aurora & Thomas Mann House e.V. veranstaltet haben.

Wie funktioniert das Netzwerk um Planet Narratives?

Nicole: Wir haben tolle Synergien und eine solide wissenschaftliche Basis durch die Kooperation mit Maja Göpel und der Superredaktion im Rahmen unserer Dachorganisation, des Science-Society-Netzwerks Mission Wertvoll. In diesem Rahmen arbeiten wir auch eng mit verschiedenen relevanten Wissenschaftler:innen zusammen, was uns von anderen Initiativen unterscheidet und einen großen Vorteil im Hinblick auf tatsächlichem Impact bringt. In der Filmbranche haben wir zudem ein sehr solides Netzwerk und kommen mit immer mehr relevanten Personen zum Thema ins Gespräch, die spannend finden, was wir machen. Sie verstehen zunehmend, dass das fiktionale Erzählen eine deutlich höhere Bedeutung für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen hat, als sie sich bisher bewusst gemacht haben.

Welche konkreten Schritte stehen 2024 an?

Lars: Wir möchten unser Angebot ausweiten und insbesondere Autor:innen dabei unterstützen, faktenbasiert und auf Grundlage unseres Wissens tolle Filmstoffe zu schaffen, die viele Menschen erreichen. Dabei ist es zum einen relevant, die Kreativen dabei zu unterstützen, authentische und wirksame Filmkonzepte zu erschaffen, die Auftraggeber dann auch annehmen. Auch wollen wir im Rahmen der Ausbildung an den Filmhochschulen präsent sein. Kontakt haben wir bereits aufgenommen. Es fehlt noch an Lehre zu diesen Themen.

Grafik mit dem Zitat von Bell Hooks: What we cannot imagine, cannot come into being

Das Motto von Planet Narratives stammt von der 2021 verstorbenen US-Literaturwissenschaftlerin bell hooks (Eigenschreibweise).

Euch ist aber vor allem auch der Blick auf das große Ganze wichtig.

Nicole: Häufig schiebt bei Film und Fernsehen ein Gewerk die Verantwortung auf das nächste. Dieses Phänomen heißt „pluralistische Ignoranz“, nach dem Motto: „Wir wollen ja gern, aber die anderen sind noch nicht so weit.“ Wir hören von Produzent:innen, sie fänden alles super und sind dabei. Man werde aber nicht beauftragt, wenn man sich in irgendeiner Form mit „diesen Themen“ befasse. Die Auftraggeber:innen sagen, sie würden solch relevanten Stoffe sehr wohl beauftragen, brauchen aber gute Geschichten. Storys, die ankommen und geschaut werden. Diese würden die Autor:innen in dem Feld aber nicht liefern. Die Autor:innen meinen, sie hätten sehr wohl gute Ideen. So geht es weiter. Um diesen Kreis zu durchbrechen, wollen wir verknüpfen und Mut machen – im Rahmen unserer Impuls- und Panelveranstalungen und unserer Workshops. Immer mit einem positiven, vorwärts gerichteten Blick. Das gelingt bisher sehr gut.

Was habt ihr seit dem Start der Initiative erreicht?

Lars: Wir haben Rückmeldungen von Autor:innen, mit denen wir Workshops machen und die wir begleiten. Mittlerweile probieren viele die konkrete Umsetzungen unserer Anregungen aus, entwickeln Stoffe entsprechend – und bedanken sich für die Unterstützung. Das ist toll. Die Wirkung unserer Veranstaltungen beschränkt sich somit nicht nur auf ein schönes motivierendes Moment, das drei Tage später verpufft. Unsere Arbeit trägt schon jetzt Früchte. Dass wir die dramaturgische Beratung und Hilfe bei der Entwicklung sowie Workshops kostenlos anbieten können, ist für viele sehr hilfreich.

Und auf Branchenfestivals?

Nicole: Nach unserem Auftritt mit Impulsvorträgen und offener Paneldiskussion mit Silke Zertz und Pheline Roggan beim Filmfest in Hamburg kam sehr gutes Feedback. Unser Panel sei besonders positiv aufgenommen worden, war die Rückmeldung vom Festivalteam. Viele Autor:innen hätten unsere Anregungen zum Anlass genommen haben, direkt noch einmal einen Blick auf ihre Konzepte und Drehbücher zu werfen. Neue Ideen wurden eingebaut. Das ermutigt uns sehr.

Planet Narratives ist gemeinnützig, braucht es noch Unterstützung?

Nicole und Lars: Ja! Wir haben eine Grundfinanzierung durch die European Climate Foundation, was toll ist. Da die Nachfrage groß ist, wollen wir dieses Jahr weitere Projekte angehen und dafür auch neue Kolleg:innen einstellen. Wir sind auf der Suche nach Spender:innen, die daran interessiert sind, mit Geschichten wirklich etwas zu bewegen.

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In den Medien

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Was wir tun

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