Debattenkompass Wert & Wirkung

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Mit Wert & Wirkung bieten wir einen wissenschaftlich fundierten Kompass für die Debatten unserer Zeit an. Diesmal erklären wir, warum Subventionen unsere Welt formen und wie wir davon profitieren können.

Schätzen Sie mal, wie viele Subventionen dem Internationalen Währungsfonds(IWF) zufolge 2022 weltweit in fossile Brennstoffe geflossen sind. Haben Sie eine Zahl im Kopf? Sehr gut. Die richtige Antwort lautet: sieben Billionen US-Dollar. Also 7000 Milliarden. Das ist eine gewaltige Summe. Unterteilt ist diese einem Artikel im Spiegel zufolge in explizite Subventionen, also Steuererleichterungen für fossile Brennstoffe, und implizite Subventionen – also nicht eingepreiste Schäden, die durch Verbrennungsprozesse entstehen.

IWF-Experten zufolge liegen die expliziten Subventionen bei 1,3 Billionen US-Dollar und die impliziten bei 5,7 Billionen. Wobei die Experten davon ausgehen, dass die tatsächlichen Kosten für die Schäden deutlich darüber liegen. Lassen Sie das mal sacken: Jedes Jahr unterstützen die Regierungen der Welt Unternehmen, die fossile Brennstoffe nutzen, mit Billionen von US-Dollar – und das, obwohl dies unsere Lebensgrundlage zerstört. Zuletzt sind die expliziten Subventionen für fossile Brennstoffe sogar signifikant gestiegen, laut einem Papier des IWF haben sie sich global von 2020 bis 2022 verdoppelt.

 

Worum geht es eigentlich?

Zunächst einmal sind Subventionen nichts Schlechtes. Sie sind – wie Steuern – ein normaler Bestandteil des Wirtschaftssystems und sollen ausgewählte Gruppen, Unternehmen oder Verhaltensweisen durch finanzielle Entlastung fördern. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen („subvenire“ – zur Hilfe kommen) und bezeichnet heute vor allem staatliche Zuschüsse, die nicht an eine direkte Gegenleistung gebunden sind. Diese fließen entweder direkt als Finanzhilfen oder indirekt als Steuervergünstigungen.

Häufig werden Subventionen geleistet, um strukturelle Probleme zu lösen oder Industrien in schwierigen Zeiten zu unterstützen. Auch aktuelle klimaschädliche Subventionen hatten einmal eine Berechtigung. Ein Beispiel ist die Kerosin-Steuerbefreiung im Luftverkehr. Während Autofahrer eine Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel zahlen, ist Kerosin davon ausgenommen. Diese Befreiung wurde eingeführt, um den internationalen Handel und Tourismus zu fördern und die Fluggesellschaften wettbewerbsfähig zu halten – mit Erfolg. Flugverkehr ist inzwischen lange profitabel und allgegenwärtig genug, um ohne staatliche Unterstützung auszukommen – das Ziel ist also erreicht. Das Problem: Flugzeuge verursachen erhebliche Mengen an CO2-Emissionen. Dennoch gilt die Kerosin-Steuerbefreiung nach wie vor, was Flugtickets künstlich günstiger hält als umweltfreundlichere Alternativen wie die Bahn.

Hier wird das eigentliche Problem sichtbar: Solche Subventionen setzen politische Anreize für klimaschädliches Verhalten. Obwohl unsere Klimaziele gesetzlich festgelegt sind, erschweren fossile Subventionen den Weg, sie zu erreichen. Beispiele dafür sind nicht nur Steuervergünstigungen für den Flugverkehr, sondern auch die reduzierte Energiesteuer für Diesel oder das Dienstwagenprivileg.

Schon im Kyoto-Protokoll, dem „Vorgänger“ des Pariser Klimaabkommens, wurde in Artikel 2 der Abbau von Subventionen vereinbart. Denn diese widersprechen dem Ziel des Abkommens – der Reduktion von Treibhausgasen. Auch die Ampel-Regierung hat diesen Widerspruch in ihrem Koalitionsvertrag erkannt: „Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir überflüssige, unwirksame und umweltschädliche Subventionen abbauen.“ Doch passiert ist bisher wenig. Ein gesamtgesellschaftlich klimafreundliches Leben bedingt das Ende solcher Subventionen, denn die Preise für Güter und Dienstleistungen beeinflussen sowohl Investitions- als auch Konsumentscheidungen. Solange ein Flug von Hamburg nach Wien günstiger ist als eine Bahnfahrt, wird sich das Verhalten der Menschen in der Breite kaum ändern.

Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher?

Ein signifikanter Teil unserer Steuergelder wird aktuell dafür eingesetzt, den Status quo durch Subventionen zu zementieren, anstatt die Mittel in die sozial-ökologische Transformation zu investieren. Das ist problematisch, denn: Falsche Preise geben falsche Signale, weil sie beispielsweise sogenannte externe Effekte in Form von Umweltzerstörung gänzlich ausklammern. Verkaufspreis und tatsächliche Kosten klaffen hier zu sehr auseinander – und das ist nur möglich, weil Hersteller diese sogenannten externen Kosten auf die Allgemeinheit abwälzen können. So kommt es zu einer hohen Nachfrage.
Die Folge: Der Markt wird falsch gesteuert, was sich in der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch die Nutzung fossiler Energieträger niederschlägt.

Laut Expertenschätzungen ließe sich die Hälfte der rund 40 klimaschädlichen Subventionen in Deutschland kurzfristig streichen. Bei den übrigen würde es aufgrund rechtlicher Hürden etwas länger dauern. Das habe allem voran mit zwei Dingen zu tun, wie Baro Vicenta Ra Gabbert, Juristin und Vorstandssprecherin für sozial-ökologische Gerechtigkeit bei Greenpeace Deutschland, erläutert: Zum einen, weil einige der Subventionen nicht von deutschem Recht bestimmt sind, sondern von Europäischem. Zum anderen mit Vertrauensschutz, wenn sich Unternehmen oder bestimmte Branchen auf rechtlich zugesicherte Subventionen eingestellt haben. „Um Planungssicherheit zu schaffen, könnte man etwa über schrittweise Anpassungen nachdenken, damit eingeplante Gelder nicht allzu plötzlich wegfallen.“ Aber wichtig ist es, anzufangen – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch mit Blick auf ganz Europa.

Das wäre nicht nur sinnvoll, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern, sondern auch, um Subventionen mit gesellschaftlichen Zielen in Einkling zu bringen. Die gesetzlich im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) verankerten und auf dem Pariser Klimaabkommen beruhenden Ziele sind bindend – dementsprechend drastisch müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 noch sinken.

Und in vielen Punkten besteht bereits Konsens: Wir alle wollen eine Zukunft, in der wir ein gutes Leben in Gesundheit und Wohlstand führen können. Mit der jetzigen Politik verfehlen wir diese Ziele aber, mehr noch: Wir entfernen uns durch die künstliche Senkung von Preisen, die klimaschädliches Verhalten fördern, nur weiter von ihnen.

Wir alle wollen ein gutes Leben in Gesundheit und Wohlstand. Was ist wirklich wertvoll im Leben? Bild: IMAGO / Zoonar

Wer tut schon was?

Immerhin: Das Bundesfinanzministerium veröffentlicht regelmäßig einen Subventionsbericht, in dem auf Zielkonflikte aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive hingewiesen wird. Laut Bericht unterliegen alle Subventionen einer Nachhaltigkeitsprüfung, die von den zuständigen Ministerien durchgeführt wird. In der Praxis ist dies jedoch noch nicht hinreichend erkennbar. Während viele umweltfreundliche Förderprogramme, wie etwa jene für Gebäudesanierungen und Wärmepumpen, gekürzt oder gestrichen wurden, gibt es umweltschädliche Subventionen wie das Diesel- und Dienstwagenprivileg auch weiterhin. Ein weiterer Bericht im Auftrag der Bundesregierung, der im August 2024 veröffentlicht wurde, quantifizierte die Treibhausgaswirkung von staatlichen Vergünstigungen – mit dem Ergebnis, dass Subventionen für die Industrie und im Verkehrssektor den größten klimaschädlichen Effekt haben.

Ein Beispiel dafür, wie man es angehen könnte, ist Großbritannien. Dort wurde 2013 ein CO2-Preis eingeführt, der die Emissionen im Energiesektor drastisch gesenkt hat. Gleichzeitig führte die Regierung Subventionen und Ausbaupläne für erneuerbare Energien ein und kündigte den Kohleausstieg an. Emissions-Ersparnisse seit 2015: etwa 19 Prozent. Auch in Deutschland gab es effektive Maßnahmen, allen voran im Verkehrssektor. 1999 führte die Ökosteuerreform unter anderem zu einer Senkung der Emissionen um sieben Prozent, indem durch eine Info-Kampagne auf den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von Autos hingewiesen wurde, während gleichzeitig Förderungen im Schienenverkehr erhöht wurden.

Beispielhaft voran geht auch Dänemark. Als erstes Land der Welt will unser nördlicher Nachbar eine Klimasteuer für Schweinemast- und Milchbetriebe einführen. Dabei handelt es sich im Grunde um die Abschaffung einer klimaschädlichen impliziten Subvention, weil durch die Steuer jene Schäden eingepreist werden sollen, für die bis dato die Allgemeinheit aufgekommen ist.

Zwar muss das Vorhaben noch durch das Parlament, doch ihm werden gute Chancen eingeräumt, da es große Zustimmung für Treibhausgas-Regeln im Agrarbereich gibt, sogar in der Branche selbst. Vorgesehen ist, dass Landwirte ab 2030 umgerechnet etwa 40 Euro pro Tonne CO2 im Jahr zahlen, bis 2035 soll der Preis dann auf rund 100 Euro steigen. Im Gegenzug sollen die Bauern bei der Einkommenssteuer entlastet werden, so dass die effektive Belastung nur zwischen rund 15 bis 40 Euro pro Tonne CO2 liegen soll. Die Reform wurde unter Beteiligung der betroffenen Gruppen, wie etwa Landwirten und Industrie, erarbeitet und wird als gelungener Kompromiss bewertet. Die Einführung der Steuer könnte eine Signalwirkung auf andere Länder haben, weil deutlich wird, dass auch in einem politisch und wirtschaftlich sensiblen Sektor Fortschritte zu erzielen sind.

 

Wie ist der nächstmögliche Schritt?

Dass die Ampel-Regierung die Wirkung fossiler Subventionen auf die Klimakrise erkannt hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Konkrete Reformvorschläge zu ihrer Abschaffung bleiben bislang jedoch weitestgehend aus.

Wissenschaftliche Empfehlungen für eine Umgestaltung existieren aber bereits. Laut einem wissenschaftlichen Hintergrundpapier zum Projekt „Dialog Klimaökonomie“ würde die Abschaffung von Subventionen für fossile Energieträger deren Verbrauch voraussichtlich erheblich senken. Das allein würde allerdings nicht ausreichen, um die Fossilen in dem Umfang und der Geschwindigkeit auslaufen zu lassen, wie es die Pariser Klimaziele erfordern. Ergänzend brauche es einen angemessenen CO2-Preis und den gezielten Ausstieg aus der Kohleverstromung als CO2-intensivste Energiequelle.

Die Autoren des Papiers, das mehrere Studien zusammenfasst, betonen: „Die Finanzierung des Transformationsprozesses hin zu CO2-neutralen Volkswirtschaften ist eng mit dem Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Energieträger verknüpft.“ Heißt: Es braucht Anreize für private und öffentliche Investitionen in grüne Technologien sowie den Rückzug aus fossilen Projekten. Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Global Resource Outlook 2024, eine Studie der UNEP (United Nations Evironmental Programme).

Anstatt etwa, um wie beim Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet Arbeitsplätze zu retten, mehrere Hundert Milliarden Euro in den Wirtschaftszweig zu pumpen, obwohl man die Branche als nicht zukunftsfähig betrachtet hat, hätte man dieses Geld besser investieren sollen, um Umschulungen für neue Jobs anzubieten. So wurde den Menschen zwar kurzfristig geholfen, eine nachhaltige Lösung war das aber nicht. An dem Beispiel sieht man auch, dass über längere Zeiträume fließende Subventionen nicht unbedingt dazu führen, sich an neue Situationen anzupassen, damit die im Steinkohlebergbau Arbeitenden optimal darauf vorbereitet werden, in einer anderen Branche arbeiten zu können.

Die Finanzierung des Deutschlandtickets würde der Breite der Gesellschaft zugute kommen. Bild: IMAGO / Sven Simon

Daraus könnte die jetzige Regierung lernen. So könnte etwa eine Neuregelung zur Besteuerung von Dienstwagen ökologische Fehlanreize beseitigen und das Einhalten der Klimaziele im Verkehrsbereich fördern: Frei werdende Mittel, die die Bundesregierung dringend braucht um Finanzierungslücken zu schließen, könnten stattdessen in die Finanzierung des Deutschlandtickets fließen, das der Breite der Gesellschaft zugute kommt, anstatt größtenteils den oberen zehn Prozent (wie beim Dienstwagenprivileg). In Großbritannien etwa ist die Steuer an den CO2-Ausstoß des Fahrzeugs gekoppelt, die Niederlande fördern durch ihre Steuerregelungen explizit die Anschaffung günstiger E-Autos. Dies könnte sich die Bundesregierung zum Vorbild nehmen, um ihrem Ziel näher zu kommen, bis 2030 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren zu haben.

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